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Kinder-Boom in Oelsa

Im Ort sind fast ein Viertel der Bewohner Kinder. Auch andere Dörfer spüren den Trend zum Landleben. Was fasziniert junge Leute daran? Ein Hausbesuch.

Von Romy Altmann-Kuehr
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Der Spielplatz in Oelsa ist ein beliebter Treffpunkt im Ort. Die Stadt hat ihn voriges Jahr erneuert.
Der Spielplatz in Oelsa ist ein beliebter Treffpunkt im Ort. Die Stadt hat ihn voriges Jahr erneuert. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Wenn Ulrike Schütze aus ihrem Wohnzimmerfenster schaut, blickt sie direkt auf den Spielplatz in Oelsa. Auf der anderen Seite geht der Blick ins Grüne, Schafe grasen auf dem Nachbargrundstück. In diese Idylle hat es die junge Frau mit ihrem Mann vor ein paar Jahren verschlagen. Das Paar kaufte ein altes Haus, ließ es zu großen Teilen abreißen und neu aufbauen. Inzwischen haben sie eine kleine Familie, das zweite Kind ist unterwegs. Sie ist selbst auf dem Land aufgewachsen, lebte später in Löbau. Das liegt zwar auch ländlich, ist aber eben doch eine Stadt. Weil sie selber ein Dorfkind ist, wünschte sie sich das auch für ihren Nachwuchs. 

In Oelsa, einem Gemeindeteil von Löbau, ist der Zulauf junger Familien besonders deutlich, fast ein Viertel der Oelsaer sind Kinder: Von 283 Einwohnern sind 62 Kinder zwischen null und 18 Jahren, weist die Statistik der Stadt Löbau aus. Zum Vergleich: in der Löbauer Kernstadt sind es von 10.888 Einwohnern 1.615 in dieser Altersgruppe. In Oelsa gab es im Jahr 2019 drei Mal so viele Zuzüge wie Wegzüge. Drei Kinder wurden im vorigen Jahr geboren, nur ein Bewohner aus Oelsa ist verstorben. Soweit die Statistik. 

Was für Frau Schütze und andere junge Leute aus dem Örtchen viel mehr zählt, ist das Lebensgefühl in ihrem kleinen, ländlichen Paradies. "Hier können die Kinder auch alleine raus, mal mit dem Fahrrad fahren oder spielen", sagt die junge Mutter. In der Stadt ginge das nicht. "Da muss erst das Fahrrad aus dem Keller geholt werden." Und die Kinder einfach so alleine nach draußen schicken, sei im Löbauer Stadtgebiet für sie auch undenkbar. Hier im Dorf könnten sich die Kinder viel freier bewegen, der Zusammenhalt sei super. Da passt auch die eine Mutti kurz mal auf den Nachwuchs der anderen mit auf. "Man hat mehr Vertrauen zu den Menschen, weil man ja fast jeden kennt."

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Sechs Babys in drei Monaten

Als Ulrike Schütze ihr erstes Kind erwartete, haben noch vier andere junge Frauen im Ort zeitgleich Babys bekommen. Innerhalb von nur drei Monaten sind damals in Oelsa sechs Kinder zur Welt gekommen - eine Familie bekam Zwillinge. So kam man miteinander in Kontakt, ging gemeinsam mit dem Kinderwagen spazieren und inzwischen trifft man sich mit dem Nachwuchs auf dem Spielplatz. Den hat die Stadt erst im vorigen Jahr erneuert und mit Spielgeräten ergänzt.  

Das ist auch ein Punkt, der ihr am Dorfleben so gut gefällt: die Gemeinschaft. "Dass man zusammen was auf die Beine stellt." Das machen die Oelsaer regelmäßig. Es gibt den Dorfverein. Der hat sein Domizil direkt neben dem Spielplatz in einem alten Feuerwehrhaus. Regelmäßig organisiert er gemeinsame Feste, wie einen Weihnachtsmarkt oder ein Sommerfest. Letzteres fällt nun in diesem Jahr aus - wegen Corona. Trotzdem: der Zusammenhalt im Dorf ist prima, lobt Frau Schütze. Sie erinnert sich noch gut an ein einschneidendes Erlebnis vor ihrem Polterabend. Da hatte es kurz zuvor ein Unwetter gegeben. Der Platz, auf dem sie in einem Zelt feiern wollte, war völlig verwüstet. Im Nu waren viele Helfer aus dem Dorf mit Schaufeln und Material zur Stelle und haben den Schlamm weggeschafft und den Platz wieder hergerichtet. 

Auch andere Orte haben Zuwachs

Oelsa ist kein Einzelfall, auch wenn hier rein statistisch gesehen, der Anteil an Kindern und damit an jungen Familien gemessen an der Einwohnerzahl besonders markant ist. Das Leben auf dem Dorf liegt offenbar im Trend, junge Leute zieht es in die grüne Idylle. Er merke das auch in seinem Heimatort, so Löbaus Oberbürgermeister Dietmar Buchholz (parteilos) - der OB wohnt in Lawalde. "Junge Leute kommen mit ihren Familien zurück, sie suchen hier große Wohnungen oder Häuser." 

Hartmut Nahrstedt ist Ortsvorsteher in Kittlitz. Auch der Löbauer Ortsteil lockt offenbar Familien. Von den 2.063 Kittlitzer Einwohnern sind 323 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. "Omas Häuschen gewinnt an Wert", stellt Nahrstedt fest. "Dass junge Leute einen Dreiseitenhof im kleinsten Ort übernehmen und sanieren, um dort zu leben - das hätte ich mir vor zehn Jahren nicht träumen lassen." 

Für Ulrike Schütze und ihren Mann hat sich mit dem Häuschen auf dem Land derweil ein Traum erfüllt. Es ist ideal, sagt sie. Die Kinder wachsen im Grünen auf, in die Stadt ist es aber auch nicht weit. "In zehn Minuten ist man mit dem Fahrrad im Löbauer Zentrum."

Nur mit der viel beschriebenen Stille auf dem Land ist das so eine Sache. Ulrike Schütze lacht. "Manchmal ist es nicht weit her mit der Ruhe, zum Beispiel wenn sonnabends gefühlt jeder im Dorf den Rasen mäht."

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