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Landkreis Görlitz hat die niedrigsten Löhne

Zwar steigen die Gehälter langsam, dennoch bleibt der Region im bundesweiten Vergleich wieder nur die rote Laterne.

Von Daniela Pfeiffer
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Tarifvertrag als Ziel: Für die Birkenstock-Standorte Görlitz und Bernstadt setzt sich die IG Metall für bessere Bezahlung ein.
Tarifvertrag als Ziel: Für die Birkenstock-Standorte Görlitz und Bernstadt setzt sich die IG Metall für bessere Bezahlung ein. © SZ-Archiv / Pawel Sosnowski

Die Menschen im Landkreis Görlitz verdienen am wenigsten. Die bundesweite Statistik der Agentur für Arbeit für das Jahr 2018 brachte diese ernüchternde Erkenntnis jetzt zum zweiten Mal in Folge. Und auch vor drei Jahren sah es nicht besser aus: Da war der Landkreis zweitschlechtester, nur im Kreis Vorpommern-Rügen verdienen die Menschen noch weniger. In den vergangenen zwei Jahren landeten sie auf dem dritten Platz von hinten, vor dem Erzgebirgskreis und eben dem Landkreis Görlitz als Schlusslicht.

Und das obwohl die Löhne in der Region Görlitz durchaus gestiegen sind. Durchschnittlich 2 272 Euro verdienten demnach Vollbeschäftigte im Landkreis monatlich brutto. Zum Vergleich: In Sachsen sind es im Schnitt 2 595 Euro brutto im Monat, in Westdeutschland bekamen Vollzeitbeschäftigte 3 434 Euro.

Immerhin um 89 Euro sind die Löhne im Landkreis Görlitz gegenüber 2017 aber gestiegen, um 153 Euro gegenüber 2016. Eine Entwicklung, die auch Lars Fiehler von der Industrie- und Handelskammer Dresden (IHK) bestätigt. Vor zwei Jahren hatte er im SZ-Gespräch vorausgesagt, dass Bewegung in die Lohnentwicklung der Oberlausitz kommen werde. Das ist eingetroffen, aber die rote Laterne geblieben. „Weil es die Entwicklung natürlich auch in anderen Landkreisen gegeben hat“, so Fiehler. „Die Entwicklung der Löhne in Ostsachsen war auch nicht geringer als in anderen Regionen oder in Landkreisen mit höherer Unternehmerdichte.“ Auch die Kaufkraft sei gestiegen, die Löhne also stärker angewachsen als die Preise.

Allerdings sei die Schere zu groß, als dass sie sich schnell schließen ließe. „Warum sich die Lücke nicht schließt, ist schwer zu erklären“, sagt Fiehler. Gute Gründe für einen mittelfristigen Aufholprozess fielen ihm kaum ein, sagt er. Da müsste sich schon der Charakter der Arbeitsplätze wandeln.

Solch’ positive Beispiele gibt es durchaus. Immerhin gibt es Zugpferde im Landkreis, Unternehmen, die ihren Mitarbeitern überdurchschnittliche Löhne zahlen. Leuchtturm im Kreisnorden ist die Region um Boxberg, mit der Bergbaubranche. Das Energieunternehmen Leag zahlt Westtarif. Auch die Stadt Görlitz sticht hervor, mit Industrieunternehmen wie Siemens und Bombardier oder vielen Verwaltungsbeschäftigen, die für Landkreisniveau alle Spitzenlöhne verdienen. Zittau schlägt sich dank der Hochschule wacker, Schlusslicht im kreisweiten Vergleich ist Löbau. Generell unterliegt der südliche Kreis dem nördlichen Teil bei den Löhnen deutlich.

Doch gibt es auch im Süden Unternehmen, die herausstechen. Die Havlat Präzisionstechnik GmbH in Zittau gehört dazu. Hier werden auf hochmodernen Anlagen Metallbauteile hergestellt. Und hier verdienen die 245 Mitarbeiter gutes Geld, profitieren zusätzlich von einem Prämiensystem. „Wir möchten als Unternehmen unseren Mitarbeitern etwas zurückgeben“, sagt Juniorchef David Havlat. „Fair entlohnen, aber nach unseren Möglichkeiten, ist für uns ein ganz wichtiger Punkt.“ Besagte Möglichkeiten sind bei dem Unternehmen in den vergangenen Jahren größer geworden, man ist wirtschaftlich sehr erfolgreich. „Wir konnten unser Unternehmen Stück für Stück weiterentwickeln und entsprechend auch die Vergütung angleichen.“ Es gebe noch Unterschiede zu den Westlöhnen, das streitet David Havlat nicht ab. Aber Unternehmen im Osten hätten unter anderem auch eine ganz andere Geschichte als jene in den alten Bundesländern. Viele Erfolgsgeschichten begannen mit der Wiedervereinigung, in den meisten Fällen wurden hohe Investitionssummen mit langfristigen Krediten finanziert. Daher dauere es auch, bis sich die ostdeutschen Unternehmen lohnmäßig angleichen können.

Bruttolöhne im Vergleich
Bruttolöhne im Vergleich ©  SZ-Grafik

Dass es schneller geht, dafür kämpfen die Gewerkschaften, so wie die IG Metall. Tarifvertrag heißt das Zauberwort – oder auch der Schlachtruf. Beim Felgenhersteller Borbet in Kodersdorf hat sie die Gründung eines Betriebsrates unterstützt, dessen Ziel unter anderem eine weitere Lohnentwicklung ist. Das ist auch das große Ziel beim Schuhhersteller Birkenstock in Görlitz. Jan Otto von der IG Metall sagte kürzlich: „Wir werden als IG Metall Ostsachsen alles dafür tun und nicht eher ruhen, bis wir für die Standorte in Bernstadt und Görlitz einen Tarifvertrag erstritten haben. Dafür sind wir gut aufgestellt. Ostsachsen ist Zukunft - und zwar mit Tarifvertrag.“

Eine ganz große Rolle bei der Lohnentwicklung kann der Kohleausstieg spielen, der bis 2038 vonstatten gehen soll. Eine Rolle – im Positiven wie im Negativen. Denn wenn die Chance, die darin selbstredend liegt, nicht richtig genutzt wird, kann die Lohnentwicklung nach hinten losgehen, sagt Lars Fiehler. „Der mit dem Ausstieg verbundene Personalabbau in der Energiebranche muss in andere Bereiche transferiert werden“, sagt er. „Die Kompetenzen müssen etwa in Forschung und Entwicklung gebündelt werden. Wir bräuchten neue, hochwertige Industriearbeitsplätze.“ Das aber ist alles erst mittelfristig Thema. Kurzfristig, also für die kommenden drei, vier Jahre sieht Lars Fiehler im Lohn-Ranking noch keinen großen Aufschwung für den Landkreis. Die rote Laterne wird er deshalb vielleicht noch eine Weile schwenken müssen. (mit SZ/tb)

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