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Einer schiebt für alle

Ein Cunnersdorfer hatte eine Idee, die im Glashütter Stadtgebiet Schule machen könnte.

Von Maik Brückner
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Mit seinem kleinen Traktor wird man Marco Langendorf (2. v. li.) nun öfters in Cunnersdorf sehen. Der 37-Jährige hat den Winterdienst für den Fußweg übernommen. Die Idee, die Leistung an einen Privatmann abzugeben, hatte Stadt- und Ortschaftsrat Joch
Mit seinem kleinen Traktor wird man Marco Langendorf (2. v. li.) nun öfters in Cunnersdorf sehen. Der 37-Jährige hat den Winterdienst für den Fußweg übernommen. Die Idee, die Leistung an einen Privatmann abzugeben, hatte Stadt- und Ortschaftsrat Joch © Foto: Egbert Kamprath

Bis jetzt musste Marco Langendorf erst zweimal mit seinem Traktor den Gehweg vom Schnee frei fegen. Doch der Winter ist noch lang. Da wird es den einen oder anderen Einsatz noch geben. Um nicht böse überrascht zu werden, studiert er am Abend den Wetterbericht. Ist Schnee angesagt, steht der 37-Jährige zeitig auf. „Um 5.30 Uhr drehe ich dann meine erste Runde“, sagt er. Sollte es durchschneien, wiederholt er seine Fahrten auf dem Gehweg bis 18.30 Uhr. So sieht es die Vereinbarung vor, die Langendorf mit 50 Anwohnern der Ortsdurchfahrt geschlossen hat.

Bisher gibt es im Glashütter Stadtgebiet keinen anderen Ort, in dem die Fußwege von einem Einzelnen oder einer Firma schneefrei gehalten werden. Denn nach der Satzung der Stadt sind die Anlieger dafür zuständig. Das ist problematisch, weiß Jochen Böhme, der selbst an der Ortsdurchfahrt wohnt.

Denn viele seiner Nachbarn sind schon etwas älter, andere fahren früh zur Arbeit und kommen erst am späten Nachmittag und am Abend nach Hause zurück. Ihren Winterdienstpflichten könne man unter diesen Umständen schwer nachkommen. Davon ist auch Reinhard Hasler aus Reinhardtsgrimma überzeugt. Deshalb forderte er in der jüngsten Stadtratssitzung das Glashütter Rathaus auf, über Alternativen nachzudenken. Hasler regte an, dass die Stadt auch die Fußwege vom Schnee beräumt. „Es sei im Sinne des Gemeinwohls, dass die Gehwege in einem ordentlichen Zustand sind.“

Bürgermeister Markus Dreßler (CDU) räumte ein, dass es Probleme bei der Einhaltung der Räum- und Streupflicht gibt. Sicher könnte die Stadt auch das übernehmen. Allerdings müsste so ein Service auch bezahlt werden. Und das dürfte nicht billig sein, denn im Stadtgebiet gibt es inzwischen viele Gehwege.

Um die Kosten für diesen Winterdienst zu refinanzieren, könnte man beispielsweise die Grundsteuer erhöhen. Doch auch das sei nicht gerecht, weil nicht alle Bürger von geräumten Bürgersteigen profitieren. Mancherorts gibt es keinen. Dennoch wolle man die Anregung Haslers aufgreifen und in einer der nächsten Stadtratssitzungen das Für und Wider von verschiedenen Lösungen vorstellen, erklärte Dreßler.

Die Cunnersdorfer haben sich bereits Mitte Dezember entschieden, das Problem auf eine ganz andere Art zu lösen. Die Idee dazu hatte Jochen Böhme, der die Diskussionen um den Winterdienst aus dem Stadtrat kennt. Dort ist er seit mehreren Jahren tätig.

Als im vorigen Jahr die Ortsdurchfahrt in seinem Heimatdorf saniert wurde und die Stadt parallel dazu einen straßenbegleitenden Gehweg bauen ließ, ahnte Böhme, der Ortschaftsrat ist und für Cunnersdorf auch im Glashütter Stadtrat sitzt, dass auch in Cunnersdorf die Räum- und Streupflicht für Diskussionen sorgen wird. Die mache auch Sinn. „Was nützt uns ein Gehweg, wenn er nicht geschoben ist und unsere Kinder auf ihm nicht bis zur nächsten Haltestelle laufen können?“, sagt er. Deshalb sucht er nach einer praktikablen und fairen Lösung für Cunnersdorf.

Er hat sie gefunden. In Cunnersdorf sollte ein Unternehmer den kompletten Winterdienst auf dem Gehweg übernehmen. Die Kosten dafür müssten die Anlieger übernehmen. Jeder zahlt 50 Euro pro Jahr, hat jemand ein größeres Grundstück, dann sind 75 Euro fällig bei kleineren nur 25 Euro. Mit dieser Idee ging er von Haus zu Haus. „Knapp 50 Grundstücke liegen an unserer Ortsdurchfahrt“, sagt Böhme. Sein Vorschlag kam an. Manche stimmten sofort zu, andere brauchten ein bisschen Bedenkzeit.

Letztlich erklärten sich fast alle bereit, mitzumachen. „Ich war angenehm überrascht“, sagt Böhme. Komplizierter war es dagegen, einen zu finden, der den Winterdienst übernimmt. Als er dann Marco Langendorf fragte, willigte dieser ein. Beruflich kann es sich der Autoschlosser, der nebenbei noch eine Landwirtschaft betreibt, einrichten. Der 37-Jährige legte sich einen kleinen Traktor zu. Mit dem fegt er nun den Gehweg. Bei Bedarf streut er.

Bis jetzt hat sich die Technik bewährt. Mühelos kann man auf dem Gehweg spazieren. Lydia Mütze, die zufällig vorbeikommt, ist begeistert. „Das ist sehr kinderwagenfreundlich“, sagt die junge Mutter.