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Von Kodersdorf lernen, heißt siegen lernen.

Das Motto gilt derzeit bei der Digitalisierung der Verwaltungen in und um Görlitz.

Von Daniela Pfeiffer
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Das Team für die Digitalisierung des Görlitzer Rathauses: Ulrich Ebermann (links) und Enrico Erler.
Das Team für die Digitalisierung des Görlitzer Rathauses: Ulrich Ebermann (links) und Enrico Erler. © Nikolai Schmidt

Das Baby ist gerade geboren, die Mutter geschafft. Eigentlich wären frisch gebackene Eltern froh, die ersten Tage nach der Entlassung aus dem Krankenhaus in Ruhe zu Hause verbringen zu können. Aber nichts da, die Rennerei geht praktisch an Tag eins nach der Entlassung los. Kind anmelden, Arbeitgeber informieren, eventuell gemeinsames Sorgerecht beantragen, Kindergeld und Elterngeld beantragen.

Eines Tages soll das mit ein, zwei Klicks von zu Hause aus möglich sein. Dieser Tag ist wahrscheinlich gar nicht so weit weg. Denn die Umstellung der Verwaltungen in ganz Deutschland wird gerade vorbereitet und hat an manchen Stellen schon begonnen. Im Görlitzer Rathaus sind Ulrich Ebermann und Enrico Erler dafür zuständig. „Die Digitalisierung in der Verwaltung nimmt gerade extrem an Fahrt auf“, sagt Ulrich Ebermann.

Alles digital in Kodersdorf. Torsten Hänsch und Carolin Kotz von der Gemeinde Neißeaue arbeiten schon mit der neuen Technik. Für die Umstellung musste und muss viel eingescannt werden. 
Alles digital in Kodersdorf. Torsten Hänsch und Carolin Kotz von der Gemeinde Neißeaue arbeiten schon mit der neuen Technik. Für die Umstellung musste und muss viel eingescannt werden.  © André Schulze

Verwaltungen werden langsam wach

Seit 19 Jahren ist der 42-Jährige im Rathaus, war der klassische Systemadministrator, der von Büro zu Büro ging, wenn es technische Probleme gab. Das macht er immer noch, aber inzwischen ist er der Mann für die Digitalisierung. Und weil man schnell feststellen musste, dass einer alleine das nie schaffen kann, hat Ebermann seit April Enrico Erler an seiner Seite. Erst letzte Woche waren sie zu dem Thema zwei Tage in Berlin. Denn laut dem sogenannten Onlinezugangsgesetz (OZG) müssen dem Bürger bis 2022 alle Verwaltungsvorgänge online zur Verfügung stehen – etwa 6 000 verschiedene Vorgänge sind das.

Zum Beispiel auch ein Baby anmelden. Aber die Verwaltungen werden nur langsam wach. „Vieles steht schon seit 2016 fest, aber erreicht uns jetzt erst. Da hätten der Deutsche oder der Sächsische Städte- und Gemeindetag besser informieren können“, sagt Ulrich Ebermann. Aber Verzögerungen bei der Einführung der digitalen Verwaltung gebe es in allen Ebenen – bis hoch in die Bundesbehörden, die eigentlich die ersten sein sollten.

Ganz anders ist man in Kodersdorf mit dem Thema umgegangen. Hier leitet Torsten Hänsch den Verwaltungsverband Weißer Schöps/Neiße. Dieser fasst die Verwaltung der Gemeinden Schöpstal, Kodersdorf, Neißeaue und Horka zusammen. Torsten Hänsch hat sich mit deren Digitalisierung schon wesentlich länger befasst. Seit Ende 2017 wurden hier schon Nägel mit Köpfen gemacht: die Gründung einer eigenen Arbeitsgruppe, der Beschluss aller vier Kommunen, die Digitalisierung anzugehen – mit immerhin 75 000 Euro Kosten –, die Suche nach Firmen für die entsprechenden Computerprogramme, und schließlich die Schulungen der Mitarbeiter. Mit Kevin Sauer aus Ebersbach wurde schließlich ein junger Mitarbeiter eingestellt, der die nötige Affinität für Computer mitbrachte. In Kodersdorf beschloss man, zuerst die elektronischen Rechnungen und den voll digitalisierten Schriftverkehr einzuführen. Beides läuft inzwischen gut – auch wenn Kevin Sauer am Anfang doch ein hohes Laufpensum von Büro zu Büro hatte, um alle Fragen zu beantworten. „Wir empfangen alle Rechnungen elektronisch und bearbeiten sie auch nur noch im Computer“, erklärt Torsten Hänsch. Dafür arbeiten die Kodersdorfer mit einem Finanzprogrammanbieter aus Berlin zusammen. Beim elektronischen Schriftverkehr ist es ein Anbieter aus Brandenburg. Um das ganze Papier oder dessen Inhalte aber erstmal zu digitalisieren, musste und muss vieles gescannt werden.

Hänsch ist froh, die ersten Etappen der Umstellung geschafft zu haben. „Anfangs gab es schon Probleme“, räumt er ein. Ich finde nichts mehr, wie komme ich hier rein, ich weiß nicht mehr, wo ich stehe – all diese Sätze hat er oft gehört. „Für manche ältere Mitarbeiter war das nicht einfach“, sagt er. Gerade weil er weiß, wie anspruchsvoll die Digitalisierung ist, staune er, wie ruhig manche Kommunen noch bleiben. Dabei ist Kodersdorf auch zur Hilfe bereit. So sind beispielsweise schon Vertreter des Nieskyer Rathauses da gewesen und haben sich alles zeigen lassen. Aus Görlitz kamen noch keine Anfragen. Man arbeite wohl mit unterschiedlicher Software, heißt es. Das Grundprinzip aber bleibt dasselbe, gerade bei den Rechnungen, die alle nur noch verschlüsselt einlaufen werden. Ulrich Ebermann bereitet das im Görlitzer Rathaus schon Kopfzerbrechen. „Das ist bei uns gerade ein großes Thema, bis April 2022 müssen die Stadt und auch ihre Gesellschaften elektronische Rechnungen empfangen können.“ Der größere Hammer sei aber, dass ein weiteres Jahr später nur noch solche Rechnungen angenommen werden – jedenfalls ab Beträgen von 1 000 Euro aufwärts.

Online-Termine gibt es schon

Die Görlitzer Verwaltung hat daher zunächst alle Lieferanten darüber informiert. „Übergangsweise würden wir Rechnungen noch in das richtige Format umwandeln, wenn der Rechnungssteller die entsprechende Software nicht hat“, sagt Ebermann. Allerdings seien manche verzweifelt, weil selbst deren Softwareanbieter mit dem Thema elektronische Rechnung nichts anfangen könnten. „Wir hoffen, dass große Unternehmen ihre Programme sicher bald anpassen werden, um die Kleineren machen wir uns jetzt noch nicht ganz so viele Sorgen.“ Spannend und herausfordernd werde die Umstellung allemal. Gerade in Görlitz, wo die Grenzlage doch noch einige Besonderheiten hat – etwa viele ausländische Rechnungen kommen. „Auf etliche Fragen haben wir heute noch gar keine Antwort“, sagt Ebermann.

Und doch räumt er letztlich ein: „Die elektronische Rechnung wird am Ende der kleinste Teil der Digitalisierung sein.“ Ein winziges Stück des Weges ist aber schon geschafft. Schließlich gibt es bereits einige Onlineangebote im Görlitzer Rathaus: So können etwa Kita-Plätze elektronisch beantragt werden oder Görlitzer können sich online Termine fürs Einwohnermeldeamt machen. Dann müssen sie mit dem Neugeborenen bei der Anmeldung zumindest nicht noch lange warten.