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Pizzabote als Lebensretter

Der Wohnungsbrand in der Goethestraße hätte tödlich ausgehen können – wenn nicht jemand hartnäckig geklopft hätte.

Von Christoph Scharf
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Am Tag nach dem Brand ist Michael Riedel schon wieder im Einsatz: Der 49-Jährige leitet die Riesaer Freddy-Fresh-Filiale. Donnerstag wollte er eigentlich nur eine Pizza ausfahren – und rettete dabei eine Familie aus einer Brandwohnung.
Am Tag nach dem Brand ist Michael Riedel schon wieder im Einsatz: Der 49-Jährige leitet die Riesaer Freddy-Fresh-Filiale. Donnerstag wollte er eigentlich nur eine Pizza ausfahren – und rettete dabei eine Familie aus einer Brandwohnung. © S. Schultz

Riesa. Eigentlich war Michael Riedel am Donnerstag gar nicht ein Dienst. Weil ein Kollege krankheitshalber ausfiel, sprang der Filialmanager von Freddy Fresh kurzfristig selbst als Pizzabote ein – was höchstwahrscheinlich ein Familiendrama verhindert hat. Denn kurz nach drei Uhr nachmittags machte sich der 49-Jährige von der Riesaer Hauptstraße aus auf, um eine Pizza nach Weida auszuliefern. „Ich fuhr meine gewohnte Route über die Goethestraße“, sagt Michael Riedel. Dort konnte er schon aus einiger Entfernung sehen, dass aus einer Wohnung im zweiten Obergeschoss Rauch quoll. „Und das sah nicht so aus, als ob da nur was in der Pfanne anbrennt.“

Andere Leute wären vielleicht vorbei gefahren. Der Pizzabote aber handelte richtig: Er stoppte abrupt, rannte zum Mehrfamilienhaus, rief den Notruf und drückte gleichzeitig alle Klingeln am Hauseingang. „Die Frau von der Leitstelle sagte, ich solle mich beruhigen. Sie konnte mich am Telefon kaum verstehen, weil ich auch noch mit voller Kraft gegen die Haustür hämmerte.“ Mehrere Mieter reagierten – und wurden von Michael Riedel aufgefordert, sofort das Haus zu verlassen. Auch ein 32-jähriger Passant, den Arm in einer Armbinde, half dabei, das Haus zu evakuieren.

Die größte Gefahr war aber noch nicht gebannt: In der Wohnung, aus deren Fenster der Rauch quoll, reagierte niemand. „Ich habe lautstark gegen die Tür geklopft und war kurz davor, Gewalt anzuwenden. Da machte doch noch eine Frau auf“, erinnert sich der gebürtige Dresdner. Die Mieterin allerdings versteht wenig Deutsch – und stand offenbar völlig unter Schock. „Sie wollte überhaupt nicht aus der brennenden Wohnung kommen“, sagt Michael Riedel. „Ich musste sie gegen ihren Willen in Sicherheit bringen.“ Auch ein dreijähriger Junge tauchte in der heißen Wohnung auf, in der man nur noch in der unteren Hälfte etwas sehen konnte, weil oben alles verqualmt war. Kaum waren beide draußen, riss sich die Mutter plötzlich los, um zurück in die Wohnung zu stürmen. „Sie wollte die Balkontür aufreißen“, sagt der Augenzeuge. Das hätte bei den heißen Gasen in der Wohnung zu einem noch größeren Unglück führen können.

So aber gelang es den beiden Helfern, die Hausbewohner in Sicherheit zu bringen. Instinktiv warf Michael Riedel hinter sich die Tür der brennenden Wohnung ins Schloss. „Erst später habe ich mir darüber Gedanken gemacht, dass da theoretisch noch weitere Kinder hätten drin sein können.“ Zum Glück stellte sich aber später heraus, dass die anderen beiden Kinder der Frau, die offenbar bei Brandausbruch einen Mittagsschlaf gehalten hatte, noch in der Schule waren.

Die 31-jährige Mieterin und ihr dreijähriger Sohn kamen völlig geschockt ins Krankenhaus, während die Riesaer Feuerwehren mit mehr als 30 Kameraden den Wohnungsbrand löschten (SZ berichtete). Auch der Pizzabote musste stark hustend ins Krankenhaus – immerhin hatte er ein bis zwei Minuten ungeschützt in einer Brandwohnung zugebracht, die Feuerwehrleute nur mit Sauerstoffflaschen und Atemmasken betreten.

Im Krankenhaus wurde seine Lunge geröntgt und die Blutwerte untersucht. „Nun soll ich zwei, drei Liter Wasser trinken, um die Nieren zu spülen“, sagt der Vater dreier Kinder, der mittlerweile schon von der Polizei vernommen wurde. Die Kripo ermittelt nun zur Brandursache, die noch genauso offen ist wie die Höhe des Schadens.

Im Krankenhaus hat sich die Mieterin, nach dem sie nicht mehr unter Schock stand, auch bei ihrem Retter bedankt. Und was ist aus der Pizza geworden, wegen der Michael Riedel überhaupt losgefahren war? „Ich habe noch aus dem Rettungswagen bei Freddy Fresh angerufen und gebeten, unseren Kunden zu informieren“, sagt Riedel, der sich auch als Nachwuchs-Fußballtrainer bei Stahl Riesa engagiert. „Wir haben um Verständnis gebeten und zugesichert, dass die Pizza beim nächsten Mal wieder frisch kommt.“