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Wie ein Apotheker gegen die Bonpflicht protestiert

Thomas Neumann hat die Schaufenster in Görlitz umdekoriert. Nichts mit Frühling. Der Ärger um die Kassenbons hält an.

Von Susanne Sodan
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Apotheker Neumann steht neben seinem Schaufenster mit Kassenbons.
Apotheker Neumann steht neben seinem Schaufenster mit Kassenbons. © Nikolai Schmidt

Die Bären-Apotheke bei der Frauenkirche in Görlitz hat umdekoriert. In einem der Schaufenster sind weder Kosmetika noch Medikamente zu sehen. Sondern Kassenbons. Hunderte. Sie hängen an einem künstlichen Frühlingszweig, liegen in Körben und auf dem Schaufensterboden. Ein stiller Protest gegen die Kassenbon-Pflicht, sagt Apotheker Thomas Neumann. 

Auch Apotheke hat mehr Aufwand

Nun nehmen Kunden bei der Apotheke zwar häufiger ihren Kassenzettel mit als beim Bäcker, zum Beispiel weil man ihn für Krankenkasse oder Steuer braucht. Dennoch sei auch bei ihm der bürokratische wie materielle Aufwand deutlich gestiegen, sagt Thomas Neumann. "Denn wir haben ein digitales System, in dem sich unsere Kunden registrieren können", erklärt er. Statt die einzelnen Kassenbons zu sammeln, bekommt der Kunde zu Ende des Jahres eine Gesamtaufstellung. Und das würden durchaus viele nutzen.

"Wir haben Kassen, die alles registrieren", sagt Thomas Neumann. "Und wenn ich eine Kasse ohne Verkauf öffne, weil ich zum Beispiel schauen will, wie viel Kleingeld noch da ist, dann registriert das die Kasse ebenfalls und ich kann danach gefragt werden." Dass die Bundesregierung gegen Steuerhinterziehung vorgehen möchte, "das kann ich grundsätzlich verstehen." Mit der Pflicht zur Ausgabe eines Kassenbons aber würden kleine Geschäfte mit einem Aufwand belegt, den Neumann wie viele andere nicht für gerechtfertigt hält. 

Seit Beginn des Jahres gilt in Deutschland die Kassenbon-Pflicht. Laut einer groben Schätzung des Bundesrechnungshofes werden pro Jahr in Deutschland zehn Milliarden Euro an Steuergeldern an Geschäftstheken hinterzogen. Durch Tricks wie Betrugssoftware in Registrierkassen. Ein Punkt in der neuen Gesetzgebung sind deshalb Kassen mit sogenanntem technischen Sicherheitssystem. Und die Bonpflicht.

Über die Hälfte der Deutschen ist gegen Kassenbonpflicht

Der Ärger darüber hält nach wie vor an. So hatten vorige Woche zwei Bäcker kistenweise Bons zum Bautzener Finanzamt getragen. Laut einer repräsentativen Umfrage durch das Marktforschungsinstititues YouGov, lehnt auch die Mehrzahl der Kunden die Bonpflicht ab. 56 Prozent der Befragten sprachen sich dagegen aus, ein knappes Drittel allerdings befürwortet die verpflichtende Belegausgabe. 

Thomas Neumann wären im Kampf gegen Steuerhinterziehung klarere Steuergesetze lieber. Zum Beispiel, um Betrugsmaschen wie das Umsatzsteuerkarussell  zu unterbinden. Was das ist, hatte der Satiriker Jan Böhmermann mal in einem 16-minütigem Beitrag erklärt unter dem Motto "Wie man mit wenig Aufwand Millionär werden kann". 

Generalverdacht ärgert den Apotheker

"Mir geht es um das Gesamtbild, das ist für mich nicht stimmig", sagt Neumann. Als Beispiel nennt er das Stückwerk in der europäischen Steuergesetzgebung, das manches größere multinationale Unternehmen nutze, um auf zwar legale aber umstrittene Weise seine Abgabenlast in ebenfalls größerem Stil zu verkleinern. Solche Praktiken hatten vor einigen Jahren die Grünen im Europaparlament bei Veolia und BASF aufgezeigt. "Die Kassenbonpflicht ist für mich eine kleine Blüte der Verrücktheiten", so Neumann. 

Vor allem aber ärgert ihn der Generalverdacht. Es ist, erklärt er, Aufgabe der Exekutivbehörden, Steuerbetrüger zu überführen. "Mit der Bonpflicht bekommt man das Gefühl, es ist umgedreht: Man muss selber zu jeder Zeit nachweisen, dass man nicht betrügt. Und das ist nicht in Ordnung." 

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