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Der Fotograf des alten Dresdens

Wie ein Chronist hat der Fotograf Walter Hahn seine Stadt in Bildern festgehalten, selbst als sie in Trümmern lag. Vor 50 Jahren ist er gestorben.

Von Ralf Hübner
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Eines der eindrucksvollsten und wohl bekanntesten Bilder Walter Hahns: die Trümmerwüste Dresden im Jahr 1945 vom Rathausturm aus.
Eines der eindrucksvollsten und wohl bekanntesten Bilder Walter Hahns: die Trümmerwüste Dresden im Jahr 1945 vom Rathausturm aus. © AKG-Pressebild, Walter Hahn

Das alte Dresden lebt in Bildern fort. Das ist vor allem dem Fotografen Walter Hahn zu danken, der von 1919 an die Stadt mehr als zwei Jahrzehnte systematisch fotografiert hat – oft von erhöhten Punkten aus oder gleich aus der Luft. Postkarten mit dessen Aufnahmen sind bei Sammlern begehrt. Von Hahn stammen auch die bekannten Bilder von der Leichenverbrennungen auf dem Dresdner Altmarkt 1945 sowie der Blick vom Rathausturm über die Trümmerwüste Dresdens mit einer Rathaus-Figur im Vordergrund. Vor 50 Jahren ist er am 24. November 1969 in Dresden gestorben.

Schon während der Lehrzeit begann sich Hahn etwa zeitgleich für die Fotografie und den Klettersport in der Sächsischen Schweiz zu begeistern. Er trat dem Kletterclub „Gipfelstürmer“ bei. Die Plattenkamera hat ihn auf seinen Klettertouren begleitet, viele Erst- und Frühbegehungen von Kletterwegen hat er mit ihr im Bild festgehalten. Die Landschaftsaufnahmen gelten jetzt schon deswegen als wertvoll, weil mit ihnen deutlich wird, wie sich die Umwelt seither verändert hat.

Möglicherweise war die Kletterleidenschaft Hahns auch der Grund dafür, dass er sich oft gewagte Kamerastandpunkte suchte. Er fotografierte zumeist bei gutem Wetter und liebte kontrastreiche Aufnahmen mit großer Tiefenschärfe und Wolken, den „Hahn-Wolken“, die er bei der Bildgestaltung wirkungsvoll in Szene setzte. Hahns Aufnahmen von Städten und Landschaften galten als technisch und künstlerisch meisterhaft.

Luftbildfotografie als Spezialität

Walter Hahn war am 20. April 1889 als Sohn des Tischlers Robert Colmar Hahn und der Plätterin Laura Luise in Berlin zur Welt gekommen. Nach dem Tod des Vaters zog die Familie nach Dresden in die Äußere Neustadt. Hahn besuchte die 15. Bezirksschule und absolvierte eine Ausbildung zum Lithografen. 1913 ließ er sich als selbstständiger Fotograf in der Südvorstadt nieder. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 wurde er ins Jäger-Bataillon 13 in Dresden eingezogen.

Hahn heiratete Margarethe Clara Emma Koppenatsch. Ab 1924 wurde immer mehr die Luftbildfotografie zu seiner Spezialität. Dabei wurde er zumeist von dem mit ihm befreundeten Reklameflieger Ernst Fröde mitgenommen. Dass Hahn auch im Flugzeug von Weltkriegsflieger Ernst Udet über Dresden in der Luft war, gilt als nicht gesichert.

Im Oktober 1943 konnte Hahn letztmalig das noch unzerstörte Dresden vom Flugzeug aus ablichten. Noch einmal war ihm erlaubt worden „innerhalb Großdresdens, im Elbsandstein- und Erzgebirge zu fotografieren“. Eine Veröffentlichung der Aufnahmen wurde ihm für die Dauer des Krieges jedoch untersagt. Im Dezember 1943 wurde ein weiterer Antrag Hahns, Bombenschäden aus der Luft aufzunehmen, abgelehnt. Dessen Vorschlag, vorsorglich auch farbige Luftbilder herzustellen, „falls es unseren Gegnern gelingen sollte, auch unser schönes Dresden zu zerstören“, war schon im August 1943 vom Reichsluftfahrt-Ministerium abgeschmettert worden.

Von der SS verhaftet

Die alliierten Luftangriffe auf Dresden am 13.und 14. Februar 1945 überstand Hahn weitgehend wohlbehalten, sein Grundstück allerdings wurde stark beschädigt. Als er am 25. Februar die Leichenverbrennungen auf dem Dresdner Altmarkt „trotz Verbotes“ fotografierte, wurde er nach eigener Darstellung von der SS verhaftet und zur Luftschutzbefehlsstelle gebracht, wenig später aber wieder entlassen. Dort habe er – nachträglich – den Zusatz zu seiner Fotogenehmigung von 1943 erhalten, wurde berichtet. Demnach war er berechtigt, „von allen Schadenstellen und besonderen Begebenheiten in Dresden fotografische Aufnahmen zu machen.“ Ihm sei ungehindert Zutritt zu gewähren, hieß es.

Beim letzten Luftangriff auf Dresden am 17. April 1945 wurden Hahns Haus und Werkstatt vollständig zerstört, seine Frau kam ums Leben. Die im Keller gelagerten Glasnegative blieben jedoch bis auf wenige Ausnahmen erhalten. Er flüchtete nach Kleinhennersdorf, kehrte aber schon im Juni 1945 nach Dresden zurück und kam bei der Schwester Margarethe Gierisch in der Wiener Straße unter und konnte seinen „Photograph- und Lichtbildvertrieb“ wiederbeleben. Zunächst hielt er sich mit Passaufnahmen für die neuen Ausweise sowie Glückwunschkarten über Wasser, er dokumentiert für die Stadtverwaltung zerstörte Kirchen, das Opernhaus, öffentliche Denkmäler, fertigte für die Landesverwaltung Bildreportagen. 1947 heiratete Hahn seine zweite Frau Gertrud.

Hahn fotografierte auch das neue Dresden, neue Postkarten erschienen. Mit den bekannt gewordenen Aufnahmen des frisch vergoldeten Mannes von der Spitze des Rathausturms von 1963 endete Hahns Laufbahn als Fotograf. In schwindelnder Höhe auf einer Leiter stehend hatte er die spektakulären Aufnahmen gemacht.

Das Bildarchiv Hahns mit etwa 15.000 Foto-Negativen ist fast vollständig erhalten. Es befindet sich seit 1970 in der Deutschen Fotothek der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden.

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