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Wird Wohnen jetzt noch teurer?

Die geplante Reform der Grundsteuer schürt Ängste. Dresdens Finanzbürgermeister stellt eine Lösung in Aussicht.

Von Sandro Pohl-Rahrisch
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Ob Gorbitz oder Gruna: Alle Häuser und Grundstücke müssen neu bewertet werden. Das Resultat sehen auch Mieter in ihrer Nebenkostenabrechnung.
Ob Gorbitz oder Gruna: Alle Häuser und Grundstücke müssen neu bewertet werden. Das Resultat sehen auch Mieter in ihrer Nebenkostenabrechnung. © Veit Hengst

Mietpreise kennen in der Regel nur einen Weg – aufwärts. Gerechtfertigt wird das oft mit einer steigenden Nachfrage bei einem gleichzeitig knappen Wohnungsangebot, mit Sanierungen oder einfach nur der ortsüblichen, höheren Vergleichsmiete. Einigermaßen verlässlich war bislang die Grundsteuer, die Mieter anteilig mit der Miete und Eigenheimbesitzer direkt an die Stadt zahlen. Seit vielen Jahren wurde sie in Dresden nicht mehr erhöht. Das könnte sich jedoch bald ändern.

Müssen Mieter und Eigenheimbesitzer mit steigenden Kosten rechnen?

Das befürchten zumindest viele Grundstücksbesitzer. Denn die Berechnung der Grundsteuer muss grundlegend überarbeitet werden. Das Bundesverfassungsgericht hat letztes Jahr eine Reform gefordert. Es hält die bisherige Methode für verfassungswidrig. Denn Grundstücke werden im Osten Deutschlands nach den Immobilienwerten von 1935 besteuert, im Westen gilt das Jahr 1964 als Maß der Dinge. Seither haben viele Grundstücke jedoch an Wert gewonnen, weil sich beispielsweise in der Umgebung Supermärkte niedergelassen haben, Busse und Bahnen vor der Haustür halten oder die nächste Schule gut zu Fuß zu erreichen ist – kurzum, weil sich die Lage in den vergangenen 80 Jahren deutlich verbessert hat. Das Verfassungsgericht fordert deshalb eine Neuregelung.

Wie stark könnte die Grundsteuer denn steigen?

Das hängt von der neuen Berechnungsmethode ab. Wie diese aussieht, darüber ist sich der Bund zwar noch nicht im Klaren. Allerdings werden zwei Modelle diskutiert. Möglichkeit 1: Die Grundsteuer richtet sich allein nach der Grundstücksfläche und der Wohn- beziehungsweise Nutzfläche. Die Lage spielt keine Rolle. Zwischen gleichgroßen Immobilien in Bühlau und Gorbitz würde es quasi keine Unterschiede geben. Bayern und Hamburg favorisieren dieses Modell. Möglichkeit 2: In die Berechnung fließen neben den Flächen auch das Alter der Häuser, die Nettokaltmieten und der Bodenrichtwert ein. Das würde bedeuten, dass Eigentümer und Mieter in besseren Lagen und modernen Gebäuden auch mehr zahlen müssten. Sachsen etwa tendiert zu diesem Modell.

Ein Beispiel, das auf Berechnungen des Eigentümerverbandes „Haus & Grund“ basiert, verdeutlicht die Unterschiede: In Dresden steht ein gut 20 Jahre altes Einfamilienhaus. Das gesamte Grundstück ist 652 Quadratmeter groß, die Wohn- und Nutzfläche beträgt 344 Quadratmeter. Die ortsübliche Durchschnitts-Kaltmiete liegt bei 5,50 Euro pro Quadratmeter. Den Bodenrichtwert gibt die Stadt mit 200 Euro pro Quadratmeter an. Aktuell müsste der Eigentümer für sein Häuschen jährlich 573 Euro an Grundsteuer zahlen. Nach Modell 1, bei dem es nur nach Flächen geht, wären nur noch 520 fällig. Nach Modell 2 würden sich die Kosten dagegen fast verdoppeln. Die Grundsteuerreform lasse aber nichts Gutes ahnen, wenn steigende Mieten und steigende Bodenwerte einfließen, die oftmals nur spekulativ seien, sagt Christian Rietschel von „Haus & Grund“ in Dresden.

Wozu tendiert die Stadt? Was sagt sie zu den Befürchtungen?

Dresdens Finanzbürgermeister Peter Lames (SPD) sitzt für die sächsische Landeshauptstadt im Städte- und Gemeindetag, der die Interessen der sächsischen Kommunen vertritt. Eine Villa an der Goetheallee genauso hoch zu besteuern wie ein kleines Einfamilienhaus in der Klotzscher Einflugschneise würde eine Gerechtigkeitsdiskussion aufmachen, die die meisten Kommunen nicht wollten, so Lames. „Deshalb wollen wir eine wertabhängige Berechnung. Wir wollen, dass die stärkere Schulter mehr trägt.“ Die Befürchtungen von Grundstückseigentümern und Mietern kenne er. Dennoch sehe er derzeit eine „regelrechte Angstkampagne“ laufen, der man nur entgegentreten könne.

Warum? Sind die Befürchtungen denn nicht gerechtfertigt?

Lames betont, dass die Stadt ein entscheidendes Instrument habe, die Höhe der Grundsteuer zu beeinflussen und die möglichen Auswirkungen abzufedern. Der sogenannte Hebesatz, mit dem die Steuer multipliziert wird und den jede Kommune individuell festlegt, kann jederzeit gesenkt werden. „Das werden wir nicht nur können“, so Lames. „Das ist, so wie ich das wahrnehme, auch der feste Wille im Stadtrat, der Wille des Oberbürgermeisters und meiner ohnehin.“ Ziel sei es, dass Dresden nach der Reform nicht mehr, aber auch nicht weniger Grundsteuer einnehme als heute. Insgesamt sind das rund 79 Millionen Euro. Alles beim Alten also? Nein, die Verteilung wird schon eine andere sein, gerade das fordere das Bundesverfassungsgericht, so der Finanzbürgermeister. „Wessen Grundstück sich seit 1935 überdurchschnittlich entwickelt hat, wird am Ende etwas mehr zahlen.“ Und wessen Grund und Boden sich unterdurchschnittlich entwickelt habe, zahle etwas weniger.

Wie geht es jetzt weiter? Wann kommt die große Umstellung?

Bis zum Jahresende muss ein neues Modell auf den Weg gebracht werden. Wenn keine Einigung mit den Ländern gelingt, dürfen die Kommunen 2020 keine Grundsteuer mehr erheben. „Dann ist in Dresden Schluss mit lustig“, so Lames. „Wir haben überhaupt keine Vorstellung, wie wir diesen Verlust kompensieren könnten. Beim besten Willen nicht.“ Er gehe davon aus, dass ein Konsens gelinge. Dann hätte man vier Jahre Zeit, alles vorzubereiten. In Kraft treten würde die neue Grundsteuer 2025. Alle sieben Jahre sollen die Immobilien neu bewertet werden, damit so etwas wie jetzt nicht noch einmal passiert.

Wie hoch ist Ihre ortsübliche Vergleichsmiete? Hier geht es zum Online-Mietspiegel der Landeshauptstadt Dresden.

Wie hoch ist der Bodenrichtwert in Ihrer Gegend? Hier geht es zum Themenstadtplan der Landeshauptstadt Dresden.