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Die Dresdner Wespenretterin

Marion Loeper fängt Bienenschwärme ein und setzt Wespennester um. In diesem Sommer hat sie besonders viel zu tun. Das liegt auch an Corona.

Von Nora Domschke
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Wespen-Alarm bei den Dresdner Verkehrsbetrieben in der Tiergartenstraße: Marion Loeper gibt Entwarnung, es sind harmlose Feldwespen.
Wespen-Alarm bei den Dresdner Verkehrsbetrieben in der Tiergartenstraße: Marion Loeper gibt Entwarnung, es sind harmlose Feldwespen. © Marion Doering

Dresden. Ihr Tipp gegen lästige Wespen? Wasser aus der Sprühflasche. "Das mögen sie gar nicht und müssen sich erst einmal irgendwo trocknen", sagt Marion Loeper. Die 50-jährige Dresdnerin hat schon vieles ausprobiert und schwört auf die Wassermethode. "Die hilft einfach am besten." Marion Loeper ist Expertin, wenn es um Bienen, Wespen und Hornissen in der Stadt geht. Im Dresdner Imkerverein ist sie Teil eines sechsköpfigen Teams, das sich ehrenamtlich um die sogenannte Stechimmenrettung kümmert. 

Haben Kindergärten, Hobbygärtner oder Hausbesitzer ein Wespen- oder Hornissennest auf dem Grundstück und werden die Tiere gar zu lästig, bekommt Marion Loeper einen Anruf. "Die telefonische Beratung macht gut 80 Prozent aus", erzählt die sportliche Frau, die eigentlich als Krankenschwester im Bereitschaftsdienst arbeitet. Oft hilft schon der Hinweis, dass die Brutzeit der Insekten Anfang August vorbei ist und es dann rund um den Esstisch ruhiger wird. "Dann lasse ich die Nester hängen."

Wie im Betriebshof Gruna, wo sich die Fahrer der Dresdner Verkehrsbetriebe in ihrem Aufenthaltsraum von Wespen gestört fühlen. Tatsächlich findet Marion Loeper an der Hauswand unter einem Vorsprung die typischen kleinen, tellerförmigen Nester. "Das sind Feldwespen, die sind harmlos." Ohnehin sind nur noch die Männchen da. Die Brut ist großgezogen, die Weibchen sind begattet und haben das Nest verlassen - das Ende der männlichen Wespen naht. "Hier brauche ich nichts mehr zu unternehmen."

Dieses Nest von Feldwespen befindet sich im Spielhaus eines Dresdner Kindergartens. Dort hat Marion Loeper mit den Kindern geübt, wie man ganz langsam die Spielzeugautos rausholt und wieder reinstellt. So durften das Nest und die Feldwespen bleiben.
Dieses Nest von Feldwespen befindet sich im Spielhaus eines Dresdner Kindergartens. Dort hat Marion Loeper mit den Kindern geübt, wie man ganz langsam die Spielzeugautos rausholt und wieder reinstellt. So durften das Nest und die Feldwespen bleiben. © privat

Ist das Problem akut und ein Wespennest stört wirklich, packt Marion Loeper ihre Werkzeugkiste, den Ganzkörperschutzanzug und den Staubsauger ein. Ja, den Staubsauger. Für die Wespen-, Hornissen- und Bienenrettung hat sie sich einen herkömmlichen Aschesauger umgebaut, er arbeitet mit wenig Kraft. Behutsam wird der Schwarm dann in ein Rohr gesaugt, das verschlossen und im Wald wieder geöffnet wird. Überhaupt muss man offenbar handwerklich einiges auf dem Kasten haben, will man dem stechenden Getier zu einem neuen Zuhause verhelfen.

"Vieles ist Marke Eigenbau", sagt Marion Loeper und zeigt eine Plastikkiste aus dem Baumarkt. Sie ist mit einem Netz präpariert, sodass die Brut, die samt Nest in der Kiste transportiert wird, genug Luft bekommt. Beim Blick in die Werkzeugkiste wird ebenfalls schnell klar: Auch Einfallsreichtum ist gefragt. Ein großes Küchenmesser zum Abschneiden der Nester, ein Heber, mit dem eigentlich das Spiegelei in der Pfanne gewendet wird - all das habe sich schon als nützlich erwiesen, sagt die Wespenretterin. 

Wege von Mensch und Wespe trennen

Oft kann Marion Loeper - wie beim Betriebshof Gruna - die Nester dort lassen, wo sie sind. Befinden sie sich zum Beispiel auf einem Dachboden oder in einem Schuppen - viele Wespenarten mögen es dunkel - hilft oft schon ein Tuch, das Marion Loeper davor hängt. "Wichtig ist, die Wege von Mensch und Wespe zu trennen." Benutzen sie dieselbe Tür, kommt es oft zu Problemen. Ohnehin sind es nur zwei Wespenarten, die den Biergartenbesuch oder den Kaffeeklatsch im Garten unangenehm machen können: die Deutsche Wespe und die Gemeine Wespe, beides sogenannte Kurzkopfwespen. 

Ziehen sie die Brut groß, brauchen sie eiweißreiche Nahrung. Allerdings nicht für sich selbst, sondern für den Nachwuchs. Dieser sondert im Gegenzug einen Tropfen süßer Flüssigkeit ab, der den erwachsenen Wespen genug Energie für den nächste Raubflug auf den Grillteller gibt. Ist die Brut groß und muss nicht mehr versorgt werden, fehlt der süße Tropfen - und die Wespen schwenken auf dem Gartentisch von Fleisch und Wurst auf süße Getränke und Kuchen um. 

Corona-Lockdown: Wespen beim Nestbau ungestört

Wie auf so viele Bereiche des Lebens hat die Corona-Pandemie auch auf die Arbeit von Marion Loeper Auswirkungen. Durch den Lockdown im Frühjahr waren viele Lagerhallen, Schuppen und Gartenhäuschen ungenutzt. "Da konnten die Wespen völlig ungestört ihre Nester bauen." Als die Menschen zurückkehrten, mehrten sich auch die Anrufe bei Marion Loeper. Rund 400 Anrufe bekommt sie im Jahr, 2020 sind es schon jetzt gut 300. Wie viele Rettungseinsätze sie schon hinter sich hat, konnte sie noch gar nicht zählen. 

2019 musste sie allein im Dresdner Stadtgebiet 66 herrenlose Bienenschwärme, die dann oft an Straßenschildern hängen, einfangen, 40 Wespen- und 20 Hornissennester haben den Standort gewechselt. Kontaktiert wird sie auch vom Umweltamt, zum Beispiel bei einem Nest in einem städtischen Kindergarten. Oder die Rettungsleitstelle ruft an. "An Aufträgen mangelt es derzeit wirklich nicht", sagt Marion Loeper. Sie hofft, dass sich weitere Ehrenamtler finden, die beim Imkerverein und der Schwarmrettung helfen.

Sie selbst hat 2009 ihre Liebe zu den gelb-braun-gestreiften Insekten entdeckt. In ihrem Garten im Ostragehege hält sie seitdem fünf Bienenvölker, hat sich später dem Imkerverein angeschlossen und bemerkt, wie viele Anrufe wegen plagender Wespen eingehen. Daraufhin absolvierte sie in Berlin einen Kurs, hat gelernt, wie man zu dem Thema berät und wie Schwärme und Nester geborgen werden. 

Die Wespen- und Hornissennester aus Dresden bringt sie übrigens an geschützte Orte im Wald oder an Bahndämmen. "Dorthin, wo die Tiere den Menschen nicht begegnen." Den einen oder anderen Stich hat Marion Loeper natürlich auch schon abbekommen, meistens an den Armen, wenn der Schutzanzug hochrutscht. "Das nehme ich den Wespen aber nicht übel. Sie wissen ja nicht, dass ich sie retten will."

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