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Uhrmacher baut besonderes Meisterstück

André Heller aus dem Dippoldiswalder Ortsteil Reinholdshain wollte zeigen, was uhrmacherisch alles möglich ist. Seine Prüfer waren skeptisch.

Von Franz Herz
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André Heller aus Reinholdshain zeigt sein außergewöhnliches Meisterstück.
André Heller aus Reinholdshain zeigt sein außergewöhnliches Meisterstück. © Karl-Ludwig Oberthür

André Heller holt aus seinem Schrank seine besondere Uhr hervor. Der Uhrmacher aus dem Dippoldiswalder Ortsteil Reinholdshain, der bei Glashütte Original arbeitet, hat Ende vergangenen Jahres seine Meisterurkunde erhalten und dafür eine eigene Uhr konstruiert, die weit über die Anforderungen hinaus geht, die sonst an Meisterarbeiten gestellt werden. Das stieß nicht überall auf Begeisterung. 

Bei der praktischen Prüfung werden die Prüflinge vor eine Situation gestellt, wie sie im Geschäft vielleicht einmal passieren kann. Jörg Tamme, Lehrer an der Uhrmacherschule in Glashütte und Vorsitzender des Prüfungsausschusses, beschreibt diese. Ein betuchter Kunde kommt ins Geschäft und wünscht sich, dass der Meister eine Uhr aufwendig umbaut, beispielsweise zusätzlich eine Datumsanzeige integriert. Der Uhrmacher muss sich überlegen, wie das möglich ist, dafür Zeichnungen anfertigen, die Kosten kalkulieren und die Komplikation dann auch einbauen. Dabei entsteht viel Papier, das bewertet wird, und eine eigene Uhr mit der bestellten Besonderheit. In der praktischen Prüfung werden dann aus dem Meisterstück einige Teile herausgenommen, die der Prüfling neu herstellen und einbauen muss.

Fliegendes Tourbillon in Glashütter Tradition

Nur eine Komplikation war André Heller aber zu wenig. Der 38-Jährige hat sich auch ein klassisches Armbanduhrwerk des großen Schweizer Herstellers Eta als Grundlage genommen, aber daraus eine komplett neue Uhr konstruiert und gebaut. Zwei Räder und von einem Dritten ein Teil sind noch ursprünglich erhalten geblieben. „Alles andere habe ich komplett neu gebaut“, sagt der junge Meister.

Herzstück seiner Uhr ist das Tourbillon. Das allein ist schon eine komplizierte Konstruktion. Dabei wird die Unruh der Uhr so gelagert, dass sie sich laufend dreht. Der Einfluss der Schwerkraft auf die Ganggenauigkeit wird dadurch minimiert. Alleine das zu bauen, gilt als hohe Uhrmacherkunst.

Heller ging aber darüber hinaus. Er hat dieses Tourbillon in die Mitte seiner Uhr gesetzt. Das sieht gut aus, stellt aber dem Uhrmacher vor einige Herausforderungen. So musste er sich für die Zeiger eine besondere Lösung einfallen lassen, weil er die ja nicht mehr in der Mitte befestigen konnte. Als Material für das Gestell hat Heller Titan verwendet. Das ist leichter als andere Metalle und nicht magnetisch, aber schwieriger zu bearbeiten. Außerdem hat Heller eine Glashütter Tradition aufgegriffen und ein fliegendes Tourbillon gebaut. Dieses wird nur auf einer Seite gelagert, auf der anderen ist es frei sichtbar. Diese Technik hat Alfred Helwig erfunden, einst Lehrer an der Uhrmacherschule in Glashütte.

Schon für die Queen gearbeitet

Weiter wünschte sich Heller, dass seine Uhr ein Schmuckstück in der Wohnung wird. Er wollte sie aber auch nicht allzu oft aufziehen. Also hat er ein großes Federhaus eingebaut, das jetzt ausreichend Energie liefert, sodass die Uhr nach einmal aufziehen zwei Monate und drei Tage läuft. So kann er die Uhr in den Schrank stellen und muss sie nur sechsmal im Jahr zum Aufziehen herausnehmen. Zum Schleifen des Zifferblatts hat er sich Hilfe von Manfred Wild, einem bekannten Edelsteinschleifer aus der Schmuckstadt Idar-Oberstein geholt. „Der hat auch schon für die Queen gearbeitet“, sagt Heller.

Bis nachts um vier am Werktisch

Die Zeitvorgabe für das Meisterstück war ein Jahr. Heller hat sechs Monate daran gebaut. Er saß aber in dieser Zeit manchmal bis nachts um vier Uhr am Werktisch oder lag auch wach im Bett und hat über eine Lösung gegrübelt. Schließlich war seine Uhr fertig montiert - und lief. Dann ließ er sie ein halbes Jahr in Ruhe ticken. Als die Meisterstücke zur Prüfung bei der Handwerkskammer lagen, wurde eine Versicherung abgeschlossen. Dafür hat Heller einmal den Wert der Uhr kalkuliert. Mit all seinen Arbeitsstunden schätzte er ihn auf 50.000 Euro.

Der kann aber noch steigen. In seiner Konstruktion hat der Uhrmacher noch weitere Komplikationen vorgesehen. Die packt er an, wenn er die Zeit dafür findet. Schließlich hat der 38-Jährige auch zwei Kinder und ein großes Anwesen mit Grundstück, um die er sich ebenfalls kümmert. Daher hat er sein Meisterstück auch den Winter über gebaut. „Im Sommer habe ich zu viele andere Dinge zu tun“, sagt er.

Als er seine Idee bei den Ausbildern im Meisterkurs vorgestellt hat, spürte er Skepsis. „Die wollen ja auch nicht, dass einer mit dem Meisterstück scheitert“, sagt er. Aber er hat seine selbst gesteckten Ziele erreicht. Prüfer Jörg Tamme sagt: „Es ist definitiv eine außergewöhnliche Uhr.“

André Hellers Meisterbrief hängt jetzt im Wohnzimmer. Und er ist froh, diese Ausbildung gemacht zu haben. Er ist jetzt bei Glashütte Original auch in die Entwicklung neuer komplizierter Uhren eingebunden. „Dahin wäre ich wahrscheinlich nicht gekommen ohne mein besonderes Meisterstück“, sagt er. 

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