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Bonpflicht geht auch öko

Der Dresdner Unverpackt-Laden "Quäntchen" hat eine Lösung gefunden, Bonpflicht und Umweltschutz besser miteinander zu vereinen.

Von Sarah Herrmann
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Sven Wruck betreibt den Unverpackt-Laden Quäntchen in Dresden. Er ärgert sich über die Bonpflicht, hat aber eine Lösung gefunden, die das Gesetz zumindest erträglicher macht.
Sven Wruck betreibt den Unverpackt-Laden Quäntchen in Dresden. Er ärgert sich über die Bonpflicht, hat aber eine Lösung gefunden, die das Gesetz zumindest erträglicher macht. © Sven Ellger

Seit Jahresanfang vergeht kein Tag, an dem Sven Wruck nicht über Bons spricht. Im April vergangenen Jahres hat der gelernte Maler den Unverpackt-Laden Quäntchen auf der Oschatzer Straße eröffnet. Seine Kunden bringen ihre Verpackung in Form von Gläsern und Tupperdosen selbst mit oder erwerben sie im Geschäft. Müll zu vermeiden, ist das große Ziel von Wruck und anderen Unverpackt-Laden-Inhabern. Umso mehr ärgert sich der Pieschener über die Bonpflicht, die seit diesem Jahr gilt.

Jetzt müssen alle Einzelhändler - vom Bäcker bis zum Barmann - einen Beleg zu jedem Einkauf herausgeben. Auch wenn der Kunde die Quittung ablehnt, muss diese gedruckt werden. Das Bundesfinanzministerium will so gegen Steuerbetrug vorgehen.

"Es ist klar, dass man das Problem mit der Steuerhinterziehung angehen muss", sagt Wruck. Von der Bonpflicht halte er aber gar nichts. Schließlich sei im Zuge des neuen Kassengesetzes auch beschlossen worden, dass alle Kassen ab Oktober mit einer neuen technischen Sicherheitseinrichtung ausgestattet werden müssen. Dann werden die Verkäufe gespeichert und können weder gelöscht noch überschrieben werden. "Spätestens dann stellt sich doch die Frage, warum man zusätzlich noch einen Bon ausdrucken sollte", sagt der Unternehmer.

In diesem Jahr habe er bereits mehr Kassenrollen verbraucht, als im vergangenen Jahr. Dabei nehme in seinem Geschäft kaum ein Kunde den Beleg mit. "Es gibt Tage, an denen das niemand macht", sagt Wruck. "Viele erklären mir, dass sie extra in mein Geschäft kommen, um Müll zu vermeiden." Und auch der Besitzer hatte sich das mit seiner Geschäftsidee eigentlich zum Ziel gesetzt. Das kann er nun nicht mehr umsetzen. Doch zumindest für einen Teil des Problems hat er nun eine Lösung gefunden.

So beschweren sich viele Händler, dass die Bons wegen der Thermobeschichtung nicht im Altpapier entsorgt werden können. "Ich benutze schon seit der Eröffnung Ökobons", sagt Wruck. Die Hersteller verzichten auf die Plastikschicht und stellen die Rollen nur aus Papier her. So können die Belege zumindest im Altpapier entsorgt werden. Mindestens 50 Prozent mehr müssen Händler für den Ökobon bezahlen, teilweise sind sie sogar doppelt so teuer. Dafür ist die Entsorgung um einiges umweltfreundlicher: Der Ökobon zerfällt  unter Kompost-Bedingungen  innerhalb von vier Wochen zu mehr als 75 Prozent.

Auch bei "binnes unverpackt" auf der Dornblüthstraße in Striesen kommen deshalb nur Ökobons in den Drucker. Berit Heller will demnächst auf das Produkt umsteigen. Sie hat den ersten Unverpackt-Laden in ganz Sachsen eröffnet. Seit 2015 gibt es "Lose" in der Neustadt. Bisher hat die Besitzerin auf herkömmlichen Quittungen gedruckt. "Die brauchen wir jetzt noch auf und steigen um", sagt Heller. Denn der Verbrauch sei mit Einführung der Bonpflicht um einiges höher geworden. Dennoch sind sich beide Laden-Inhaber einig, dass auch der Ökobon das Problem nicht löst. "Es ist trotzdem Müll", sagt Heller. Deswegen hat sie nun zu einer besonderen Protestaktion aufgerufen.

Protestaktion vor dem Umweltministerium

Am Weltumwelttag am 5. Juni will sie nach Berlin fahren und die gesammelten Bons des Jahres vor dem Umweltministerium zur Schau stellen. Über Facebook und Instagram sucht sie seit Kurzem nach Mitstreitern. Außerdem hat Heller Fridays for Future Dresden angeschrieben, die Bewegung denkt über eine Beteiligung nach. Auch auf andere Akteure will die Unverpackt-Pionierin persönlich zugehen. "Meine Vision ist es, dass Leute aus allen Teilen Deutschlands bei der Aktion zusammenkommen", sagt Heller. Nur durch Aufmerksamkeit könne man gegebenenfalls etwas erreichen.

Die wollte der Unverpackt-Verband - der Zusammenschluss aller Unverpackt-Läden in Deutschland - auch mit einer Petition erlangen.  Sie wurde beim Bundestag eingereicht, nun allerdings abgelehnt. Denn vor Kurzem ist bereits eine Petition zum Thema Bonpflicht online gegangen. Diese wurde vom Bundestag nun als Leit-Petition freigegeben und wird deshalb auch vom Unverpackt-Verband unterstützt. 

Dort heißt es, dass die Bonpflicht "eine enorme bürokratische Hürde" darstellt, "die gerade dem Einzelhandel und dem Mittelstand schadet." Der Petent bezweifelt, dass die Bonpflicht wirklich gegen Steuerbetrug helfe. Zudem belaste das Gesetz die Umwelt. In der Petition wird deshalb die Abschaffung der Bonpflicht gefordert. Sie kann noch bis zum 11. Februar unterschrieben werden. Bislang sind online über 6.000 Unterschriften zusammengekommen. Sammelt der Petent am Ende 50.000 Unterschriften, kann er sein Anliegen mit den Abgeordneten in einer öffentlichen Sitzung vom Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages diskutieren. Unabhängig von der Anzahl der Unterstützer wird aber jede abgeschlossene Petition geprüft.

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