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Entweder fliegen oder produzieren

Warum es für hiesige Wirtschaftsförderer keinen Kompromiss für die künftige Nutzung des Großenhainer Flugplatzes geben kann.

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So sah es amFreitagvormittag auf dem Flugplatz Großenhain aus. Imbiss- und Bierwagen und zahlreiche Absperrzäune warten darauf, abgeholt zu werden. Am Wochenende zuvor fand hier ein internationales Supermoto-Rennen statt.
So sah es amFreitagvormittag auf dem Flugplatz Großenhain aus. Imbiss- und Bierwagen und zahlreiche Absperrzäune warten darauf, abgeholt zu werden. Am Wochenende zuvor fand hier ein internationales Supermoto-Rennen statt. © Anne Hübschmann

Großenhain. Wie weiter mit Wirtschaft, Verkehr und Industrie in Großenhain? Beim CDU-Stammtisch im Café Faust reduzierte sich die Frage am Donnerstagabend fast vollständig auf das geplante Flugplatz-Industriegebiet. Großenhains Christdemokraten hatten dazu Vertreter der Wirtschaftsförderung Sachsen eingeladen. Die SZ sprach mit Geschäftsführer Thomas Horn und Projektleiter Thomas Krüger.

Was macht das Großenhainer Flugplatzgelände für Investoren attraktiv?

Thomas Horn: Allein schon die Größe der verfügbaren Flächen. Im künftigen Industriegebiet sind das fast 150 Hektar. Das ist sachsenweit einmalig. Hinzu kommt die gute Verkehrsanbindung. Das Areal liegt unmittelbar an Bundesstraße 98 und von dort aus ist man in 20 Minuten auf der Autobahn. Außerdem führt die Bahnstrecke unmittelbar vorbei, so dass für ansiedlungswillige Firmen auch die Chance besteht, einen Schienenanschluss zu bekommen.

Welche Art von Unternehmen will der Freistaat nach Großenhain holen?

Thomas Krüger: Wir gehen von etwa drei größeren Firmen aus, die das Areal komplett belegen. Auf jeden Fall werden es nicht 20 kleine sein. Damit wären die Vorteile, die das künftige Industriegebiet bietet, verschenkt. Und wir orientieren auf produzierendes Gewerbe, nicht auf Logistikunternehmen.

Gesprochen wird darüber schon lange. Die Großenhainer interessiert aber vor allem: Gibt es schon konkrete Anfragen?

Thomas Horn: Wenn ein Investor an der Türschwelle steht, will er zügig starten können und nicht noch Jahre warten. Dafür braucht man eine fertige Fläche. Auf dem Flugplatz müssen aber noch in großem Umfang Altlasten beseitigt werden. Im April wurde daher die Entscheidung getroffen, dass der Freistaat Sachsen noch einmal 21 Millionen Euro in die Bodensanierung investiert. Diese soll 2023 abgeschlossen sein, die Grundwasserreinigung bis 2026. Das ist ein starkes Signal und eine gute Voraussetzung für die Gewinnung von Investoren – auch wenn es noch nicht sofort losgehen kann. So ehrlich muss man sein.

Haben größere Unternehmen überhaupt noch ein Interesse, sich in Sachsen und speziell in Großenhain anzusiedeln?

Thomas Horn: Das Interesse ist durchaus vorhanden. Es gibt ja regelmäßig größere Investments, wie Bosch in Dresden oder Deutsche Accumotive in Kamenz. Und wenn die Bedingungen stimmen, wachsen die Standorte auch. Porsche hat in Leipzig mit 350 Arbeitsplätzen angefangen. Heute sind es 4000.

Thomas Krüger ist Projektleiter bei der Wirtschaftsförderung Sachsen.
Thomas Krüger ist Projektleiter bei der Wirtschaftsförderung Sachsen. © privat

Stichwort Arbeitsplätze: Finden Investoren bei allseits beklagten Fachkräftemangel überhaupt noch das Personal für einen neuen Standort?

Thomas Krüger: Wenn sich ein Unternehmen in Großenhain ansiedelt, schaut es nicht nur in die Stadt selbst oder nach Riesa und Meißen, sondern in einen Umkreis von 50 Kilometern. Da kommen auch Südbrandenburg und Dresden ins Spiel. Ein solcher Arbeitsweg ist für Fachkräfte, die gut verdienen, nicht ungewöhnlich. Außerdem verfügen wir hier in Sachsen über eine vorbildliche Infrastruktur in der Berufsbildung und über eine leistungsfähige Hochschul- und Universitätslandschaft. Wenn die Absolventen entsprechende berufliche Aussichten geboten bekommen, bleiben sie auch. Und seit einigen Jahren ziehen auch wieder mehr Menschen nach Sachsen als aus Sachsen weg, darunter auch zahlreiche sächsische „Rückkehrer“.

Thomas Horn leitet als Geschäftsführer die Wirtschaftsförderung Sachsen.
Thomas Horn leitet als Geschäftsführer die Wirtschaftsförderung Sachsen. ©  Anne Hübschmann

Wird die Industrieansiedlung den Großenhainern auch eine Ortsumfahrung für die Bundesstraße 101 bringen?

Thomas Horn: Was den Güterverkehr betrifft – der wird im Wesentlichen über die B 98 in Richtung Autobahn fließen. Oder eben über die Schiene. Die Großenhainer Ortsdurchfahrt wird nach unserer Einschätzung davon kaum berührt. Über die B 101 kommt man weder in Richtung Norden noch in Richtung Süden schnell auf die Autobahn. Eine Ortsumfahrung hat daher aus unserer Sicht keinen wirklichen Bezug zum Industriegebiet Flugplatz; sie liegt auch außerhalb unserer Kompetenzen als Wirtschaftsförderer.

Vielen Großenhainern liegt der Flugplatz noch sehr am Herzen. Ist ein weiterer Flugbetrieb – vielleicht auf einer Graslandebahn – denkbar?

Thomas Krüger: Eine Landebahn in einem Industriegebiet ist genehmigungsrechtlich illusorisch. Da gibt es ein Entweder-oder. Wenn jemand mit dem Flugzeug zu seiner Ansiedlung kommen will – Riesa verfügt über eine 1000 Meter lange Asphalt-Landebahn, und der Dresdner Flughafen ist ja auch in der Nähe.

Sachsen schlägt sich seit Jahren mit rechtsextremen Tendenzen in der politischen Szene herum. Schreckt das potenzielle Investoren nicht ab?

Thomas Horn: Das ist in der Wirtschaft kein großes Thema. Bisher hat uns noch kein ausländisches Investment aus diesen Gründen abgesagt. Sachsens Exportquote liegt bei fast 40 Prozent, an den Universitäten studieren junge Menschen aus aller Welt. Wir sind ein weltoffener und attraktiver Wirtschaftsstandort, und das wird international auch so gesehen.

Das Gespräch führte Manfred Müller.