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Hunderte Straftaten an Dresdner Schulen

Zu den häufigsten Vergehen zählen Diebstahl, Körperverletzung, Beleidigung und Bedrohung. 

Von Julia Vollmer & Sandro Rahrisch
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Auch an Dresdner Schulen kommt es zu Gewalttaten.
Auch an Dresdner Schulen kommt es zu Gewalttaten. © Symbolfoto: imago/photothek

Mitten am Tag versucht ein Mann, in die 107. Oberschule in Gruna einzudringen. Als sich ihm ein Lehrer entgegenstellt, prügelt der Täter auf den Pädagogen ein. Zwei Wochen ist das her. Straftaten sind an Dresdens Schulen nicht so selten, wie Eltern vielleicht hoffen.

Allein im vergangenen Jahr wurde in mehr als 500 Fällen gegen das Gesetz verstoßen. Zu den häufigsten Vergehen gehörten Diebstahl, Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung, das Verwenden verfassungswidriger Symbole und Volksverhetzung, teilte das sächsische Innenministerium am Freitag auf eine Anfrage der AfD im Landtag mit. In drei Fällen wurde wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern ermittelt, in einem Fall wegen der Misshandlung von Schutzbefohlenen. An welchen Schulen die Straftaten verfolgt wurden, dazu gibt das Ministerium ebenso wenig Auskunft wie zu den Beteiligten. Meistens waren aber Kinder, Jugendliche und Heranwachsende sowohl Täter als auch Opfer – überwiegend Deutsche, erst danach mit deutlichem Abstand gefolgt von syrischen Staatsangehörigen. Ein Vergleich zu vorherigen Jahren sei laut Ministerium nicht möglich, da viele Straftaten aufgrund von Löschungsfristen bereits aus der Datenbank gefallen seien.

Der Fall des tätlich angegriffenen Lehrers in Dresden steht zunächst allein, doch auch die Gewerkschaft GEW schlägt Alarm. „In den letzten Monaten erreichten uns immer wieder Nachrichten, dass Lehrer Opfer von verbaler und körperlicher Gewalt an Schulen werden.“ Neben diesen Wahrnehmungen scheine die Dunkelziffer der Übergriffe hoch zu sein, so die GEW. Gemeinsam mit der Gewerkschaft der Polizei (GdP) gibt es nun Gesprächs- und Weiterbildungsangebote.

„Wir beobachten zunehmend, dass auch Gewalt gegen Lehrkräfte kein Einzelfall ist“, sagt auch der Lehrerverband Bildung und Erziehung. Es sei keine Ausnahme mehr, Lehrer zu beleidigen, im Internet zu verunglimpfen oder sie sogar tätlich anzugehen. Die Tätergruppen seien dabei unterschiedlich: Eltern, Schüler oder auch andere Lehrkräfte. Der Verband gab eine Forsa-Umfrage in Auftrag. Demnach ist unabhängig von Geschlecht, Alter, Schulform und Bundesland jeweils mindestens die Hälfte der befragten Lehrkräfte der Meinung, dass Gewalt an der Schule zugenommen hat. Es gibt auch Vorfälle unter den Schülern. So gab es im Dezember einen Einsatz am Gymnasium Tolkewitz, weil mehrere Jugendliche in Streit geraten waren, zwei Schüler wurden geschlagen und getreten. Sie waren so stark verletzt, dass sie medizinisch versorgt werden mussten. An der Schlägerei waren ein Syrer und ein Iraker beteiligt, weitere Angreifer waren Jugendliche, die gar nicht am Gymnasium lernten. Einen ähnlichen Vorfall gab es auch an der 101. Oberschule in der Johannstadt, bei dem drei afghanische Schüler von einer Gruppe Jugendlicher angegriffen und verletzt wurden. Unter den Angreifern war ein Tschetschene.

Veit Rößner, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik, vermutet, dass einige der Schüler deshalb zu Gewalt neigen, da sie eigene Erfahrung in der Richtung machen mussten und Schläge so als „normale“ Form der Konfliktlösung gelernt haben. Durch die enorme Arbeitsbelastung der Lehrer hätten diese immer weniger Zeit, sich diesen Fällen anzunehmen.

Eine Zunahme von Gewalt an Schulen nimmt auch Noah Wehn, sächsischer Landesschülersprecher , wahr. „Das ist bei uns auf jeden Fall ein Thema, Gewalt an Schulen aber auch zunehmende Aggression bei Chats via Whatsapp oder auf dem Schulhof.“ Gewalt gegen Lehrer kennt er aus persönlichem Erleben an seiner Schule aber nicht. „Wir fordern einen Ausbau der Stellen von Schulpsychologen und Sozialarbeitern, um diese Probleme aufzuarbeiten. Mindestens an jeder Schule einen, nicht nur an Oberschulen, sondern auch an Gymnasien.“ Wie schon der Dresdner Elternsprecher Martin Raschke, registriert auch Noah Wehn, dass es an immer mehr Schulen Einlasskontrollen gibt. Er lehnt das aber ab. „Wir sollten nicht alle Schüler unter Generalverdacht stellen.“