Millionenschaden durch Liebes-Betrug in Sachsen

Alleine einschlafen und in den Urlaub fahren, bemerkenswerte Momente nur mit sich selbst teilen: Für wenige Menschen bedeutet dieser Zustand traumhafte Ruhe, für viele grauenvolle Einsamkeit. Der Wunsch, sich daraus zu befreien, hat eine ganze Reihe von Menschen allein in Sachsen Millionen gekostet.
299 Fälle haben sächsische Polizeidirektionen vergangenes Jahr erfasst, bei denen Liebes-Betrüger alleinstehenden Menschen mit der falschen Hoffnung auf Zweisamkeit große Geldsummen entlocken wollten. In 229 Fällen erfolgreich. Die Folge sind rund 3,6 Millionen Euro Schaden. Tatsächlich dürfte die Summe weit höher liegen, aus Scham bringen viele Opfer den Schaden nicht zur Anzeige.
Wer sie da um ihr Geld gebracht hat, wissen die Betroffenen meist gar nicht, persönlich sind sie den Tätern nie begegnet. Der Erstkontakt entsteht über Dating-Portale wie Lovoo oder soziale Netzwerke wie Facebook oder Instagram, man baut eine Vertrauensbasis auf. „Alles beginnt mit einem Flirt im Internet, man ist schnell auf einer Wellenlänge und die Sympathie wächst“, sagt Landeskriminalamts-Sprecherin Kathlen Zink. „Die Online-Beziehung wird ernsthafter. Über Wochen oder Monate werden Mails ausgetauscht, man gibt immer mehr Persönliches preis und meint, die große Liebe vor sich zu haben.“
Plötzliche Notlage
Die vermeintliche Liebe schmeichelt mit Aufmerksamkeiten, entzückt mit Bildung und interessanten Lebensgeschichten, gibt sich als Arzt, Soldat oder Geschäftsführer aus. „Fehlt nur noch das ersehnte persönliche Treffen“, sagt Zink. „Doch das reale Kennenlernen wird von einer Geldüberweisung abhängig gemacht, entweder für das Visum oder für den Kauf eines Flugtickets.“ Manchmal geben die Täter auch plötzliche Notlagen vor, die Erkrankung enger Angehöriger, teure Operationen, den Verlust von Wertsachen oder offene Hotelrechnungen.
Aus Mitleid überweisen die vertrauensvollen Opfer, die zu gut drei Vierteln Frauen im Alter zwischen 45 und 64 sind, dann Geld ins Ausland. Nach Ghana, Nigeria, Großbritannien, in die Vereinigten Staaten, in die Türkei oder Russland. Bei Bekanntschaften in Russland, so die Polizei, handle es sich oft um angeblich heiratswillige Frauen. „Es geht den Tätern nur ums Geld, eine persönliche echte Verbindung war und ist nie vorgesehen.“
Wenn das Geld erst überwiesen ist, bricht der Kontakt ab. Romance- und Love Scamming lauten die Fachbegriffe, Scamming kommt aus dem Englischen und bedeutet Vorschussbetrug. Für die Fälle aus dem vergangenen Jahr hat die Polizei
77 Tatverdächtige ermittelt – etwa die Hälfte davon Deutsche. Die meisten haben ihre Spuren verwischt. Umso wichtiger sei es, dass Betroffene einen möglichen Betrug selbst wittern.
Drohung mit Nackbildern
Die Betrüger kommunizieren meist in gutem Englisch, einige sprechen aber auch perfekt Deutsch. Die Lockfotos von Männern sind oft verpixelt, die von Frauen zeigen leicht bekleidete Schönheiten. Viele Fragen zu Hobbys, Angehörigen oder Religion sollen Interesse gegenüber dem auserkorenen Opfer vortäuschen.
Wenn Opfer die Zahlung verweigern, folgen immer wieder Drohungen, etwa mit Selbstmord oder mit Nacktbildern, die Opfer zuvor von sich geschickt haben. Wenn beim Online-Dating Zweifel entstehen, empfiehlt die Polizei, sich zunächst unvoreingenommenen Freunden anzuvertrauen oder den angeblichen Namen der neuen Liebe mit dem Zusatz „Scammer“ per Internet-Suchmaschine zu überprüfen.
Im Vergleich zu 2018 ist die Fallzahl zuletzt zwar leicht gesunken, dafür nahm die Schadenssumme um fast ein Viertel zu. 20 der Geschädigten haben vergangenes Jahr Geldsummen zwischen 50.000 und mehr als 200.000 Euro verloren. Meist unwiederbringlich.