SZ + Dresden
Merken

Vom Kruzianer zum "Dark Tenor"

Mit seiner mystischen Kunstfigur ist Billy Andrews an der Grenze zwischen Klassik und Pop zum Musikstar geworden. Sein Handwerkszeug lernte er in Dresden.

Von Henry Berndt
 4 Min.
Teilen
Folgen
"Beethoven war ein Popstar": Als The Dark Tenor will Billy Andrews Klassik wieder cool machen.
"Beethoven war ein Popstar": Als The Dark Tenor will Billy Andrews Klassik wieder cool machen. © Sven Ellger

Dresden. Fast wäre er "der deutsche Billy Idol" geworden, aber irgendwie hat das nicht so recht gepasst. Derselbe Vorname - schon mal unglücklich. Und dann sah Billy Andrews mit seinen damals noch blonden Haaren dem Kultsänger aus den 80ern auch noch recht ähnlich. Das Projekt verlief im Sande. Zum Glück, aus heutiger Sicht.

Die nächste Idee sollte ein Volltreffer werden. Wie wäre es mit einer mystischen Figur ohne Gesicht, die klassische Melodien in die musikalische Moderne holt? Zusammen mit seinem Manager kreierte Billy, kräftig unterstützt von RTL, einen düsteren Superhelden, dessen Superkraft die Stimme ist: The Dark Tenor. 

Das war vor sechs Jahren. Das langfristig geplante Projekt sah vor, Billy zunächst völlig anonym mit Maske und Kapuze als Marke einzuführen. Ein bisschen Game of Thrones, ein bissen Gaming-Welt. Später sollten erst die Kapuze und dann die Maske fallen - um auch ein vermarktungsfähiges Gesicht zu bekommen. Der verwegene Plan ging auf.  Universal nahm ihn unter Vertrag und brachte von 2014 bis 2018 drei Studioalben auf den Markt.  Bislang hat The Dark Tenor rund 200.000 Tonträger verkauft. 

Der Erfolg dürfte viele überrascht haben, denn Gegenwind hatte Billy Andrews von Anfang an reichlich. Vor allem von Seiten der "ernsten" Klassik. Auch seine Mutter war zunächst skeptisch. Sie ist Geigerin in der Elblandphilharmonie und lebt in Dresden, wo auch Billy 16 Jahre seines Lebens verbracht hat. Dabei ist er eigentlich Amerikaner und wurde im österreichischen Graz geboren. Eine Künstlerbiografie eben. Seine Eltern wanderten aus den USA nach Europa aus, um in der Klassik ihr Glück zu finden.

Mit dem Kreuzchor reiste Billy Andrews in den 90ern durch die ganze Welt.
Mit dem Kreuzchor reiste Billy Andrews in den 90ern durch die ganze Welt. © privat

Ihr vor allem stimmlich talentierter Sohn Billy kam in Dresden ohne große Umwege in den Kreuzchor. Als der Stimmbruch nahte, begann er, sich mehr und mehr für Rock zu interessieren. Green Day und Bon Jovi liefen zu Hause in Dauerschleife. Bald hatte er seine erste Band, doch auch der Klassik blieb er treu, sang im Gospelchor von Thomas Stelzer und im Extrachor der Semperoper.

"In der Semperoper merkte ich, dass die Besucher nicht gerade jünger wurden und zum Teil während der Vorstellung einschliefen." Schon damals reifte bei ihm der Wunsch, einen Weg zu finden, um auch die jungen Leute wieder für Klassik zu begeistern. "Mich hat einfach diese Elitarisierung der Klassik gestört", sagt er. "Mozarts Zauberflöte wurde für das Volk geschrieben und Ludwig van Beethoven war ein Popstar seiner Zeit."

Als The Dark Tenor will er deswegen die klassischen Melodien aus ihrer Nische holen. So wurde aus Mozarts 40. Symphonie mit viel Bass und Hall der Song "Love Is Light". Gemeinsam mit dem südkoreanischen Pianisten Yiruma nahm er dessen Hit "River Flows in You" neu auf und fügte einen Text hinzu.

Sein musikalisches Talent war schon sehr früh zu erkennen.
Sein musikalisches Talent war schon sehr früh zu erkennen. © privat

Spätestens seitdem sind ihm seine - vorwiegenden weiblichen - Fans verfallen. Und selbst seine Mutter hat er inzwischen überzeugt. Von seiner neuen Wahlheimat Berlin aus schafft es Billy etwa aller vier Wochen, in Dresden vorbeizuschauen. Hier hat er auch noch viele Freunde, die es dann unter einen Hut zu bringen gilt.

Ganz sicher wieder in Dresden sein wird Billy Andrews - so es das Corona-Virus noch zulässt - am 23. April. Dann macht The Dark Tenor auf seiner Akustiktour durch Deutschland Station in der Martin-Luther-Kirche. Die Tickets gibt es hier. 

"Diese Tour ist für mich etwas ganz Besonderes, weil sie mich sehr an meine Zeit im Kreuzchor erinnert. Kirchen haben einen ganz eigenen Klangkörper." Statt mit großer Band wird er diesmal unplugged nur mit Cello, Piano, Akustikgitarre und Bass unterwegs sein. 

Damit kann Billy Andreas wieder einen lang gehegten Wunsch auf seiner Liste abhaken. Der kleine Junge aus dem Knabenchor hat es schon recht weit gebracht, sang mit der Band von Unheilig vor zwei Jahren in vollen Hallen und mit dem Filmorchester Babelsberg vor 6.000 Menschen auf dem Berliner Gendarmenmarkt.

Ein paar Träume gibt es da aber schon noch. "Einmal zusammen mit dem Kreuzchor beim Adventskonzert im Rudolf-Harbig-Stadion auftreten. Das würde mir viel bedeuten." Und irgendwann vielleicht mit einem großen Orchester im Rücken in der Semperoper spielen. Dort, wo die Klassik immer zu Hause sein wird. Was ja nicht heißt, dass sie nicht auch mal in die Disko gehen darf. 

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter "Dresden kompakt" und erhalten Sie alle Nachrichten aus der Stadt jeden Abend direkt in Ihr Postfach.

Mehr Nachrichten aus Dresden lesen Sie hier.