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So geht Dynamo an der Ostsee unter

Die Dresdner verlieren mit 0:3 in Kiel. Was noch schlimmer ist: Sie haben nie wirklich eine Chance. Dem Trainer tun die Fans leid. Doch er hat eine Erklärung.

Von Sven Geisler
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Bittere Enttäuschung: Dynamo-Spieler nach dem Abpfiff.
Bittere Enttäuschung: Dynamo-Spieler nach dem Abpfiff. © WORBSER-Sportfotografie

An der Ostsee macht Dynamo mal wieder keinen Fang. Die Dresdner verlieren das vorletzte Spiel der Saison in Kiel vor 12 712 Zuschauern letztlich deutlich mit 0:3 (0:1). Von nun neun Versuchen im Holstein-Stadion haben sie nur je einmal gewonnen und unentschieden gespielt. Wenn man die jüngsten Heim-Niederlagen in der zweiten Liga (0:4, 0:2) mit betrachtet, baut sich da wohl so etwas wie ein Angstgegner auf. Hinten nicht dichtgehalten, nach vorn komplett ungefährlich, und Marco Hartmann gibt sein Comeback – die schnellen Antworten auf die fünf Fragen zum Spiel:

Wie ist diese Niederlage im letzten Auswärtsspiel der Saison zu bewerten?

Das Ergebnis spielt zwar für den Klassenerhalt keine Rolle mehr, trotzdem ist es für den Verein ärgerlich, weil Dynamo die Chance auf eine bessere Platzierung und damit mehr Fernsehgeld vergibt. „Diese Einstellung, zu sagen: Wir sind gerettet und spielen einfach mal – das bin nicht ich, damit kann ich nichts anfangen“, hatte Trainer Cristian Fiel deshalb vorher gesagt. „Ich will, dass wir dorthin fahren und bereit sind für dieses Spiel, bereit sind zu investieren.“ Bei allem Bemühen muss man jedoch resümieren: Von einem Erfolgserlebnis waren die Dresdner schon weit entfernt, bevor Kiel das Ergebnis durch die Treffer von Jonas Meffert (69.) und Hauke Wahl (77.) auf 3:0 ausbaute, was ein wenig zu hoch anmutet.

Wie kam Dynamos Rückstand zur Pause zustande?

Kiel führt nach 45 Minuten verdient, obwohl auch der Gastgeber kein Offensivspektakel liefert. Die „Störche“ lauern vielmehr darauf, bei Dresdner Fehlern zuschnappen zu können. Fast wäre es schon in der 17. Minute soweit gewesen. Patrick Ebert spielt einen Querpass direkt auf Masaya Okugawa, Wiegers hält, der Ball sprigt dennoch in Richtung Dresdner Tor, aber Florian Ballas klärt vor der Linie. Zwei Minuten später passiert es doch, weil einfach zu viele Kieler freistehen: Okugawa schlägt über den Ball, Johannes van den Bergh bringt ihn an den Fünfmeterraum und Jae Sung Lee muss nur den Fuß hinhalten.

Wie hat der Trainer die Ausfälle in der Anfangself ersetzt?

Fiel musste die Startelf auf mindestens drei Positionen verändern, weil Erich Berko verletzt sowie Dzenis Burnic und Moussa Koné nach der fünften Gelben Karte gesperrt fehlten. Außerdem ließ er Linus Wahlqvist zunächst draußen. Der Schwede hatte wegen einer Handgelenksprellung nicht voll trainieren können. Neu ins Team rutschte unter anderem Justin Leo Löwe, der als Einwechsler mit seinem Führungstor im Sachsenderby bei Erzgebirge Aue für Aufsehen gesorgt hatte. Er spielte zentral vor der Abwehr, wurde bei gegnerischem Ballbesitz von Jannis Nikolaou unterstützt. Dynamo wechselte in der letzten Reihe zwischen Dreier- und Viererkette. Das neue Sturm-Duo bildeten wie erwartet Haris Duljevic und Lucas Röser.

Zum Kader gehörte überraschend auch Hartmann. Fiel hatte am Freitag gesagt, den Kapitän nach seiner Verletzung nicht zu früh wieder ins Rennen schicken zu wollen. Doch nach knapp einer Stunde sieht er offenbar akuten Handlungsbedarf für mehr Präsenz, wechselt den 31-Jährigen für den diesmal überforderten Löwe ein. Sein Comeback ist die positive Nachricht an diesem enttäuschenden Nachmittag.

© WORBSER-Sportfotografie
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© WORBSER-Sportfotografie

Wie ist Dynamo dieses scheinbar bedeutungslose Spiel angegangen?

Es liegt natürlich nahe, angesichts der Konstellation mangelhafte Einstellung zu unterstellen. Und ja, Entschlossenheit sieht anders aus. Es ist jedoch nicht so, dass die in weinrot-weiß-gestreiften Trikots spielenden Dresdner nicht wollen. Vielmehr lässt sie der Gegner nicht können. Kiel setzt sie schon im Aufbauspiel unter Druck. „Da musst du bereit sein, sonst kann es dir schnell schwindelig werden“, hatte Fiel vor der Flexibilität und individuellen Klasse der Ostseestädter gewarnt. „Das sollte uns nicht passieren.“

Insofern ist es die erste Aufgabe, hinten sicher zu stehen, nach vorn fehlen dadurch Kreativität und Schwung. Der erste, eigentlich auch nicht nennenswerte, Abschluss ist ein Freistoß von Baris Atik übers Tor (26.). Das neu formierte Stürmer-Duo hängt, wie es heißt, in der Luft. Duljevic läuft viel und wird fast belohnt, als er Dominik Reimann unter Druck setzt und der Kieler Torwart ihn anschießt (32.). Ansonsten sind es Ansätze, die stecken bleiben.

Inwiefern hat die Diskussion um den Holstein-Trainer eine Rolle gespielt?

Fiel hatte es vorher in der Pressekonferenz angesprochen. „Tim Walter wird wahrscheinlich in die Bundesliga gehen und seinen Jungs sagen: Lasst uns das gut zu Ende bringen“, sagte er über seinen Trainerkollegen. Walter wird mit dem VfB Stuttgart in Verbindung gebracht, der allerdings den Klassenerhalt erst noch in der Relegation gegen den Dritten der zweiten Liga sichern muss. Der 43-Jährige wollte sich auf Nachfrage nicht zu seiner Zukunft äußerden. „Momentan konzentriere ich mich voll auf die letzten beiden Spiele mit Holstein Kiel. Alles andere kommentiere ich nicht“, sagte Walter. Sport-Geschäftsführer Fabian Wohlgemuth bestätigte derweil das Interesse des VfB und den Wunsch des Trainers, nach Stuttgart zu wechseln. Offensichtlich geht es jetzt um die Höhe der Ablösesumme.

Die Meinungen der Trainer nach dem Spiel

Tim Walter (Holstein Kiel):

"Ich bin sehr zufrieden mit meiner Mannschaft. Nach drei Niederlagen hintereinander ist so ein Spiel nicht selbstverständlich, zumal wir uns in dieser Saison insgesamt doch noch ein bisschen mehr erhofft hatten. Doch wir haben versucht, uns nichts anmerken zu lassen und einfach Fußball zu spielen und den Gegner hinterherlaufen zu lassen. Das ist uns geglückt, und wir sind auch in Führung gegangen. Und irgendwann haben die Jungs dann so eine Freude und so einen Spaß entwickelt, dass es für den Gegner keinen Spaß mehr macht. Aber dahin musst du den Gegner erst einmal bringen. Das haben wir überragend gemacht, Charakter gezeigt und den Zuschauern einen schönen Saisonabschluss gegeben - und noch dazu einen positiven Eindruck hinterlassen."

Cristian Fiel (Dynamo Dresden):

"Wo fange ich am besten an? Wir hatten uns viel vorgenommen für dieses Spiel - auch wenn sich das jetzt so kurz danach komisch anhört. Wir wussten auch, was auf uns zukommt. Doch wir haben nicht gut gegen den Ball gearbeitet, sind nicht in die Zweikämpfe gekommen.  Das soll keine Ausrede sein, überhaupt nicht, doch die Jungs haben in der vergangenen Woche den Klassenerhalt perfekt gemacht, da ist nach einer schwierigen Saison eine große Last von ihnen abgefallen. Wir sind alle Menschen - und haben es heute nicht geschafft, die Spannung wieder aufzubauen. Das tut mir vor allem für die vielen mitgereisten Fans leid. Jetzt geht es am nächsten Sonntag darum, im Heimspiel gegen Paderborn diese Saison ordentlich zu Ende zu bringen und die Leute mit einem guten Gefühl in die Sommerpause zu schicken. Dafür müssen wir noch einmal die Kräfte bündeln, auch im Kopf." 

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