Flugzeuge fotografieren ist wie Angeln. Man braucht viel Geduld, aber irgendwann wird man belohnt. Oft nimmt Martin Rogosz anderthalb Stunden vor einem geplanten Start oder einer Landung seine Position ein. Er will ja schließlich nicht den entscheidenden Moment verpassen.
An diesem Donnerstagmorgen 9 Uhr sollte am Dresdner Flughafen Klotzsche eigentlich der ehemalige Air France A380 zu seinem letzten Flug nach Irland abheben, um dort verschrottet zu werden. Zweifellos ein spannender Moment. Martin Rogosz hat seinen Rollkoffer dabei, in dem seine Kamera und ein Ersatz für den Notfall stecken. Leider verschiebt sich der Abflug des A380 kurzfristig auf den Nachmittag.
Wo er aber nun schon mal da ist, kann der 28-Jährige ja auch mal schauen, welche Flieger sonst gerade so unterwegs sind.
Rogosz ist ein Spotter, ein Hobbyfotograf, der mit großer Leidenschaft startende und landende Flugzeuge fotografiert. Rund 10.000 verschiedene Maschinen hat er schon in seiner persönlichen Fotosammlung. Insgesamt werden es schon mehr als eine Million Bilder sein, schätzt er.
Viele davon sind hier von der Besucherebene oder vom Parkhaus des Dresdner Flughafens in Klotzsche aus entstanden. Doch wer ein richtiger Spotter sein will, der muss auch reisen. 95 Flughäfen auf allen Kontinenten hat Rogosz schon besucht.
In Sydney und Los Angeles fotografierte er Flugzeuge aus einem Helikopter heraus und auch das Spotter-Mekka schlechthin durfte er schon hautnah erleben: Am Maho Beach auf der Karibik-Insel Sint Maarten fliegen die riesigen Flugzeuge nur wenige Meter über den Köpfen der Badegäste hinweg. "Das war natürlich eine fantastische Erfahrung", sagt er.
Eine Erfahrung, die zeigt, dass es beim Spotten um mehr geht, als einfach Flugzeuge zu fotografieren. Die Jagd nach den Fliegern bringt die Spotter an Orte, die sie sonst wahrscheinlich nie in ihrem Leben gesehen hätten und lässt sie Dinge erleben, die sie sonst nie erlebt hätten.
Auch am Flughafen in Klotzsche gebe es immer wieder Neues zu entdecken und für das Archiv festzuhalten, betont Rogosz. Wenn an diesem Nachmittag der verspätete Abflug des A380 ansteht, wird er allerdings nicht dabei sein können. "Spannend wäre das schon, aber die Arbeit geht vor", sagt er.
Rogosz arbeitet als Rettungsassistent bei den Maltesern in Pieschen und macht gerade eine Weiterbildung zum Notfallsanitäter. Seinen Kindheitstraum, eines Tages Pilot zu sein, hat er seiner Familie zuliebe aufgegeben (und weil so eine Ausbildung jede Menge Geld kostet). Allerdings könnte er sich sehr gut vorstellen, irgendwann mal in der Luftrettung im Einsatz zu sein. "Das wäre toll, aber da kommt man nur schwer rein." Vielleicht könnte ihm bei der Bewerbung ja sein Wissen über die Luftfahrt behilflich sein.
Schon in seiner Kindheit war Martin Rogosz von den Flugzeugen fasziniert, die da regelmäßig über den Garten seiner Eltern hinweg in Richtung Landebahn 04 rauschten, wobei die 04 für die Ausrichtung in Grad steht, wie er erklärt.
2001 war die Familie nach Briesnitz gezogen. Vater Christoph, der bis dahin vor allem Landschaften und Tiere fotografiert hatte, begeisterte seinen Sohn schnell für die Luftfahrt und nahm ihn regelmäßig mit nach Klotzsche, aber auch nach Schönefeld und Frankfurt. Bis heute teilen die beiden ihre Sammelleidenschaft und sind häufig gemeinsam unterwegs.
Wenn sie wissen wollen, welches Flugzeug gerade wo unterwegs ist, nutzen sie dafür ihr Smartphone und eine App namens Flightradar24. "Ohne die geht heutzutage gar nichts mehr", sagt Martin. Noch vor wenigen Jahren mussten sie im Zweifel die Mama zu Hause anrufen, damit die im MDR Videotext nach veränderten Abflug- und Ankunftszeiten schaut.
Seitdem hat sich viel getan. Martin Rogosz ist eine Nummer in der internationalen Spotter-Welt geworden. Seine Fotos schaffen es in die weltgrößte Luftfahrtdatenbank. 2018 kürte ein Fachmagazin eine seiner Aufnahmen aus Los Angeles zum Foto des Jahres und druckte es großformatig auf einer Doppelseite.
Seit vergangenem Jahr ist Martin Rogosz Vorsitzender des Dresdner Vereins Skybird, in dem derzeit 13 Spotter aus der Region vereinigt sind. Regelmäßig treffen sich die Mitglieder, tauschen Erfahrungen aus reisen zu anderen Flughäfen. Vergangenes Jahr ging es nach St. Petersburg, dieses Jahr ist Kopenhagen dran.
"Wir Spotter stehen nicht im Wettbewerb miteinander", sagt Rogosz. "Wir sind eher ein Gemeinschaft, die sich gegenseitig unterstützt." Wenn irgendwo mal wieder ein Flugzeug mit einer neuen Sonderbemalung auftaucht, dann dürfen das ruhig alle wissen. Den richtigen Moment beim Abdrücken, den muss dann aber jeder für sich allein erwischen.