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Wie vermeiden Eltern Frust?

Christina Pietzarka unterstützt Meißner Familien, in der Corona-Krise zu Hause nicht zu verzweifeln. Was hilft, verrät sie im SZ-Gespräch.

Von Martin Skurt (Nutzer gelöscht und neu angele
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Diplom-Pädagogin Christina Pietzarka ist für Eltern da, die in der Corona-Krise unsicher und überfordert sind. Derzeit finden Gespräche aber nur am Telefon statt.
Diplom-Pädagogin Christina Pietzarka ist für Eltern da, die in der Corona-Krise unsicher und überfordert sind. Derzeit finden Gespräche aber nur am Telefon statt. © Claudia Hübschmann

Meißen. Am wichtigsten ist es, dass Eltern Ruhe bewahren und ehrlich bleiben. "Sonst übertragen sich die eigenen Sorgen auf die Kinder", sagt Christina Pietzarka. Die Diplom-Pädagogin der Erziehungs- und Familienberatungsstelle Meißen hilft Eltern in Zeiten von Corona, Kurs zu halten. Dafür ist sie und ihr Team die ganze Woche telefonisch erreichbar. Unverbindlich und kostenlos können Meißner sich dort melden. Viele Familien müssen sich jetzt neu strukturieren, denn Schulen und Kindertagesstätten sind zum Teil geschlossen, und Eltern müssen im Homeoffice arbeiten. Christina Pietzarka erklärt, was sie tun können, damit die häusliche Situation nicht eskaliert.

Generell gebe es "keine Lösung von der Stange", so die Diplom-Pädagogin. "Vielmehr überlegen wir gemeinsam mit den Eltern, die uns anrufen, wie wir ihnen helfen können." Das fängt erst einmal damit an, dass Christina Pietzarka am Telefon ruhig fragt, um welches Problem es geht. Das nennt sie gern, "ein drittes Ohr leihen". Denn das fehle Eltern während der Corona-Krise, in der viele Betreuungsangebote ausfallen wie die Kindertagesstätten oder Schulen. Die Betreuer oder Lehrer können dann bei Problemen nicht helfen. "Gerade jetzt hören wir zu und erteilen keine vorschnellen Ratschläge."

Eltern sollten die eigene Unsicherheit ernst nehmen

Zurzeit gibt es nicht mehr Fälle als sonst. Die Anzahl der Anrufe ist zwar gestiegen, aber das liege vor allem daran, dass die Meißner Filiale geschlossen ist – aufgrund der behördlich verordneten Kontaktbeschränkung. Der Bedarf an Hilfe ist trotzdem da. Viele Eltern melden sich bei der Familienberatung, da sie sich um ihre Existenz sorgen. Sie befürchten, ihre Ängste an die Kinder weiterzugeben. "Da versuchen wir, zu beruhigen und Schuldgefühle zu nehmen, damit Eltern ihre Kinder nicht belasten.“

Deshalb sei es entscheidend, dass sie ihre Sorgen wahrnehmen und ernst nehmen. "Es hilft zum Beispiel zu überlegen, welche Krisen man schon einmal überstanden hat. Denn wir alle haben Ressourcen, auf die wir zugreifen können, um die aktuelle Situation zu bewältigen." Dazu gehört zu akzeptieren, dass momentan die Lage unsicher ist. Erst dann finden Eltern ihre innere Sicherheit. Christina Pietzarka hilft dabei: "Denn wir stehen außerhalb der Familie und des täglichen Stresspegels." Dadurch sehe sie die Konflikte oftmals klarer. Die Pädagogin könne dann Lösungen anbieten, die den Eltern nicht aufgefallen und die in der konkreten Situation sinnvoll sind.

Ganz allgemein sollten sie nicht versuchen, ihre Sorgen vor den Kindern zu verstecken. "Kinder dürfen merken, dass Erwachsene nicht immer eine Lösung parat haben", sagt die Leiterin der Meißner Familienberatung. Die Eltern sollten aber immer vermitteln, dass es ein Danach gibt. Diese Zuversicht sei wichtig, um durch die Krise zu kommen. "Das geht jedoch nur, wenn sich Paare gegenseitig unterstützen und Freiräume schaffen." Wer 24 Stunden aufeinander hockt – da läuft nicht immer alles reibungslos.

Positiv an der Corona-Krise sei trotzdem, dass viele Eltern nun Zeit für ihre Kinder haben. "Erwachsene können das nutzen und sich gut organisieren. Je nachdem, wie alt das Kind ist, kann es auch mithelfen", rät Christina Pietzarka. So sollten gewohnte Tagesabläufe eingehalten werden, die die Kinder aus den Schulen oder Kitas kennen: mit Lern-, Pausen- und Spielzeiten. "Das gibt Sicherheit und Struktur." Hobbys müssen ebenso nicht leiden. "Wer zum Beispiel ein Musikinstrument lernt, muss damit nicht aufhören. Hier gilt es, gemeinsam kreative Lösungen zu finden." Zum Beispiel könnte man den Musiklehrer fragen, ob er auch per Videochat unterrichtet.

Kinder brauchen Antworten auf ihre Fragen

Gerade jetzt sind für viele Eltern Medien unverzichtbar, um die Kinder zu beschäftigen. Wenn dabei auf eine kind- und altersgerechte Nutzung geachtet wird und Zeiten vereinbart werden, ist das kein Problem. Doch Kinder sollten nicht den Erwachsenennachrichten allein ausgesetzt werden. "Natürlich sind sie neugierig und möchten die Welt verstehen. Eltern sollten ihnen deshalb die aktuelle Situation erklären", so die Diplom-Pädagogin. Das müssen sie nicht allein machen. So gibt es im Internet verschiedene Angebote, wie zum Beispiel logo.de, schau-hin.info oder klick-tipps.net. Bei Fragen der Kinder sollten Eltern diese ehrlich beantworten. Besonders bezüglich ihrer Ängste und Sorgen.

Auch hier gilt, Eltern müssen nicht alles wissen. Denn sie können momentan nur zwei Wochen im Voraus planen. "Das belastet natürlich, wenn die Zukunft so ungewiss ist", so Christina Pietzarka. Wie zum Beispiel, dass alle Spielplätze geschlossen sind oder Kinder ihre Freunde nicht sehen dürfen. Hier müsse man eine Perspektive vermitteln, dass sich die Situation irgendwann wieder ändert. "Wichtig ist nur, dass die Eltern Ruhe bewahren. Dann schaffen sie es. Sie sollten kein schlechtes Gewissen haben."

Wenn die Meißner Familienberatung nicht in der Corona-Krise berät, hilft sie Eltern bei trotzigen Kindern oder Jugendlichen in der Pubertät, bei Lern- und Leistungsproblemen oder bei Trennung und Scheidung. Dafür müssen Familien nicht zum Arzt oder zum Jugendamt gehen. Sie können einfach unter Telefon 03521 732010 anrufen oder eine E-Mail an [email protected] schreiben.

Zum Thema Coronavirus im Landkreis Meißen berichten wir laufend aktuell in unserem Newsblog.