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Rente plus volles Gehalt

Frührentner dürfen 2020 mehr dazuverdienen. Mit einem Trick profitieren einige doppelt, rechnet ein Rentenberater vor.

Von Kornelia Noack
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© Monika Skolimowska/dpa

Ob aus finanzieller Not, Langeweile oder Freude am Beruf – zahlreiche Rentner gehen auch dann noch arbeiten, wenn sie bereits eine Altersrente beziehen. Rund acht Prozent waren es 2018, das entspricht 1,45 Millionen Menschen. Neuere Zahlen liegen nicht vor. Aufgrund der Coronakrise können Senioren in diesem Jahr deutlich mehr hinzuverdienen.

Bisher galt: Wer eine vorgezogene Altersrente bezieht, darf jährlich bis zu 6.300 Euro hinzuverdienen. Ansonsten rechnet die Deutsche Rentenversicherung 40 Prozent des darüber liegenden Verdienstes auf die Rente an – diese sinkt dadurch. Erst mit Erreichen der Regelaltersgrenze können Senioren unbegrenzt hinzuverdienen. Diese wird schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben. Alle, die ab 1964 geboren sind, erreichen sie mit 67.

Im März hat die Bundesregierung beschlossen, die Hinzuverdienstgrenzen für Frührentner für 2020 auf 44.590 Euro anzuheben. Das gilt jedoch nicht für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und auch nicht bei der Anrechnung von Einkommen auf Hinterbliebenenrenten. Hintergrund der neuen Regelung ist, dem angesichts der Coronakrise hohen Personalbedarf in systemrelevanten Berufen wie im medizinischen Bereich nachzukommen. Laut der Deutschen Rentenversicherung soll so die Weiterarbeit oder Wiederaufnahme einer Beschäftigung nach Renteneintritt erleichtert werden.

Das bedeutet: Rückwirkend zum 1. Januar 2020 führen Jahreseinkünfte bis zu 44.590 Euro nicht zur Kürzung einer vorgezogenen Altersrente. „In welchem Zeitraum das Geld verdient wird, spielt dabei keine Rolle“, sagt Christian Lindner, Rentenberater aus Dresden. Es sei daher auch denkbar, die doch stattliche Summe in nur wenigen Monaten dazuzuverdienen.

Rente vorgezogen

Besonders für ältere Arbeitnehmer, die mit dem Gedanken spielen, 2020 sowieso aus dem Arbeitsleben auszuscheiden, kann die neue Regelung interessant sein und sich rechnen. Denn sie ist nicht an bestimmte Berufsbilder geknüpft und kann von jedem Frührentner genutzt werden. Darauf macht die Stiftung Warentest aufmerksam. Die Idee: Versicherte ziehen ihren Renteneintritt vor und gehen trotzdem noch einige Monate weiter arbeiten. „Sie erhalten in diesem Zeitraum die vorgezogene Rente, wenn auch möglicherweise mit Abschlägen, und parallel dazu das volle Gehalt, solange sie unter der Hinzuverdienstgrenze bleiben“, sagt Lindner. Er hat bereits mehrere Versicherte dazu beraten und erläutert das Ganze an einem Beispiel:

Versicherte G. ist im Juni 1955 geboren. Seit Beginn ihrer Lehre im Herbst 1972 ist sie in einem Beschäftigungsverhältnis, unterbrochen nur durch die Erziehung von zwei Kindern. Sie erfüllt damit die Wartezeit von 45 Versicherungsjahren für die „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“, die grundsätzlich abschlagsfrei gezahlt wird. G. hätte bereits mit 63 Jahren und sechs Monaten, also ab 1.1.2019, diese Form der Altersrente in Anspruch nehmen können. Sie wollte jedoch lieber bis Ende 2020 weiterarbeiten, und erst ab 1.1.2021 in Rente gehen.

Der Bruttoverdienst von G. liegt bei monatlich 3.240 Euro. Das entspricht 38.880 Euro im Jahr, was unter der für das Jahr 2020 geltenden Hinzuverdienstgrenze von 44.590 Euro liegt. Das bedeutet: G. hat sofort Anspruch auf die ungekürzte Altersrente, auch wenn sie ihrer Beschäftigung weiter nachgeht. Das einzige, was sie tun muss, ist den Rentenantrag zu stellen – und zwar bis Ende Juni. Der Grund: In der Regel sollte ein Antrag drei Monate vor Rentenbeginn gestellt werden. Weil G. jedoch die Anspruchsvoraussetzungen für die „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“ seit längerer Zeit schon erfüllt, kann sie sich auf den „Zeitpunkt der Anspruchsentstehung“ berufen – und im März wurden die neuen Regelungen zum Hinzuverdienst erlassen. Da sie rückwirkend gelten, kann G. die Rente sogar ab Januar 2020 nachgezahlt werden.

Regel gilt nur noch bis Jahresende

Fazit: Die Versicherte G. bezieht rückwirkend zum 1.1.2020 abschlagsfrei die „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“ und geht parallel bis 31.12.2020 noch arbeiten. In diesem Zeitraum erhält sie ihre volle Altersrente plus das volle Gehalt – ohne dass etwas angerechnet wird.

Und es gibt noch einen Vorteil: Für die Beschäftigung während des Rentenbezugs werden Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt. Diese erhöhen den Rentenanspruch zusätzlich. Wenn G. ihre Regelaltersgrenze von 65 Jahren und neun Monaten erreicht, also am 1.4.2021, wird ihre Rente neu berechnet. „Sie erhöht sich dann monatlich um etwa 34 Euro“, hat Christian Lindner ermittelt.

Das Beispiel von G. zeigt eine der bestmöglichen Lösungen. Andere Gestaltungsmöglichkeiten sind denkbar. Das hängt auch von den Wartezeiten ab, die der Versicherte erfüllt und dem Zeitpunkt der Antragstellung auf Rente. Bevor Arbeitnehmer einen Rentenantrag stellen, sollten sie sich dazu in den Beratungsstellen der Deutschen Rentenversicherung oder bei einem unabhängigen Rentenberater beraten lassen. Zum anderen sollten Angestellte die geltenden Tarifverträge prüfen. So könnte in einigen geregelt sein, dass Angestellte ausscheiden, sobald sie Rente beziehen, wie die Stiftung Warentest erklärt.

Ab 2021 gilt laut Deutscher Rentenversicherung wieder die bisherige Hinzuverdienstgrenze von 6.300 Euro pro Kalenderjahr. Wer von der Regel profitieren möchte, sollte sich also schnell entscheiden.