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Großenhain verliert sein Kaufhaus

50 Jahre steht Renate Lechner in ihrem Geschäft. Mit dem Ende von Kaufhaus Quaas geht auch Einkaufskultur verloren.

Von Kathrin Krüger
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Noch heißt Renate Lechner ihre Kundschaft im Kaufhaus Quaas am Frauenmarkt willkommen. Doch im Sommer schließt sie und geht in den Ruhestand.
Noch heißt Renate Lechner ihre Kundschaft im Kaufhaus Quaas am Frauenmarkt willkommen. Doch im Sommer schließt sie und geht in den Ruhestand. © Anne Hübschmann

Großenhain. Man staunt, aber Renate Lechner ist auch jetzt zu Scherzen aufgelegt. „Es ist keine Ente, ich geh mit 68 in Rente“, reimt sie der Autorin ins Notizbuch. Dabei weiß die Großenhainer Händlerin genau, dass es ihr wehtut, dass sie nicht irgendeine Ladenbesitzerin ist.

 Sie ist die wohl bekannteste Händlerin der Stadt, war viele Jahre Vorsitzende der Fördergemeinschaft Großenhain aktiv und wurde sogar mit der Preuskermedaille der Stadt ausgezeichnet.

Doch die Zeit des Abschieds ist für die Frau mit dem Faible für ausgefallene Hüte und auffälligen Stil gekommen. „Ich werde Mitte des Jahres in den Ruhestand gehen und das Kaufhaus Quaas schließen“, sagt sie mit fester Stimme. 

Das Alter zum Aufhören habe sie längst. Würde es die Gesundheit zulassen, hätte Renate Lechner sicher noch weitergemacht. Sie hängt an ihrem Kaufhaus – dem Traditionsladen ihrer Familie in 1A-Einkaufslage.

Auf 400 Quadratmetern Verkaufsfläche findet man hier eigentlich alles, was ein Haushalt braucht. Doch einen Nachfolger fand Renate Lechner bisher nicht. „Irgendwie geht es aber immer weiter, ich hoffe, dass sich noch jemand findet“, macht sich die Großenhainerin Mut. Ab Juli wird im Haus aber definitiv gebaut. Denn Lechners wohnen auch im Gebäude am Frauenmarkt.

Privat und geschäftlich müsse nun räumlich getrennt werden, heißt es. 50 Jahre sind eine lange Zeit, in der Renate Lechner die „Frau hinterm Ladentisch“ war. Gerüchte möchte sie nicht aufkommen lassen. Das war schon Ende 2017 ihre Maxime, als sie noch öffentlich verkünden ließ: Das Kaufhaus Quaas schließt nicht!

Damals war die bekannte Großenhainerin, die schon Oma ist, schwer erkrankt. Schon vor zwei Jahren munkelte man vom Ende des Traditionsgeschäftes. „Doch dank meines Teams haben wir diese Zeit überstanden“, so Lechner. Ihr Krebsleiden sei fast unbemerkt geblieben. 

Jetzt will sie aber ihren Lebensabend mit ihrem Mann noch eine Weile genießen. Ein 150-jähriges Bestehen des Kaufhauses Quaas wird also 2020 vermutlich nicht mehr gefeiert. Das Kaufhaus steht allerdings in seiner langen Tradition für ein großes Sortiment rund ums Kochen, Schenken und Genießen.

 Damit ist das Angebot recht einzigartig in der Stadt. Doch der Umsatz geht trotzdem kontinuierlich zurück. „Wir können dem Internet nur schwer Paroli bieten“, sagt die couragierte Händlerin, die bei der IHK und beim Handelsverband mitmacht und dort weiter nach einem Nachfolger sucht. 

Sie möchte auch die Großenhainer Einkaufskultur retten. Auch deshalb will die 67-Jährige weiter in der Fördergemeinschaft Großenhain aktiv bleiben. Sie betont außerdem, dass das volle Sortiment bis zur Schließung erhalten bleibt und auch alle Gutscheine eingelöst werden können. „Selbst nach der Schließung werden wir in Fällen der Garantie und Gewährleistung für unsere Kunden da sein“, verspricht Renate Lechner.

Ihr Gewerbe gebe sie nicht auf. Ihre Mitarbeiter hat sie frühzeitig informiert. „Sie ahnten es wohl auch schon“, sagt die Geschäftsinhaberin. Etwas Neues zu finden würde den beiden gekündigten Frauen nicht schwerfallen. Aber aufzuhören fällt Lechner selbst nicht leicht. Denn die Großenhainerin ist Händlerin aus Leidenschaft – wie die drei Generationen vor ihr.

Bei Quaas gab es schon früher immer etwas Besonderes. Renate Lechner lernte Binnenhandelsökonomin und kaufte zu DDR-Zeiten Exportüberhänge direkt bei den Betrieben. Bratpfannen waren das geeignete „Schmiermittel“, um an andere Dinge heranzukommen. Mit den sowjetischen Streitkräften entwickelte sich eine rege, allerdings nicht offizielle Handelstätigkeit.

Das Kaufhaus Eduard Quaas gibt es bereits seit 1870. Gegründet wurde das Geschäft als Werkzeugfabrik und -handlung. Nach der Flugplatzeröffnung wurden hier Fliegerbrillen und Fliegerkappen verkauft. Später dann Hausrat, Glas, Porzellan. Auch in der Verstaatlichungswelle 1972 blieb das Kaufhaus Quaas eigenständig. Diesem Trend bleibt Renate Lechner treu bis zum Schluss. Auch zur Frühlings-Einkaufsnacht am gestrigen Abend gab´s Überraschungen.