SZ +
Merken

Wer macht heute noch Urlaub am Balaton?

1989 kamen fast drei Millionen Deutsche aus Ost und West nach Ungarn. Seither hat sich viel verändert. – Aus der "Wie geht's, Brüder?"

Von Olaf Kittel
 3 Min.
Teilen
Folgen
30 Jahre Mauerfall 
Osteuropatour mit Olaf Kittel (Text) und Matthias Schumann (Foto):

Ungarn - Balatonfüred 

Autofähre von der Halbinsel (und dem Kurort) Tihany an das Südufer (Richtung Siofok). 
Foto: Matthias Schumann
!!!Copyright!!! Jegliche Verwend
30 Jahre Mauerfall Osteuropatour mit Olaf Kittel (Text) und Matthias Schumann (Foto): Ungarn - Balatonfüred Autofähre von der Halbinsel (und dem Kurort) Tihany an das Südufer (Richtung Siofok). Foto: Matthias Schumann !!!Copyright!!! Jegliche Verwend © Matthias Schumann

Für viele Urlauber aus der DDR war Ungarn ein Traumziel. Hier schien im Sommer garantiert die Sonne, das Essen schmeckte, der Wein auch, in Budapest lockten Weltstadtflair mit bunten Schaufenstern. Am Balaton war immer noch Platz für die ganze Familie auf den Strandwiesen am lauwarm-seichten Wasser. 

1,3 Millionen Ostdeutsche sollen 1989 in Ungarn gewesen sein, einige Tausend kehrten anschließend nicht nach Hause zurück. Viele DDR-Bürger trafen Freunde und Verwandte aus dem Westen, 1,5 Millionen Westdeutsche zog es auch deshalb hierher. Fast drei Millionen Deutsche in einem Jahr – so etwas hat das kleine Ungarn nie wieder erlebt.

Klar, die Grundlage als Ost-West-Begegnungsstätte fiel weg, und die Ossis erkundeten ab 1990 eher die Länder in den Alpen und am Mittelmeer. Die Campingplätze am südlichen Balatonufer erlebten in den 90ern noch einmal eine deutsche Teenie-Invasion. Die Nachwuchs-Urlauber reisten im Billigbus an und sammelten erste Alkoholerfahrungen.

Seither haben sich die Urlauberströme am größten Binnensee Mitteleuropas verändert. Zseraldina Arvai vom Tourismusamt in Balatonfüred kennt die Zahlen: 60 Prozent der Urlauber sind heute Einheimische, nur noch 15 bis 20 Prozent kommen aus Deutschland, jeweils zehn Prozent aus Österreich und Slowenien. Sie wollen gediegenen Urlaub, vor allem am Nordufer haben sich die Weindörfer herausgeputzt, sie pflegen die Weinkultur viel intensiver als früher. 

Zseraldina Avrai leitet die Tourismusagentur in Balatonfüred. Sie hat die besten Tipps für Urlauber und ein umfangreiches Angebot an Balaton-Weinen.
Zseraldina Avrai leitet die Tourismusagentur in Balatonfüred. Sie hat die besten Tipps für Urlauber und ein umfangreiches Angebot an Balaton-Weinen. © Matthias Schumann

Deshalb werben die Tourismusleute heute in Deutschland vor allem um gut verdienende Paare und orientieren sich dabei am Qualitätstourismus der großen Seen in Österreich und Italien. Allerdings wird man ungarische Tourismuswerbung nur noch selten wahrnehmen. Das Land hat aus Kostengründen alle Tourismusagenturen im Ausland geschlossen, sogar die in Deutschland und Österreich, wo die meisten Urlauber herkommen.

Der Anspruch schlägt auf die Preise durch, ein Billigreiseziel ist der Balaton nicht. Im Drei-Sterne-Hotel zahlt man fürs Doppelzimmer mit Halbpension akzeptable 500 bis 600 Euro pro Woche, viele schöne Quartiere sind allerdings teurer. Auch neue private Pensionen langen zumindest im Juli und August ordentlich zu. Anders ist es am Südufer, hier – in der Gegend um Siofok – hat sich auch nicht so sehr viel verändert. Frau Arvai nennt das „retro“.

Die Autofähre von Tihany braucht nur wenige Minuten bis zum Südufer des Balaton. Von dort ist es nicht weit bis nach Siófok.
Die Autofähre von Tihany braucht nur wenige Minuten bis zum Südufer des Balaton. Von dort ist es nicht weit bis nach Siófok. © Matthias Schumann

Am meisten getan hat sich in Balatonfüred, inzwischen die heimliche Hauptstadt am Plattensee. Viele neue oder sanierte Hotels und Pensionen, gepflegte Parks und Strandpromenaden. Moderne Restaurants gibt's hier, weitab vom Csárdás-Stil, in dem früher die beliebten „Zigeunerabende“ mit Fidelei und Kesselgulasch veranstaltet wurden. Die findet man heute hier kaum noch. Heute gibt's in den Lokalen eher Fisch aus dem Balaton, vegane Speisen und Fastfood. Nicht die Urlauber verlangen unbedingt danach – die Stadt ist inzwischen von Gutverdienern aus Budapest erobert worden, die sich hier Ferienhäuser bauten und ihre großstädtischen Essgewohnheiten mitbrachten.

Balatonfüred hat deshalb in Ungarn seinen Spitznamen weg: Snob-City.

In dieser Villa mit schönem Park in Balatonfüred läuft gerade eine Ausstellung mit historischen Fotos vom Strandleben am Balaton.
In dieser Villa mit schönem Park in Balatonfüred läuft gerade eine Ausstellung mit historischen Fotos vom Strandleben am Balaton. © Matthias Schumann

Weitere Beiträge aus der Serie