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Rothenburger Sportgeschäft vorm Aus

Marina und Andreas Weber schließen ihren Laden. Die Gesundheit lässt dem Betreiber-Ehepaar keine andere Wahl. Noch allerdings gibt es eine kleine Chance.

Von Frank-Uwe Michel
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Marina und Andreas Weber schließen ihren Sport-Freizeit-Treff in Rothenburg. Die Suche nach einem Nachfolger war bisher erfolglos.
Marina und Andreas Weber schließen ihren Sport-Freizeit-Treff in Rothenburg. Die Suche nach einem Nachfolger war bisher erfolglos. © André Schulze

So richtig wahr haben wollen es Marina und Andreas Weber noch immer nicht, obwohl an ihrem Entschluss nicht mehr zu rütteln ist: Nach 24 Jahren ist Schluss mit dem Sport-Freizeit-Treff in der Bahnhofstraße. Es sei schwer daran zu glauben, so die Geschäftsleute. Denn sie haben viel Kraft, Zeit und auch Geld in den Laden gesteckt.

Lebensmittelpunkt in Rothenburg gefunden

Der Sprache hört man es noch deutlich an: Marina und Andreas Weber stammen aus dem Erzgebirge. Vor der Wende war der heute 63-Jährige bei der Flugsicherung auf dem NVA-Landeplatz beschäftigt, danach zog es ihn in die zivile Luftfahrt. "Ich war in Berlin, aber sonst auch fast überall in Deutschland unterwegs", erinnert er sich. Auf Dauer sei das zu stressig gewesen und fürs Familienleben überhaupt nicht gut.

"Ich habe mich dann für unser Zuhause in Rothenburg entschieden. Hier haben wir den Mittelpunkt unseres Lebens gefunden." Marina, heute 62, war zu DDR-Zeiten als Produktionsleiterin in der Herrenmode Niesky beschäftigt und ließ sich - als dort das Ende kam - nach dem Mauerfall zur Einzelhandelskauffrau umschulen.

Interesse am Sport wird zur beruflichen Zukunft

"Wir wollten nicht weg, zumal unsere Kinder in der Region verwurzelt waren", erzählt Andreas Weber. Der Sohn hatte sich dem Radrennsport verschrieben, die Tochter stieg in ihrer Freizeit gern aufs Pferd. "Das war vielleicht der entscheidende Punkt. Denn der Sport spielte eine große Rolle in unserem Leben."

Was lag näher, daraus auch eine berufliche Zukunft zu machen. Am 4. Juli 1996 eröffnete das Ehepaar in der Bahnhofstraße seinen Sport-Freizeit-Treff. Blauäugig gingen die Beiden dabei nicht ans Werk. "Einen vergleichbaren Laden gab es damals nicht in Rothenburg. Außerdem haben wir eine Marktanalyse gemacht und es - als die günstig ausfiel - einfach probiert."

Unabhängigkeit bringt viele Vorteile

Von Beginn an war das Geschäft verbandsunabhängig. Das brachte viele Vor-, aber auch ein paar Nachteile mit sich. "Wir konnten unsere eigenen Ideen verwirklichen, brauchten keine Rücksicht auf irgendwelche Vorgaben zu nehmen", erzählt Marina Weber. "Wir konnten zwar nicht von niedrigeren Einkaufspreisen profitieren und hatten deshalb eine geringere Marge, aber wir mussten keine vorbestimmten großen Mengen abnehmen, die wir in unserer Region kaum hätten verkaufen können."

Als nicht gebundene Händler seien sie flexibler gewesen, konnten auf neue Entwicklungen schnell reagieren. Besonderen Wert, ergänzt ihr Mann, habe man auf die Alltagstauglichkeit und Qualität der Freizeitbekleidung sowie auf die Kundenbetreuung gelegt. "Wir waren von früh bis abends im Laden und immer für die Leute da."

Wichtige Anlaufpunkte am Markt sind weggefallen

Inzwischen sind 24 Jahre vergangen und mancher, der hier früher Schuhe, Trainingsanzug oder Sporttasche kaufte, gehört nicht mehr zu den Kunden. "Das hat natürlich unterschiedliche Gründe. Der demografische Wandel macht auch vor Rothenburg nicht halt. Die Leute werden älter, können sich nicht mehr so gut bewegen. Andere ziehen ihren Kindern hinterher, um im Alter weiter beisammen zu sein", nennt Andreas Weber ein paar Punkte.

"Außerdem fehlt eine ganze Generation, die nach der Wende größtenteils abgewandert ist. Und auch deren Kinder kommen nicht zurück." Das Ehepaar hat aber noch ein anderes Phänomen ausgemacht: Die reduzierten Öffnungszeiten der Sparkasse und der Wegfall der Arztpraxis Klasen am Markt haben ganz offensichtlich Spuren im Kundenstrom hinterlassen. "Das waren wichtige Anlaufpunkte, vor allem für das Umland. Als es die so nicht mehr gab, blieben die Leute weg."

Gesundheit setzt ein Stoppzeichen

Der rückläufige Umsatz war es trotzdem nicht, der Marina und Andreas Weber nun zum Aufgeben zwingt. "Es ist die Gesundheit", sagen beide. Schon seit längerer Zeit ist die nicht mehr intakt. Die Liebe zum eigenen Laden, zu der Berufung, die Menschen gut zu beraten und zu bedienen, hat gegen die Einsicht, es in Zukunft ruhiger anzugehen, den Kürzeren gezogen. "In den vergangenen Wochen haben wir uns sehr bemüht, einen Nachfolger zu finden. Das hat leider nicht geklappt."

Interessenten könnten sich aber noch immer melden. Kommt es nicht zur Übergabe, ist Ende Mai Schluss mit dem Sport-Freizeit-Treff. Bis dahin läuft ab sofort der Ausverkauf. Am meisten wird den Beiden dann der Kontakt zu den Menschen fehlen. "Wir bleiben natürlich in Rothenburg. Aber es ist schon ein Unterschied, ob man zu Hause ist oder den ganzen Tag im Laden steht." Andreas Weber will sich künftig stärker seinem Hobby, dem Klavierspiel, widmen. Seine Frau ist noch auf der Suche. "Aber ich lese gern. Ansonsten wird sich bestimmt etwas finden."

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