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Für Attacke auf Jugendamtsleiter verurteilt

Der Fall ruft Erinnerungen an den Angriff auf Marwa El-Sherbini  wach. Trotz Warnungen hat ein Angeklagter einen Zeugen im Gericht schwer verletzt.

Von Alexander Schneider
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Torsten K. hat im Amtsgericht Dresden den Jugendamtsleiter Claus Lippmann schwer verletzt.
Torsten K. hat im Amtsgericht Dresden den Jugendamtsleiter Claus Lippmann schwer verletzt. © René Meinig

Torsten K. hat seinen Angriff angekündigt und schließlich in die Tat umgesetzt. Am 27. November 2018 schlug der 46-jährige promovierte Elektroingenieur aus der Lausitz ohne Vorwarnung von hinten auf den Dresdner Jugendamtsleiter Claus Lippmann ein – unmittelbar vor dem Verhandlungssaal im Amtsgericht Dresden, wo K. sich Minuten später hätte als Angeklagter verantworten sollen, weil der den Jugendamtsleiter bedroht und beleidigt hatte.

Zu diesem Ergebnis kam nun das Schöffengericht des Amtsgericht Dresden in einem dreitägigen Prozess gegen K. wegen gefährlicher Körperverletzung. Das Schöffengericht verurteilte den Deutschen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten, die ein früheres Urteil wegen versuchter Nötigung enthält. Darüber hinaus muss K. dem Jugendamtsleiter 4 200 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz zahlen. K. bleibt in Haft, für eine Strafaussetzung zur Bewährung sah das Gericht keine Möglichkeit. Beobachter hatten eine deutlich höhere Strafe erwartet, doch das Schöffengericht folgte exakt dem Plädoyer der Staatsanwältin.

Um die Wucht seiner Schläge zu erhöhen hatte K. einen Autoschlüssel so in der Faust, dass die Spitze zwischen seinen Fingern herausragte, sagte der Vorsitzende Richter Markus Maier. Damit fügte K. seinem Opfer mehrere stark blutenden Wunden im Gesicht zu. Darüber hinaus erlitt Lippmann Prellungen und eine Fraktur des linken Augenhöhlenbodens.

Der 65-Jährige musste operiert werden und lag eine Woche stationär in der Klinik. Noch heute ist sein Auge nicht ganz geheilt, schlimmer sind die psychischen Folgen. Der Amtsleiter befindet sich noch in Therapie. K. habe sieben Mal auf Lippmann eingeschlagen, ehe ein zufällig hinzugekommener Zeuge den Täter in den Schwitzkasten nahm, sagte Maier.

Torsten K. hatte Lippmann bereits im September 2017 angekündigt, ihn zu besuchen, um ihm „den Hass und die Verachtung eines Vaters“ darzulegen. Seit 2009 hat K. um das Umgangsrecht mit seinen beiden Töchtern gekämpft und sich von Gerichten und Ämtern im Stich gelassen gefühlt. In mehreren Briefen und Telefonaten hatte er im Gericht und bei der Staatsanwaltschaft angekündigt, Lippmann töten zu wollen und dafür auch länger ins Gefängnis zu gehen.

Diese Ankündigungen weckten Erinnerungen an einen Fall vor zehn Jahren, so Maier. Damit meinte er Marwa El-Sherbini, die 2009 von einem Russlanddeutschen im Landgericht Dresden ermordet wurde. Die 32-jährige Ägypterin war von dem Täter zuvor rassistisch beleidigt worden und hatte als Zeugin gegen ihn ausgesagt. Maier: „Zeugen müssen sicher sein, wenn sie vor Gericht aussagen müssen.“ Strafmildernd wertete das Gericht, dass K. nicht vorbestraft ist, die Tat gestanden hat und seit Jahren eine Auseinandersetzung um das Umgangsrecht mit seinen Töchtern führe.

Rechtsanwältin Ines Kilian, die Lippmann als Nebenkläger vertrat, wollte sich zu der eher milden Strafe nicht äußern. Sie sagte jedoch, die Justiz sollte ihren Umgang mit Gefährder-Situationen genau analysieren. Das habe der Prozess gezeigt. Trotz Warnungen wurde kein Wachtmeister abgestellt und K. unmittelbar nach seinem Angriff nicht verhaftet.