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Zu wenige Touristen in Dresden

Die Gäste fehlen. Welche Auswirkungen das hat und was getan wird, um Besucher anzulocken.

Von Julia Vollmer & Andreas Weller
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Wieder Touristen in Dresden auf den Straßen und in den Cafés
Wieder Touristen in Dresden auf den Straßen und in den Cafés © Marion Doering

Dresden. Ganz langsam erwacht Dresden und auch der Tourismus wieder in der Stadt. In den Cafés und Restaurant auf dem Neumarkt oder dem Altmarkt sitzen wieder Menschen. Im Stimmengewirr ist auszumachen, dass nicht alle davon Dresdner sind. Es sind auch wieder Touristen mit Kameras und Rucksäcken zu sehen, die sich durch den Zwinger und an der Semperoper vorbei schlängeln. Was auffällt: Touristen aus dem Ausland sind kaum unterwegs. Zu groß ist noch die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus oder die Angst davor, vielleicht am Urlaubsort festzuhängen, wenn es wieder strengere Regeln geben sollte.

Deutlich weniger Besucher

Den halben März und den ganzen April stand das Leben in Dresden beinahe still, die Hotels waren geschlossen. Nun, langsam, werden die Folgen offenbar. Laut Tourismusverband sind im April dieses Jahres nur rund 7.000 Touristen nach Dresden gekommen. Das ist ein Minus von mehr als 96 Prozent im Vergleich zum April 2019. Es dürften fast ausschließlich Geschäftsreisende gewesen sein, touristische Reisen waren nicht erlaubt.Auch die Zahl der Übernachtungen im April sank um fast 95 Prozent auf 20.800. Im März reisten noch immer rund 61 Prozent weniger Übernachtungsgäste in die sächsische Landeshauptstadt, teilte das Statistische Landesamt mit. Die Zahl der Übernachtungen ging gegenüber dem März 2019 um etwa 59 Prozent zurück. Touristische Reisen waren am 18. März verboten worden, um die Epidemie einzudämmen. Allein die zweite März-Hälfte führte dazu, dass die gesamten Gewinne, die der Tourismus bis dahin erzielt hatte, weg sind. Stieg die Zahl der Übernachtungen von Anfang Januar und Ende Februar noch um rund 17 Prozent, steht im Zeitraum von Januar bis März nun ein Minus von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

„Das ist eine Katastrophe“

„Die Belegung in den Dresdner Hotels ist sehr verhalten“, sagte Thomas Gaier, Chef der Dresdner Hotelallianz und vom Schloss Eckberg auch jetzt. Laut einer Umfrage unter seinen Mitgliederhotels in Dresden, rechnen 45 Prozent aller Hotels mit einem Umsatzeinbruch um 80 Prozent für den Sommer. Während sonst im Juni die Herbergen zu 70 Prozent ausgelastet sind, sind sie es aktuell gerade einmal zu 30 Prozent. „Das ist eine Katastrophe“, so Gaier. Die Gründe: Obwohl die Reisewarnungen zu großen Teilen aufgehoben sind, sind viele Touristen noch sehr verhalten. Egal. Ein Grund sind auch die vielen Menschen, die durch Corona in Kurzarbeit sind.„Uns fehlen die Touristen. Wir sind Gastronomen mit Herz und es war nach der Wiedereröffnung zeitweise so leer, dass es uns traurig machte“, sagt auch Benjamin Hamm, Leiter des Restaurant Wenzel auf der Königstraße. „Nun merken wir, dass an den Wochenenden vermehrt Touristen aus Deutschland kommen, während die Dresdner zu Hause oder in ihren Gärten bleiben. Sein Kollege Torsten Röschke vom neuen Wenzel am Postplatz beobachtet: „Ja, wir merken, dass langsam mehr Touristen kommen, aber auch bei uns ist der Großteil innerdeutsch. Positiv ist das Riesenrad vor unserer Tür.“

Ausländische Gäste fehlen

Viktoria Franke, Sprecherin Filmnächte: „In den Vorjahren hatten wir vor allem zu unseren Konzerten ausländische Gäste, die reisten aus ganz Europa oder sogar aus den USA und Kanada an. Dieses Jahr kommen Gäste aus Thüringen, Sachsen-Anhalt oder Brandenburg mal fix zu einem Tages- oder Wochenend-Trip nach Dresden und besuchen uns. An ausländischen Gästen mangelt es bisher.“

„Rolle rückwärts wäre fatal“

Vom 17. März bis 20. Mai war auch keine Stadtrundfahrt in Dresden möglich. Das spürten die Anbieter deutlich. Heike Weber von den „roten Doppeldeckern“ sagt. „Ich möchte unseren Mitarbeitern danken, die uns zur Seite standen, obwohl sie durch den langen Arbeitsausfall die Leidtragenden waren.“ Nachdem bis zum 20. Mai keine Einnahmen möglich waren, liege das Gästeaufkommen nun bei etwa 50 Prozent vom Vorjahr. „Wir hoffen, dass sich die Anzahl der Gäste während der Ferienzeit auch bei uns weiter steigert.“ Weber warnt aber: „Wir hoffen sehr, dass die Coronazahlen nach der Urlaubszeit nicht mehr ansteigen und wir alle wieder eine „Rolle rückwärts“ machen müssen. Das wäre fatal.“Die Mitarbeiter der Stadtrundfahrt Dresden GmbH mussten in Kurzarbeit, weil keine Einnahmen möglich waren, sagt Geschäftsführerin Diana Maatz. „Natürlich hoffen wir, nach Lockerung der Reisebeschränkungen, dass das niedrige Infektionsgeschehen in Sachsen und insbesondere in Dresden auch vorsichtige Touristen überzeugt, uns zu besuchen.Alle betroffenen touristischen Unternehmen waren in der Zeit des Lockdowns kreativ und haben tolle Projekte auf die Beine gestellt.“ Maatz verweist auf die Erlebnisplattform „Sommer in deiner Stadt“, die sie und andere Anbieter „aus dem Boden gestampft“ haben. „Wir schauen also positiv nach vorn.“

200 Millionen Euro Verlust

Das bestätigt auch Corinne Miseer, Chefin der Dresden Marketing GmbH (DMG). „Trotz Öffnung der ersten Hotels ab Mitte Mai ist die Stimmung im Deutschland-Tourismus immer noch sehr verhalten“, so Miseer. „Nach unserer Hochrechnung muss der Verlust im Tourismus allein in Dresden auf etwa 200 Millionen Euro für den Zeitraum Mitte März bis Mitte Mai beziffert werden.“ Dazu kommen noch einmal 28 Millionen Euro Umsatzverlust aus dem Tourismus im Elbland.

Tourismus erholt sich erst 2023

Mit einer deutlichen Belebung des Inlandstourismus rechnet Miseer erst ab Oktober. „Aktuell gehen wir davon aus, dass sich der Tourismus in Dresden erst ab 2023 wieder auf dem Niveau von 2019 einpegelt.“ Die geringe Auslastung der Hotels liege vor allem an fehlenden Kongressen, Tagungen und Events, „gepaart mit der Reisezurückhaltung wegen allgemeiner Unsicherheit.“

Was dagegen getan wird

Die DMG unternehme viel, um den Tourismus anzukurbeln. “Wir haben eine zweistufige Sonderkampagne“, so Miseer. Die Kampagne „Schönheit zu Hause entdecken“ ging Anfang April an den Start. Diese liefen vor allem online, um Reisewillige nach Dresden zu locken, wenn es wieder geht. Dazu gab ein Memory-Spiel, ein Quiz, Wimmelbilder zum Ausmalen, mit Dresden- und Elbland-Bezug und einen virtuellen 360-Grad-Stadtrundgang.„Direkt mit Öffnung der Hotels und Gastronomie sind wir Mitte Mai in eine groß angelegte deutschlandweite Marketingkampagne zur zügigen Wiederbelebung des Tourismus unter dem Motto: „Schönheit wieder entdecken“ gestartet“, erklärt Miseer. Die Kampagne läuft im Internet, in überregionalen Medien und über Großplakate in Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt. Dazu gibt es Marketing im Umfeld, um den Tagestourismus zu stärken.„2020 ist das Inland ganz klar unser Hauptzielmarkt“, so Miseer. Dazu werden Reiseanlässe geschaffen. Etwa, der Auftritt der Dresdner Philharmonie bei den Filmnächten am Elbufer, der Theatersommer in der Jungen Garde, der Palais Sommer oder die Dresdner Kulturinseln 2020. Diese haben die DMG mit entwickelt oder sind für die Umsetzung zuständig.