SZ + Wirtschaft
Merken

Wie Bauern und Fleischer einen Schlachthof planen

Sachsens Landesbauernverband hat einen neuen Standort im Auge. Werden die Tiertransporte bald kürzer?

Von Georg Moeritz
 4 Min.
Teilen
Folgen
Mit Knopf im Ohr: Sächsische Schweine werden meist außerhalb Sachsens geschlachtet, dass soll sich bald ändern.
Mit Knopf im Ohr: Sächsische Schweine werden meist außerhalb Sachsens geschlachtet, dass soll sich bald ändern. © Jens Büttner/dpa (Symbolbild)

Chemnitz. Wenn Jens Hoffmann sich seinen Schweineställen nähert, wuseln die Tiere neugierig heran. Die 675 Mastschweine haben Stroh zum Wühlen und etwa anderthalb Mal so viel Platz wie vorgeschrieben, sagt der Vorstandschef des Wirtschaftshofs Sachsenland in Chemnitz-Röhrsdorf. Die Tiere seien vital und seien seine „Geschäftspartner“, auch wenn er sie nicht über ihr dramatisches Ende aufkläre.

Wenn Hoffmanns Schweine ein halbes Jahr alt sind, werden sie mit 120 Kilo Gewicht zum Schlachthof gefahren. Bis 2011 war das Gausepohl in Chemnitz. Doch der schloss, wie schon 1999 Löblein in Naunhof. Seitdem gibt es in Sachsen keinen großen Schlachthof mehr, nur noch einen regionalen in Belgern in Nordsachsen. Der Ostthüringer Schlachthof Altenburg hat vor einigen Monaten die Schweineschlachtung beendet, seitdem lässt Hoffmann sein Vieh nach Hof in Franken fahren. Die Tiertransporte haben sich verlängert. Ende Juli stoppte die Polizei bei Kontrollen Lastwagen und ließ Kälber ausladen, die von Ostsachsen bis Nordrhein-Westfalen sollten, aber zu wenig Platz und Flüssigkeit hatten. Sozialministerin Petra Köpping (SPD) hat für Tiertransporte aus der EU hinaus vorgeschrieben, unterwegs Versorgungsstationen zu nutzen.

„Ins Mittelsächsische wollen wir“

Der Chemnitzer Landwirt Hoffmann weiß, dass sein Beruf häufig in der Kritik steht – mit Begriffen wie Massentierhaltung. Er habe aber ein reines Gewissen, sagte er am Donnerstag bei einem Pressegespräch über Tierwohl mit Sachsens Bauernpräsident Torsten Krawczyk in seinem Betrieb. Beide wollen nach eigenen Worten mit Verbrauchern ins Gespräch kommen und mit „regionalen Produkten“ Landwirtschaft wieder beliebter machen. Krawczyk möchte, dass es wieder einen Schlachthof im Freistaat gibt. Es soll „eine sächsische Schlachtstätte mit echter Beteiligung der Landwirte“ werden.

Der Bauernpräsident ist nach eigenen Angaben mit dem Sächsischen Fleischer-Innungs-Verband und der Landesregierung im Gespräch über den geplanten Schlachthof. In einem Jahr soll ein genehmigungsfähiges Konzept stehen. Auch zum Ort hat Krawczyk, der mit seinem Bruder bei Döbeln selbst 100 Schweine pro Jahr mästet und auf dem eigenen Hof schlachten lässt, genaue Vorstellungen: „Ins Mittelsächsische wollen wir“, sagt Krawczyk. Eine zentrale Lage in Sachsen sei wegen der Transportwege am besten. Doch andere Regionen beschäftigten sich ebenfalls mit der Idee eines Schlachthofs, er wolle derzeit keine ausschließen.

Der Landesbauernverband will das Vorhaben selbst vorantreiben, wird möglicherweise sogar Besitzer des Schlachthofs – mit Partnern. Wenn ein Bauernhof kein Geld als Anteil einbringen könne, lasse er auch eine vertragliche Bindung zum Schlachten als Beteiligung gelten, sagte Krawczyk. Hoffmann will „gerne Vertragspartner“ werden, weiß allerdings auch, dass seine 45 Schlachtschweine pro Woche den Betrieb kaum stützen werden. Löblein hatte in Naunhof bei Großenhain nach eigenen Angaben eine halbe Million Schweine pro Jahr geschlachtet.

Marke Sachsenglück bleibt exklusiv

Unterstützung findet der Schlachtplan bei der Metzgerei- und Gastronomie-Genossenschaft Mega, die in Dresden und Chemnitz 180 Beschäftigte hat. Ihr Prokurist Lutz Rothe bedauert ebenfalls, dass die Tiere zum Schlachten außer Landes gefahren werden. Mega bekommt aber die Schweinehälften zurück und macht Wurst und Schnitzel daraus. Unter der Marke Sachsenglück beliefern die 24 Erzeuger 66 Fleischereien. Falls der künftige Schlachthof auch Supermärkte beliefere, müsse für die aber ein anderer Markenname gefunden werden, sagt Rothe – denn Sachsenglück solle den Fleischerhandwerkern vorbehalten bleiben.

Der Bauernverband möchte eine „echte Wertschöpfungskette“ in Sachsen aufbauen, „mit voller Transparenz“ vom Erzeuger bis zum Händler. In Hoffmanns fünf Hofläden gibt es jetzt schon 100 Gramm regionalen Schinkenspeck für 1,48 Euro und das Pfund Kesselgulasch vom Schwein für 3,40 Euro. Doch laut Bauernverband stammt nur ein Drittel des Schweinefleischs, das in Sachsen gegessen wird, aus Sachsen. Der „Selbstversorgungsgrad“ müsse erhöht werden, später auch bei Rindfleisch. Ein Vorbild dabei können auch regionale Erzeugergemeinschaften sein, wie die in Taubenheim unter Leitung von Oliver Schmidt. Er sagt, das Interesse an regionalen Produkten sei gestiegen. Bei Hoffmann brachte Corona einen Nachfrageschub „wie Weihnachten“, aber nicht dauerhaft.

Sachsens Agrarminister Wolfram Günther (Grüne) hat regionale Lebensmittel ebenfalls zu seinem Thema gemacht und will Erzeuger zusammenbringen. Der Bauernpräsident allerdings sorgt sich, dass „vor dem politischen Hintergrund des Ministers“ vor allem Bio-Landwirtschaft gefördert werden könnte. Krawczyk dagegen vertritt auch konventionelle Bauern und betont, dass dort das „Tierwohl“ beachtet werde, wie bei Hoffmanns Schweinen.