SZ + Meißen
Merken

Schule für vierbeinige Spürnasen

In Naustadt befindet sich die einzige Polizeihundeschule Sachsens. Auch international ist sie gefragt.

Von Jürgen Müller
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Ein Team: Hundeführerin Isabell Schulze und Thomas Stähr mit Hündin Olivia in der Diensthundeschule Naustadt.
Ein Team: Hundeführerin Isabell Schulze und Thomas Stähr mit Hündin Olivia in der Diensthundeschule Naustadt. © Claudia Hübschmann

Naustadt. Es schien ein Mord ohne Leiche zu sein. Seit dem 20. September 2002 galt eine 58-jährige Frau  aus Lotzen als vermisst. Ein 26 Jahre alter Mann, der im Haus der Frau wohnte, galt als dringend tatverdächtig, die 58-Jährige umgebracht zu haben. Doch er schwieg. Tagelang hatte die Polizei in dem Haus nach der Leiche gesucht. In einem Müllsack im Keller wurden unter anderem sechs Brillen gefunden. Mindestens zwei davon stammen eindeutig von der Getöteten. Doch von der Frau keine Spur. 

Dann wurde ein Leichenspürhund eingesetzt. Er schlug an.  Die Tote war im Keller eingemauert worden. Dank der vierbeinigen Spürnase konnte die Leiche gefunden werden. Ausgebildet wurde der Hund wie alle Polizeihunde Sachsens in der Polizeihundeschule in Naustadt in der Gemeinde Klipphausen. Die ist längst auch über die Grenzen Sachsens und Deutschlands hinaus bekannt. Spürhunde wurden unter anderem für Länder wie Nigeria und Ghana ausgebildet. In Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt und der Behörde, die in Nigeria Diensthunde hält, werden dort Rauschgiftspürhunde aus-und fortgebildet. Ziel ist es, die Einfuhr von Drogen schon in den Herkunftsländern zu stoppen. Auch mit Ghana gab es einige Jahre eine solche Zusammenarbeit, die aber an das Land Sachsen-Anhalt abgegeben wurde.

In der jüngsten Vergangenheit kam es durch mehrere Einsätze zu einer Ausbildungskooperation mit der Diensthundeschule der polnischen Polizei. Seit gut zwei Jahren gibt es eine Vereinbarung zwischen dem Kommandanten des Polizeiausbildungszentrums L egionowo und dem Leiter des Präsidiums der Bereitschaftspolizei Sachsen. Es werden derzeit fünf polnische Diensthundeführer und Diensthunde an der Diensthundeschule der Polizei Sachsen ausgebildet. Nach zwei Jahren Ausbildung zum Personensuchhund legten die fünf polnischen Diensthundeführer eine Zwischenprüfung ab. Nach erfolgreichem Bestehen der Zwischenprüfung können diese Hunde dann bereits zu ausgewählten Einsätzen zur Suche nach vermissten Personen eingesetzt werden.

Im September beginnt der dritte Ausbildungsabschnitt, der mit einer Abschlussprüfung endet. Das Ziel ist es, die volle Einsatzbereitschaft der polnischen Personensuchhunde bis März 2021 herzustellen.

Die polnischen Polizisten setzen auf Bayerische Gebirgsschweißhunde. 
Die polnischen Polizisten setzen auf Bayerische Gebirgsschweißhunde.  © Claudia Hübschmann
Gruppenbild mit Hunden: Diese polnischen Kollegen schlossen mit ihren Tieren die Zwischenprüfung ab..
Gruppenbild mit Hunden: Diese polnischen Kollegen schlossen mit ihren Tieren die Zwischenprüfung ab.. © Claudia Hübschmann

Auch Handys werden aufgespürt

"Wir haben mit unseren Hunden zuvor schon mehrfach in Polen bei  der Personensuche ausgeholfen", sagt Polizeihauptkommissar Jens Noack, der Leiter der Polizeihundeschule.  Neben den polnischen Kollegen werden jedes Jahr 15 bis 18 Diensthunde und deren Hundeführer in Naustadt ausgebildet. Die Ausbildung dauert drei Jahre. Doch auch danach ist sie nicht beendet.  Jedes Jahr müssen Hund und Herrchen eine erneute Prüfung ablegen,  um die Fähigkeiten zu überprüfen. Sozusagen der Hunde-TÜV.  "Hundeführer sind die am meisten geprüften Personen bei der Polizei", sagt der 49-Jährige. Die Polizeihundeschule ist auch die oberste Prüfbehörde. Insgesamt gibt es in Sachsen derzeit rund 130 Polizeidiensthunde.  Sie werden eingesetzt zur Vermisstensuche, zum Aufspüren von Personen, zur Suche nach Rauschgift und Sprengstoff. "Trotz sich ständig weiter entwickelnder Technik wie DNA-Analysen sind die vierbeinigen Helfer der Polizei nicht zu ersetzen", sagt der Leiter der Polizeischule. Kein Wunder, schließlich riecht ein Hund etwa 200 Mal besser als der Mensch.

Nicht nur die Polizei, sondern auch die sächsische Justiz bedient  sich der vierbeinigen Spezialisten aus Naustadt. Sie verfügt über sechs Rauschgiftspürhunde und einen Hund, der sogar Handys aufspüren kann. Diese Hunde werden in den sächsischen Gefängnissen eingesetzt.  Neben den Spürhunden von Polizei und Justiz hält auch die Polizeischule eine Einsatzgruppe mit Spezialisten vor. Diese Tiere spüren vor allem Rauschgift und Sprengstoff auf und suchen Fährten. 

Der Hund und sein Hundeführer sind von Anfang bis Ende ein Team, das nicht getrennt wird. Sie nehmen die Tiere mit nach Hause und oft auch mit in den Urlaub. Wenn die Spürnase nachlässt und die Hunde nicht mehr für den Polizeieinsatz zu gebrauchen sind, genießen sie ihren Lebensabend in aller Regel bei ihrem Hundeführer und dessen Familie. Während in Sachsen vor allem Bluthunde für den Polizeidienst ausgebildet werden, setzen die polnischen Kollegen auf Bayerische Gebirgsschweißhunde. Aber auch Deutsche Schäferhunde, Malinois, Dobermänner, Riesenschnauzer, Airedale Terrier und Mischlingshunde werden bei der Polizei verwendet. 

Die Polizeihundeschule in Naustadt befindet sich auf einem 13 Hektar großen Areal, auf dem einst die NVA-Luftüberwachung stationiert war. "Es wird berichtet, dass man per Luftüberwachung von hier aus bis nach Frankreich sehen konnte", sagt Jens Noack. 1994 wurde die Diensthundeschule gegründet. Seit 2002 kümmert sich die Schule auch um den Ankauf der Tiere. Dies hatten bis dahin die Polizeidirektionen selbst erledigt.  

Einsätze im Ausland

In Naustadt ausgebildete Polizeihunde wurden oft auch schon im Ausland eingesetzt.So bei der Explosion einer Feuerwerkskörperfabrik im niederländischen Enschede im Mai 2000. Etwa 200 Wohnungen und Wohnhäuser wurden vollständig zerstört, 300 Wohnungen waren unbewohnbar. Mehrere Wochen waren Diensthunde aus ganz Europa und auch aus Naustadt zur Suche nach Leichen und Leichenteilen eingesetzt. Auch bei schweren Überflutungen 2002 waren sächsische Leichenspürhunde in Norddeutschland, Sachsen, Bayern und Österreich eingesetzt. Als im Sommer vorigen Jahres in Sachsen drei Personen als vermisst gemeldet wurden, kamen die Hunde zum Einsatz und fanden die vermissten Personen, die sich in hilfloser Lage befanden. Und auch die Leiche in Lotzen wäre wohl ohne Leichenspürhund nie gefunden worden.