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Stammt der Tote aus dem Ausland?

Die Identität der Leiche aus der Dippser Heide ist noch immer unklar. Nun hofft die Polizei auf einen Durchbruch.

Von Anja Ehrhartsmann
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Frank Haschke ist Kriminalhauptkommissar der Polizeidirektion Dresden und gehört zur Morduntersuchungskommission, die in dem Fall aus der Dippser Heide ermittelt.
Frank Haschke ist Kriminalhauptkommissar der Polizeidirektion Dresden und gehört zur Morduntersuchungskommission, die in dem Fall aus der Dippser Heide ermittelt. © kairospress/Thomas Kretschel

Das menschliche Skelett, das ein Pilzsammler vergangenen Oktober nahe dem Oelsaer Waldstadion fand, gibt der Polizei seither Rätsel auf. Im Mittelpunkt steht die Frage, wer der Tote ist, der dort am „Tag der Deutschen Einheit“ im Wald gefunden wurde. Denn, ohne die Identität der Leiche zu kennen, kann auch nicht beantwortet werden, wo der junge Mann gelebt hat oder welchen Umgang er pflegte, erklärt Frank Haschke, der in dem Fall ermittelt.

Der Kriminalhauptkommissar der Polizeidirektion Dresden ist Teil eines siebenköpfigen Teams, das den Fall aus der Dippser Heide seit Ende Oktober bearbeitet. Einen Durchbruch, was die Identität des Toten angeht, erhoffen sich die Ermittler nun von der Veröffentlichung einer Gesichtsrekonstruktion, die Expertin Steffi Burrath im Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt erstellt hat. Bis das Bild zur Öffentlichkeitsfahndung rausgegeben wird, kann es allerdings noch etwas dauern. „Auf Antrag der Staatsanwaltschaft entscheidet der Richter, in welchem Umfang das Bild veröffentlicht wird“, erklärt Frank Haschke – ob lokal, überregional oder weltweit. Danach heißt es warten, ob sich jemand meldet und den entscheidenden Hinweis liefert. Falls nicht, bleiben noch andere Methoden wie etwa eine Isotopenanalyse. Die Knochen werden dazu auf Ablagerungen und Rückstände hin untersucht, die durch Umwelteinflüsse und Ernährung entstehen. So lässt sich herausfinden, wie ein Mensch gelebt hat, sagt Frank Haschke. „Bevor das beauftragt wird, schöpfen wir aber erst alles andere aus.“

Skelett wurde mehrfach untersucht

Die Gesichtsrekonstruktion ist nicht der erste Versuch, mehr über den Toten herauszufinden. Um die Identität zu klären, haben die Polizisten schon einige Wege beschritten. Direkt vom Fundort wurde das Skelett damals in die Rechtsmedizin gebracht und untersucht. Anhand der Knochen lassen sich zum Beispiel Alter und Geschlecht feststellen, erklärt Frank Haschke. Aber auch längst verheilte Brüche sind für den Rechtsmediziner noch erkennbar und können Aufschluss über die Identität des Toten geben. An Knochen lässt sich außerdem ablesen, ob jemand Einwirkungen von scharfer oder stumpfer Gewalt ausgesetzt war. Spuren entstehen zum Beispiel, wenn ein Messer an einer Rippe entlanggeschrammt ist oder der Schädelknochen durch einen Schlag mit einem Gegenstand verletzt wurde. All das ist bei dem Toten aus der Dippser Heide jedoch nicht der Fall. „Es gibt keine Spuren von Gewalteinwirkung“, sagt Frank Haschke. Auch Hinweise auf frühere Verletzungen, Prothesen oder dergleichen gibt es keine. Dafür ergab die rechtsmedizinsche Untersuchung, wie alt der Tote grob war. „Aufgrund der Ausprägung der Knochen geht die Rechtsmedizin von einem Alter zwischen 13 und 17 Jahren aus“, sagt Frank Haschke.

Auch ein zahnmedizinisches Gutachten hat das Ermittler-Team erstellen lassen. Dabei werden Zahnstellung und Besonderheiten untersucht, erklärt Frank Haschke. „Anhand dessen lässt sich sogar erkennen, in welchem Land oder in welcher Region derjenige behandelt wurde. Zum Beispiel gibt es große Unterschiede in der deutschen und der russischen Zahnheilkunde.“ Doch auch hier Fehlanzeige – die Zähne gaben nichts Entscheidendes über die Identität des Toten preis.

Schließlich haben die Beamten dann die DNA mit einer Datenbank für Vermisste und unbekannte Tote abgeglichen. „Darin sind zig Tausend Datensätze hinterlegt, aus ganz Deutschland und Europa“, sagt Frank Haschke. „Außerdem haben wir in der Polizeidirektion Dresden und angrenzenden Dienststellen alle Vermisstenfälle abgeglichen, speziell auf die Altersgruppe hin.“ Zwar gab es keinen Treffer, aber auch das lässt Rückschlüsse zu. „Wir gehen deshalb davon aus, dass es sich bei dem Toten wahrscheinlich nicht um einen uns bekannten Vermisstenfall handelt“, sagt der Kriminalhauptkommissar. Denn die meisten Vermisstenfälle in Deutschland seien mit DNA oder dem Zahnstatus hinterlegt. Vorsorglich wurden alle Asylbewerberheime und Heime für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge danach abgefragt, ob jemand fehlt. „Wir haben auch einige Namen bekommen. Allerdings ist es schwierig mit entsprechender Vergleichs-DNA.“ Asylbewerber dürfen sich je nach Aufenthaltsstatus frei in Europa bewegen. Verlassen sie ihre Unterkunft, haben sie meist nichts dagelassen, was sich zur Sicherung von DNA-Spuren eignen würde.

Eine vielversprechende Spur

Gleich zu Beginn der Ermittlungen verfolgten die Beamten der Dresdner Morduntersuchungskommission eine vielversprechende Spur. Denn die rechtsmedizinische Untersuchung ordnete die menschlichen Überreste zunächst einer jungen Frau zu. „Die Vermisstenanzeigen wurden daraufhin entsprechend abgeglichen“, sagt Frank Haschke, der als Kriminalhauptkommissar der Polizeidirektion Dresden in dem Fall des Toten aus der Dippser Heide ermittelt. „Wir hatten eine mögliche Übereinstimmung mit einem verschwundenen Mädchen aus Tschechien.“ Eine damals Zwölfjährige wurde 2017 in Usti nad Labem als vermisst gemeldet, berichtet der Kriminalhauptkommissar. „Leider hatten wir aber keinen Treffer.“ Denn die DNA-Analyse, die zeitgleich im Hintergrund gelaufen war, ergab, dass es sich bei dem Toten aus der Dippser Heide um einen jungen Mann handelt und nicht um eine Frau.

Dass rechtsmedizinische Untersuchung und DNA-Analyse zu einem unterschiedlichen Ergebnis kommen können, gehört zur Polizeiarbeit dazu. „Die Rechtsmedizin hat hier keinen Fehler gemacht, denn die Untersuchung gibt in der Regel nur eine erste Einschätzung hinsichtlich des Geschlechts“, erklärt Frank Haschke. Anhand des Knochenbaus lassen sich zwar Aussagen zu Alter und Geschlecht treffen, gerade bei Jugendlichen sind die Unterschiede noch nicht so ausgeprägt, erklärt der Kriminalhauptkommissar. Außerdem ist das menschliche Skelett sehr individuell, es gibt schließlich auch Männer mit breiterem Becken. Ob männlich oder weiblich kann erst durch eine DNA-Analyse zweifelsfrei bestimmt werden. Da die sich aber über mehrere Wochen ziehen kann, werde das Ergebnis in der Regel nicht erst abgewartet. „Wir zielen ja auf einen schnellen Fahndungserfolg und können als Polizei nicht zwischendurch die Hände in den Schoß legen, während wir auf ein Untersuchungsergebnis warten“, macht Frank Haschke deutlich.

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