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Harte Strafe für den Moscheebomber

Der Angeklagte hat den Imam und seine Familie, aber auch Nachbarn und Rettungskräfte in Lebensgefahr gebracht.

Von Alexander Schneider
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Kurz vor der Urteilsverkündung im
Schwurgerichtssaal
am Landgericht
Dresden: Nino Köhler, neben ihm sein
Verteidiger Hansjörg Elbs, muss für
neun Jahre und
acht Monate ins Gefängnis.
Kurz vor der Urteilsverkündung im Schwurgerichtssaal am Landgericht Dresden: Nino Köhler, neben ihm sein Verteidiger Hansjörg Elbs, muss für neun Jahre und acht Monate ins Gefängnis. © René Meinig

Nur das Wort "Terror" verwendet Herbert Pröls, der Vorsitzende Richter des Schwurgerichts, nicht. Das ist auch nicht notwendig. Am Freitagnachmittag endet der Prozess gegen Nino Köhler, den sogenannten Moscheebomber, am Landgericht Dresden. Der 31-jährige Kühlanlagenmonteur aus Dresden muss für seine beiden Anschläge vom 26. September 2016 sowie weitere selbst gebastelte Bomben und Brandsätze für neun Jahre und acht Monate ins Gefängnis - wegen versuchten Mordes, Herbeiführens von Sprengstoffexplosionen, versuchter besonders schwerer Brandstiftung und mehreren Verstößen gegen das Waffengesetz.

Köhler zeigt kaum eine Regung, als er das Strafmaß hört. Er scheint sogar leicht zu lächeln. Im Publikum gibt es einen kleinen Aufschrei aus der Gruppe von Köhlers Angehörigen. Das Gericht kommt der Forderung der Generalstaatsanwaltschaft von zehn Jahren und neun Monaten recht nahe. Verteidiger Hansjörg Elbs hatte dagegen nur auf viereinhalb Jahre Haft plädiert. Die Anschläge fanden nur Tage vor den Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit statt und setzten die Polizei bei der Absicherung der Stadt massiv unter Druck.

Dann geht Pröls in die Details dieser 27-tägigen Hauptverhandlung. Das Schwurgericht ist überzeugt, dass sich Köhler dem harten Pegida-Kern zugehörig fühle und sich vor seinen Taten massiv radikalisiert hat. Schon bei seiner Pegida-Rede 2015, als er auf dem Dresdner Altmarkt einen Brief an Angela Merkel verlesen hatte, war Köhlers demokratie- und islamverachtende Einstellung erkennbar. Er habe von "Bürgerkrieg" gesprochen, das viel beklatschte Schreiben an die Bundeskanzlerin endete mit "Gnade Ihnen Gott, denn von uns werden Sie keine Gnade erhalten!"

Köhler sei Anhänger eines "relativ aggressiven, kruden Nationalismus", sagt Pröls, "antipluralistisch, extrem gewaltbereit", er habe eine "offene rassistische und menschenfeindliche Einstellung" und demokratische Institutionen und deren Handeln diffamiert. Als er am Abend jenes 26. Septembers 2016, einem Montag, seinen selbst gebastelten Spreng- und Brandsatz unmittelbar vor der Fatih-Camii-Moschee in Dresden-Cotta in die Luft jagte, habe er den Tod von Menschen zumindest billigend in Kauf genommen. Er hatte einen Beutel mit drei Rohrbomben, Brandbeschleuniger und verschiedenen Chemikalien, darunter 600 Milliliter Rohrreiniger unmittelbar vor der Wohnungstür gezündet, hinter der der Imam mit seiner Frau und den beiden damals sechs und zehn Jahre alten Söhnen lebte. Nicht allein von Metallsplittern - nur eine von drei Rohrbomben explodierte - sei eine tödliche Gefahr ausgegangen, sagt Pröls, auch von dem Rohrreiniger. Lebensgefahr habe auch für Nachbarn und Einsatzkräfte bestanden.

Unmittelbar danach zündete Köhler gegen 22 Uhr einen Brandsatz auf der Dachterrasse des Kongresszentrums. Der sollte das Startsignal sein für seine Anhänger, nun auf der angrenzenden Marienbrücke zu demonstrieren. "Ein Fanal im Wortsinn", so Pröls. Darüber hinaus wurden zwei Sprengsätze gefunden, die Köhler in die Elbe geworfen hatte. Auf einem stand "Linke", so wie er bereits auf eine der unversehrten Rohrbomben "Mosche" geschrieben hatte. Als Köhler schließlich am 8. Dezember 2016 verhaftet wurde, entdeckte die Polizei noch einen weiteren fertigen Brandsatz in seinem Bad - viereinhalb Kilogramm Kaliumnitrat und Zucker. Das zeige, so Pröls, dass Köhler selbst nach seinen Anschlägen noch weitere Taten geplant habe.

In dem siebenmonatigen Prozess wurden viele Ermittlungspannen bekannt. Darauf geht Pröls nicht im Einzelnen ein. Er sagt jedoch mehrfach, dass die Gefährlichkeit der Sprengsätze erst durch Gutachter, die vom Gericht beauftragt wurden, deutlich wurde. Für die juristische Beurteilung seien diese Gutachten wesentlich. Auch der Nachweis des Tatmotivs sei erst in der Hauptverhandlung geführt worden. Köhler habe in seinem Teilgeständnis lediglich gesagt, er habe "ein Zeichen setzen" wollen.

Köhler hatte behauptet, er habe niemanden verletzen oder gar töten wollen. Deswegen habe er die beiden Rohrbomben unschädlich gemacht. Eine dritte Rohrbombe habe es nicht gegeben. Zudem warf er der Polizei vor, sie habe Beweise manipuliert. Tatsächlich wurde nur ein Metallsplitter als einziger Beweis für die Verwendung einer dritten Rohrbombe erst im April 2017 zufällig entdeckt. Pröls sagt, Köhler wolle sich mit diesen Behauptungen zum Opfer stilisieren. Schon der Einsatz des Rohrreinigers, der glücklicherweise nicht in Brand geraten war, belege, dass er Menschen habe schädigen wollen.