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Wie die Region zum Vorbild werden kann

Ein Bundesamt für Bodenpflege in der Lausitz: Das schlägt unser Autor Karl-Friedrich Buschendorf vor. Die Region könnte zum Vorreiter werden. Ein Gastbeitrag.

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Wird auf diesem Boden jemals etwas wachsen: Tagebaulandschaft bei Nochten
Wird auf diesem Boden jemals etwas wachsen: Tagebaulandschaft bei Nochten © André Schulze

Kurz, nachdem die Kohle-Kommission sich auf das Jahr 2038 als Ziel für den Ausstieg aus der Kohleverstromung geeinigt hatte, erschien in der SZ ein Beitrag über die vertrockneten Fichten auf den Kämpferbergen. Auf der Südseite der Königshainer Berge, so hieß es in dem Bericht, ist „ ... der Bodenbereich auf dem Berg steinig und kann Wasser schlecht speichern ... (ein) weiteres Extrem sei der Borkenkäferbefall gewesen ... 

In der Archäologie befasst sich eine Disziplin mit der Pollenanalyse. Es gibt mittlerweile Karten von ganz Deutschland, welche Pflanzen zu welcher Zeit unter welchen klimatischen Bedingungen an welchen Standorten zu finden waren. Aus meiner Sicht ist es schlimm, dass die Gemeinde Königshain offensichtlich mit diesen Schäden auf sich allein gestellt ist. Die Kämpferberge und die Königshainer Berge sind Heimat und Lebensqualität nicht nur für die Königshainer oder die Lausitzer. 

Deswegen schlage ich vor, mit Mitteln aus dem Kohle-Strukturwandel ein Bundesamt für Bodenpflege in der Lausitz anzusiedeln. Diesen Vorschlag habe ich Ende Januar auch an das Bundeskabinett, an die Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und Dietmar Woidke, den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund) und den Naturschutzbund Deutschland (Nabu) weitergeleitet.

Die Klimaschäden in den Königshainer- und den Kämpferbergen können als anschauliches Beispiel dienen, wie mit einem Bundesamt für Bodenpflege der Gemeinde Königshain geholfen werden könnte: Die Einkleidung der betroffenen Flächen mit einem Boden, der an die voraussehbaren künftigen Belastungen angepasst ist (Wasserspeicherfähigkeit). Dieser Boden ist selbstverständlich auch gegen Schädlinge vorbereitet, beispielsweise durch eingearbeitete Fressfeinde der Schädlinge. Die Gemeinde Königshain leistet einen kommunalen Beitrag entsprechend ihrer Möglichkeiten. 

Der Bund übernimmt die übrigen Kosten und verwirklicht auf diesem Wege seine Pflichtaufgabe zur Daseinsvorsorge. Die von der Gemeinde und dem Bund verausgabten Mittel dienen der Erhaltung unserer Lebensqualität. Das sollte gegenüber anderen Aufgaben prioritär sein. Die Arbeiten werden von Fachleuten des Bundesamtes für Bodenpflege aus der Lausitz ausgeführt. Der Bund haftet für die Qualität der Arbeiten.

Mit der Umsetzung meines Vorschlages müssten unsere politisch Verantwortlichen auch nicht warten, bis die Kohleverstromung abgeschlossen ist. Nichts hindert sie daran, sich gemeinsam mit Wissenschaftlern, Technologen und Verwaltungsleuten im Frühjahr 2019 zu treffen. Auf dieser Konferenz könnten Festlegungen getroffen werden, wie die ersten organisatorischen Strukturen aufgebaut werden sollen, um die wichtige Aufgabe der Schaffung einer ausreichenden Bodenreserve zur Anpassung und Sicherung der Bodenfruchtbarkeit anzugehen. 

Welche personellen Kapazitäten, welche wissenschaftlichen Kapazitäten, welche organisatorischen und technologischen Voraussetzungen sind erforderlich? Welche und wie viel Flächen an welchen Standorten sind nötig? Welches Bundesministerium kann den Aufbau am besten steuern? Wie kann der Bundesrechnungshof diesen Prozess am besten kontrollieren? Wie werden Brandenburg und Sachsen, vor allem die betroffenen Kommunen in diesen Prozess eingebunden?

Der von großen Teilen unserer Gesellschaft und von der Bundesregierung politisch gewollte Strukturwandel, von dem auch die Lausitz betroffen ist, muss mit den Herausforderungen des Klimawandels verbunden werden. Sonst wäre er sinnlos. Aber gerade in diesem Strukturwandel liegt die einmalige Chance, langfristig wirksam auf die Wirkungen der Veränderungen in der Natur reagieren zu können. Denn den Veränderungen des Klimas werden wir nicht ausweichen können.

In der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts werden die Klimaveränderungen ihre Wirkungen in breitem Umfang entfalten. Wenn wir in unserem Land rechtzeitig beginnen, Vorsorge zu treffen, ist das wesentlich kostengünstiger, als wenn die Abwehr von Naturkatastrophen erst aus dem Boden gestampft werden muss, wenn ihre zerstörenden Wirkungen bereits in großem Umfang Schäden verursacht haben. Mit der frühzeitigen und zielgerichteten Anpassung unserer Bodenverhältnisse an die sich ändernden natürlichen Bedingungen können wir unseren Kindern, Enkeln und den weiteren kommenden Generationen tatsächlich wirksame Mittel zur Verbesserung ihres Lebens übergeben, die ihnen auch für ihre Zukunft hilfreich sein werden.

Mit der Umsetzung meines Vorschlages würde ein hohes Maß an Stabilität und Nachhaltigkeit für die Wirtschaftsstruktur der Lausitz geschaffen. Ein traditioneller Bereich wie der Bergbau würde in eine ganz neue nachhaltige und ökologisch zukunftsfähige Funktion für die Zukunft unseres Landes überführt werden. Damit würde für die Lausitz eine in diesem Bereich weitgehend krisenfeste Entwicklung eingeleitet. Das würde zweifellos auch auf die anderen technologischen Bereiche, die nach den vorliegenden Empfehlungen der Kohlekommission ganz neu geschaffen werden sollen, ausstrahlen. 

Mit den erforderlichen Investitionen könnte in diesem Bereich zielführend eine ökologische, nachhaltige, innovative und leistungsfähige Infra- und Wirtschaftsstruktur implementiert werden. Die organisatorische Umsetzung meines Vorschlages sollte entsprechend seiner inneren Logik abschnittsweise erfolgen. Dabei sind Nachjustierungen in Wissenschaft, Technik und Verwaltung entsprechend der natürlichen Entwicklungen möglich und auch geboten.

Es ist heute schon absehbar, dass das Ausmaß der bevorstehenden Veränderungen der Natur so groß sein wird, dass die auf Deutschland zukommenden Probleme nur unter Federführung des Bundes wirksam gemeistert werden können. Mit der Umsetzung meines Vorschlages könnten in absehbarer Zeit dringend benötigte Güter für die Verbesserung unserer Lebensqualität produziert und in breitem Umfang für ganz Deutschland bereitgestellt werden.

Der enorme Nutzen für unsere Gesellschaft wäre zweifellos auch volkswirtschaftlich messbar. Mit einem bundesweit und später auch international tätigen, öffentlich rechtlichen Wissenschafts-, Technologie- und Wirtschaftskomplex, der zunächst für die Aufbauphase als Bundesbehörde konzipiert ist, könnte in der Lausitz ein wirksamer Anfang für die Widerstandsfähigkeit unserer natürlichen Bedingungen und zur Abwehr von Naturkatastrophen gesetzt werden. Ähnlich vergleichbaren Bundesinvestitionen in die strukturschwachen Regionen Westdeutschlands in den 50er bis 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts könnte auf diesem Weg in der Lausitz eine stabile Entwicklung begonnen werden, um eine zukunftsfähige Wirtschaftsstruktur zu schaffen.

Es ist an dieser Stelle notwendig, den Blick auf die Wirkungen der Naturveränderungen auf die Sicherheitserfordernisse unseres Landes zu wenden. Mit den Ergebnissen in Wissenschaft, Technik und Verwaltung bei der Umsetzung meines Vorschlages würde nicht zuletzt ein wichtiger, völlig neuer Sicherheitsfaktor für die Zukunft unseres Landes geschaffen. Die Prozesse des Klimawandels werden nicht nur alle unsere Nachbarn in Ost und West, sondern alle Länder betreffen. Deutschland wäre in der Lage, mit seinen wissenschaftlichen Ergebnissen, seinen organisatorischen Fähigkeiten einen fundamentalen Beitrag zur Gefahrenabwehr zu leisten. Das würde zweifellos dazu beitragen, die enormen Spannungen und Konflikte um die Veränderung der menschlichen Lebensbedingungen zu vermindern.

Zum Autor:

Karl-Friedrich Buschendorf
Karl-Friedrich Buschendorf © privat

Karl-Friedrich Buschendorf ist 66 Jahre, Ruheständler und lebt in Görlitz. Bis zur Pensionierung im Jahr 2016 war er Angehöriger des Auswärtigen Dienstes der Bundesrepublik Deutschland und in Russland, Weißrussland, Moldawien, Nigeria sowie im Iran auf Posten. Beschäftigt hat er sich unter anderem mit Landwirtschaft, wirtschaftlicher Zusammenarbeit, wissenschaftlichem Austausch und Entwicklungshilfe-Projekten.

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