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Harmonie hoch vier

Familie Oelmann wohnt unter einem Dach und tritt seit mehr als 35 Jahren gemeinsam auf. Das ist ihre Welt. 

Von Henry Berndt
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„Das Leben ist zu kurz, um normal zu sein“: Die Oelmanns gibt es nur im Viererpack.
„Das Leben ist zu kurz, um normal zu sein“: Die Oelmanns gibt es nur im Viererpack. © René Meinig

Es gibt Familien, die sehen sich einmal im Jahr. Zu Weihnachten. Weil es Tradition ist. Manche treffen sich auch noch an Geburtstagen oder mal zu einem Ausflug in den Zoo. Manche Kinder besuchen ihre Eltern sogar jede Woche. Und dann gibt es noch Familie Oelmann aus Niedersedlitz.

Mutter, Vater, Tochter und Sohn können glaubhaft versichern, dass sie einander sehr gut leiden können. Nicht nur, dass sie gemeinsam unter einem Dach wohnen – wenn auch in getrennten Wohnbereichen. Sie fahren auch leidenschaftlich gern zusammen in den Urlaub. Jedes Jahr. 24 gemeinsame Aida-Kreuzfahren haben sie bereits unternommen. Erst vor wenigen Wochen sind mal wieder wohlerholt aus der Karibik zurückgekommen. Auf dem Schiff hatten sie eine Viererkabine. Wie immer.

„Das werden viele nicht verstehen können“, sagt Mutter Eva-Maria Oelmann. „Aber wir sagen immer: Das Leben ist zu kurz, um normal zu sein.“ Irgendwie habe sich das eben so ergeben, dass man sich gemeinsam als Familie am wohlsten fühle. Was liegt da näher, als auch noch das Hobby zu teilen?

Seit über 35 Jahren stehen die Oelmanns als Gitarren-Ensemble auf der Bühne. Auch zwei CDs haben sie schon veröffentlicht. Gebucht werden können sie für Feiern und Feste jeder Art. Im Dezember spielten sie bei einer Ausstellung von Kay „Leo“ Leonhardt im Taschenbergpalais. Besonders oft sind sie mit ihrem Programm namens „Vielsa(e)itiges“ aber in Kliniken und Kureinrichtungen in der Umgebung zu Gast. So wie zuletzt wieder in Kreischa. Auf einer kleinen Bühne in der Klinik Bavaria gaben die vier vor weinrotem Vorhang einen weiteren Beweis ihrer Kunst der Harmonie. 

Das Repertoire reicht von Klassik über Folklore bis zu selbst arrangierten Evergreens. Tochter Grit spielt wahlweise auch Keyboard zur Begleitung, Sohn Markus wechselt manchmal zur Midi-Gitarre, mit er spielend einfach andere Instrumente nachahmen kann. Zum Beispiel die Panflöte in „El Condor Pasa“. Mutter Eva-Maria hat ihre Kinder schon früh an die Musik herangeführt.

Die vielen hundert Gitarrenstunden konnte sie gleich selbst geben. Schon seit der Grundschule ist Eva-Maria dem Instrument verfallen. An der früheren Bezirksmusikschule „Paul Büttner“ lernte sie das Handwerkzeug, trat früh öffentlich auf, zum Beispiel im Club der Jugend und Sportler und mit dem Robotron-Ensemble und arbeitete mit Künstlern des Chansonstudios und Sängern der Staatsoperette zusammen. Soll heißen: Diese Frau versteht was vom Gitarre spielen.

Im Chor der TU in Dresden lernte sie Gerd kennen, der wie sie Betriebswirtschaft studierte und 1972 ihr Ehemann wurde. Noch im selben Jahr wurde Tochter Grit geboren. Als drei Jahre später der kleine Markus dazu kam, gab Eva-Maria ihren Job bei Robotron auf und verdiente ihr Geld fortan mit der Musik. Erst gab sie nur privat Gitarrenstunden, später kam sie zum Heinrich-Schütz-Konservatorium.

Im Mittelpunkt ihres Lebens sollte jedoch immer die Familie stehen. Auch musikalisch. „Mit sechs Jahren stand Grit schon zum ersten Mal bei einem SZ-Pressefest mit auf der Bühne“, sagt sie stolz. Seit 1982 gestaltete die Familie eigene Programme und trat regelmäßig gemeinsam auf. Vater Gerd war anfangs nur der Fahrer. Als einziger spielt er kein Instrument. Bald aber wuchs sein Wunsch, auch selbst vor dem Publikum mitzuwirken. Und so ließ es sich als Sprecher mit Volkskunstprüfung ausbilden und führt seitdem galant als Conferencier durch die Programme.

An diesem Konzept hat sich bis heute nichts geändert, auch wenn Grit und Markus nun weniger Zeit haben. Sie arbeiten jetzt beide bei Banken in Dresden, haben aber noch genug Energie für das Familienquartett. „Die beste Entspannung ist eine Anspannung in eine andere Richtung“, lautet ihr Motto. Die Wege zur nächsten Übungseinheit sind ja nicht weit.

Das Haus, in dem Eva-Maria seit ihrem ersten Lebensjahr wohnt, hat sich die Familie beizeiten ausgebaut, sodass niemand den Schoß der Familie verlassen musste, der das nicht wollte. Und bis jetzt wollte niemand. Grit ist heute 46, Markus 43. Enkelkinder sind für ihre Eltern nicht in Sicht. „Dazu wird es wohl auch nicht mehr kommen“, sagt Gerd. Aber alles hat doch eine positive Seite: Im Haus in Niedersedlitz ist dadurch noch genug Platz für drei Gästezimmer, die vermietet werden können. Ihren Gitarrenunterricht für einige besonders treue Schüler gibt Eva-Maria heute am liebsten im Pavillon im Garten.

Man muss es diesen vier Menschen einfach abnehmen, dass sie glücklich sind. Beieinander. Miteinander. Allein im vergangenen Jahr zählte die Familie über 30 Auftritte. Auch für dieses Jahr steht das Programm längst. Im Mai wird Eva-Maria 70, aber Aufhören ist für sie kein Thema, solange die Hände und der Kopf mitmachen.

Viel mehr Konzerte pro Jahr sollen es aber nicht werden, „sonst leidet vielleicht noch die Motivation“, sagt die Mutter. Oder noch schlimmer: der Familienfrieden.

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