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Wenn die Telekom nicht kommt

Schnelles Internet für alle? Das wird wohl nichts. Denn eines haben die Politiker vergessen. Ein Beispiel aus Hirschstein.

Von Jürgen Müller
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Fühlen sich von der Telekom im Stich gelassen: Ute und Axel Klose aus Mehltheuer und Hirschsteins Bürgermeister Conrad Seifert (CDU, links).
Fühlen sich von der Telekom im Stich gelassen: Ute und Axel Klose aus Mehltheuer und Hirschsteins Bürgermeister Conrad Seifert (CDU, links). © Jürgen Müller

Hirschstein. Damals war die Welt noch in Ordnung. Damals, das war 1999. Da haben Ute und Axel Klose ein Haus in Mehltheuer gekauft. Das Telefonieren mit ISDN-Technik klappte wunderbar. 2001 zog das Ehepaar der Arbeit wegen nach Bayern, vermietete derweil das Haus. Als die beiden 2011 in ihr altes Zuhause zurückkehrten, war vieles anders. 

Vor allem die Telekommunikation. Die Telekom hatte auf DSL umgestellt. Doch das funktioniert schlecht. „Die Gespräche verlaufen wie eine Sinuskurve, mal laut, mal leise, oft brechen sie ganz ab“, sagt der 55-jährige Axel Klose. Die Familie beschwerte sich bei der Telekom. „Das brachte nur kurzzeitig Abhilfe. Zwei, drei Wochen funktionierte es, dann war das Problem wieder da“, erzählt seine Frau.

Noch schlimmer aber ist der Internetanschluss. „Mit dem LTE-Anschluss sollten laut Telekom bis zu 50.000 Mbit anliegen. Wir haben das jetzt mal durchmessen lassen. Tatsächlich liegen zwischen 2.000 und 6.000 Mbit an“, sagt Axel Klose. Was das heißt, macht er an einem Beispiel deutlich. Um sein Navigationssystem zu aktualisieren, brauchte er fünf Stunden. Ein Telekom-Techniker haben den Kloses gesagt, dass es in dem Ortsteil drei DSL-Leitungen gäbe. Eine funktioniere, die zweite zu 30 bis 40 Prozent, die dritte sei gänzlich tot. Die Leitungen im Dorf stammen noch aus Kaisers Zeiten, habe der Techniker gesagt.

Probleme beim  Home Office

Was die Kloses zusätzlich belastet: Beide können im Home Office arbeiten. Mit den technischen Möglichkeiten ist das aber kaum möglich. „Wir sprechen hier nicht nur für uns. Betroffen sind 180 bis 200 Anschlüsse, es gibt in Mehltheuer ein Gewerbegebiet. Auch die Unternehmer leiden unter den fehlenden technischen Möglichkeiten“, sagt Axel Klose.

Aber bald soll ja alles besser werden. Dachten sich nicht nur die Kloses. Denn bis 2021 soll es in Deutschland flächendeckend schnelles Internet geben. Auf dem Papier. In der Praxis wird es wohl nicht funktionieren. „Die Telekom hat sich für den Breitbandausbau entschieden. Wir sind an das Programm gebunden, haben die Leistungen ausgeschrieben. Doch es ist kein einziges Angebot eingetroffen, auch nicht von der Telekom, die den Ausbau vollmundig angekündigt hatte“, so Hirschstein Bürgermeister Conrad Seifert (CDU).

Auf Nachfrage teilt die Telekom mit, dass es aus Kapazitätsgründen nicht möglich sei, den Breitbandausbau im Förderzeitraum abzuarbeiten. Das bedeutet im Umkehrschuss, dass die Gemeinde das Geld, das Bund, Freistaat und Landkreis zur Verfügung stellen, nicht nutzen kann. Und dass es künftig doch „weiße Flecken“ beim schnellen Internet geben wird. Dabei wäre es gerade im Fall Mehltheuer ziemlich einfach. Keine 500 Meter entfernt im Ortsteil Prausitz liegt Glasfaserkabel an. „Deutschland treibt den Breitbandausbau voran, doch die Politik hat etwas vergessen: dass es an den Baukapazitäten fehlt. Deshalb klappt der Ausbau nicht so wie vom Gesetz vorgesehen“, so Seifert.

Auch in Neuhirschstein gibt es ähnliche Probleme. Der Ortsteil ist zwar weitgehend mit 30.000 Kbit versorgt, einige Grundstücke aber nicht. Sie müssten ans Glasfasernetz angeschlossen werden, doch das passiert nicht. Offenbar sind der Telekom die wenigen Anschlüsse nicht attraktiv genug.

Für den Bürgermeister ist das nicht nachvollziehbar: „Schnelles Internet ist Bestandteil der Daseinsvorsorge, muss ebenso selbstverständlich sein wie die Wasser- und Stromversorgung. Viele Leute, die sich bei uns ansiedeln wollen, fragen zuallererst nach dem schnellen Internet.“

Die Gemeinde will die Arbeiten für den Breitbandausbau nun erneut ausschreiben, hofft, dass es wenigstens ein Angebot gibt. Das hoffen auch die Kloses und die anderen Betroffenen aus Mehltheuer. Ein Anbieterwechsel nützt ihnen nämlich gar nichts, ohne Leitung auch kein schnelles Internet. „Die Aussicht auf schnelles Internet war für uns ein wesentlicher Grund, von Bayern nach Sachsen zurückzukehren“, sagt Ute Klose. Nicht nur sie sieht sich von der Politik getäuscht. „Es reicht eben nicht, Leute mit Eierschecke nach Sachsen zurück zu locken“, sagt ihr Mann. 

Die Deutsche Telekom weist die Kritik zurück. Der Kundenservice haben Kontakt mit Herrn Klose aufgenommen. Die Telefonie funktioniere einwandfrei. Die Leistung der Internetverbindung entspräche der vertraglich bestätigten Leistung, teilt Susanne Bruns von der Kommunikationsabteilung des Unternehmens in Bonn mit. Danach lobt sie die großen Ausbauleistungen beim Breitband durch die Telekom. 

Man treibe wie kein anderes Unternehmen den Netzausbau voran. Rund 60.000 Kilometer Glasfaser habe die Telekom allein im vergangenen Jahr neu verlegt. Die meisten davon im ländlichen Raum. „Wir investieren jährlich mehr als fünf Milliarden Euro in Deutschland. Wir können aber nicht gleichzeitig überall ausbauen. Dort, wo unsere eigenen Mittel nicht ausreichen, bieten wir eine Partnerschaft an“, so die Sprecherin.

Konkret zum Thema Mehltheuer äußert sie sich nicht, teilt nur allgemein mit: „Aktuell prüfen wir die Anfrage des Kunden bezüglich des Breitbandausbaus. Er erhält dazu eine Information.“