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Hier entstehen Werkstätten für Suchtkranke

Die Lebenshilfe will in Sebnitz ein Therapiezentrum bauen. Die Zukunft einer besonderen Villa ist damit wieder offen.

Von Dirk Schulze
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Auf dem Gelände Am Bahndamm 2-4 explodierten 2006 mehrere Häuser. Jetzt soll es wieder bebaut werden.
Auf dem Gelände Am Bahndamm 2-4 explodierten 2006 mehrere Häuser. Jetzt soll es wieder bebaut werden. © Dirk Zschiedrich

Im Hintergrund laufen die Vorbereitungen seit Langem, jetzt gehen die Akteure an die Öffentlichkeit. In Sebnitz soll ein Präventions- und Therapiezentrum für Suchtkranke entstehen. Die Lebenshilfe Pirna-Sebnitz-Freital will dafür einen Neubau in der Stadt errichten. Der freie Träger wolle explizit dort ein neues Angebot etablieren, wo Drogen – allen voran Crystal – eine besonders große Rolle spielen: im grenznahen Raum, dem Zentrum des Konsums und Transports, erklärte Geschäftsführer Burkart Preuß, als er das Projekt im Sebnitzer Stadtrat vorstellte.

Die Lebenshilfe betreibt mehr als 25 Einrichtungen im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, darunter einen Wohnstätte und eine Außenwohngruppe für Suchtkranke in Sebnitz. Ein Ziel der Arbeit dort sei es, suchtkranken Menschen den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu ermöglichen. Dies gestalte sich schwierig, sagte Preuß. Die Vorbehalte von Arbeitgebern seien bei unterbrochenen Lebensläufen groß. Der Betreuungsbedarf indes steigt. Immer mehr und immer jüngere Betroffene wenden sich an sozialtherapeutische Einrichtungen. Der Anteil der drogenabhängigen Klienten nimmt stetig zu.

In Sebnitz will der Lebenshilfe-Verein deshalb ein spezielles Therapiezentrum errichten, in dem das Kreative im Vordergrund stehen soll. Den größten Raum nimmt eine Druckwerkstatt ein, in der Papierwaren, T-Shirts oder Plakate bedruckt werden sollen. Hinzu kommen von Hand gebundene Hefte und Bücher. In einer Holzwerkstatt können die Klienten per Laubsäge Oster- und Weihnachtsschmuck fertigen, in einer Nähwerkstatt selbst Kleidungsstücke nähen. Für einzelne Workshops sollen die Werkstätten auch den Einwohnern oder Schulen offenstehen.

Im Vordergrund steht die sinnstiftende Beschäftigung, erklärt Burkart Preuß von der Lebenshilfe. Die Teilnehmer erhalten durch ihre Tätigkeit in den Werkstätten eine feste Tagesstruktur. „Die Gefahr, in die Sucht zurückzufallen, ist ohne Arbeit ungleich größer.“ Im Idealfall führt der Weg dann ins wirkliche Berufsleben zurück. Das geplante Therapiezentrum unterscheidet sich dabei von einer Werkstatt für behinderte Menschen. Dort sind die fachlichen Anforderungen naturgemäß geringer. Süchte treffen Menschen quer durch alle Schichten und Qualifikationen: vom Doktor bis zum Maurer. „Die Betroffenen brauchen etwas, dass ihnen die Freude an der Arbeit wiedergibt“, sagte Preuß . Und: Im Gegensatz zu einer Behindertenwerkstatt darf das Therapiezentrum nicht mit Unternehmen in Konkurrenz treten. Sämtliche Erlöse sollen wieder ins Material oder die Ausstattung fließen.

Auch in Sachen Prävention will die Lebenshilfe mit dem geplanten Zentrum Angebote machen – durch Infoabende oder Workshops. Schon jetzt sind die Bewohner der beiden Sebnitzer Wohnstätten hin und wieder in den Schulen zu Gast und erzählen dort von ihrem Leben mit der Sucht. Für die Schüler sind diese Begegnungen besonders eindrucksvoll. „Wirksamer als jede Schulstunde“, sagte Christine Hofmann, Stadträtin für die CDU und stellvertretende Schulleiterin am Goethe-Gymnasium.

Das neue Therapiezentrum soll unterhalb des Bahnhofsgeländes in Sebnitz entstehen – genau dort, wo 2006 zwei Häuser bei einer Gasexplosion in die Luft flogen. Die Lebenshilfe hat die leeren Grundstücke an der Straße Am Bahndamm 2-4 jetzt für knapp 97 000 Euro von der Stadt gekauft. Einen Termin für den Baubeginn gibt es nicht. Der Start hängt davon ab, wann die Fördermittel fließen, sagte Burkart Preuß. Das kann 2020 oder 2021 sein.

Mit dieser Standortentscheidung ist die Zukunft einer prominenten Immobilie in Sebnitz wieder offen. Denn eigentlich war alles ganz anders geplant. Das Therapiezentrum sollte in die Villa am Burggäßchen 10 einziehen, ehemals Fabrikantenresidenz und den Sebnitzern als Kindergarten während der DDR-Zeit bestens bekannt. Die Stadt Sebnitz hat das seit der Wende leerstehende Haus 2016 mit einem neuen Dach vor dem Verfall gerettet und begonnen, das Grundstück herzurichten. Die Lebenshilfe plante lange Zeit mit dieser Immobilie. Erst vor wenigen Wochen stellte sich nun heraus, dass sich die Anforderungen an das Therapiezentrum mit den Gegebenheiten der Villa und ihres weitläufigen Parks nicht übereinbringen lassen. Deshalb nun der Neubau.

Der Sebnitzer Oberbürgermeister Mike Ruckh (CDU) gibt sich gelassen, was die durchkreuzten Pläne für die alte Fabrikantenvilla angeht. Es handele sich um ein Filetstück, sagt Ruckh. Und jetzt bekomme die Stadt das neue Therapiezentrum, ohne dieses Filetstück verkaufen zu müssen. Noch im Laufe des Jahres soll die Suche nach einem neuen Interessenten starten.

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