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Wo Dampfmaschinen der letzte Schrei sind

Am Wochenende findet das bereits dritte Steampunk-Fest statt. Die Szene ist lebendig, hat jedoch ihre Eigenarten.

Von Maximilian Helm
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Das Meißner „Mit Zahnrad und Zylinder“-Festival ist für viele Besucher eine Gelegenheit in eine Rolle zu schlüpfen. Diese beiden Leipziger verwandelten sich im vergangenen Jahr in Graf Rufus und Gräfin Othelia von Parthenaue.
Das Meißner „Mit Zahnrad und Zylinder“-Festival ist für viele Besucher eine Gelegenheit in eine Rolle zu schlüpfen. Diese beiden Leipziger verwandelten sich im vergangenen Jahr in Graf Rufus und Gräfin Othelia von Parthenaue. © Andreas Weihs

Meißen. Dampfende Zylinder, zischende Miniatur-Gefährte und selbstgenähte Lederkleidung: Am Wochenende wird sich der Meißner Domplatz wieder in einen Ort der Kuriositäten verwandeln. Denn dann findet in Meißen das dritte „Mit Zahnrad und Zylinder“-Festival statt. Dort dreht sich alles um den „Steampunk“. Das ist eine weltweite Kunstbewegung, die in den 1980er Jahren aufkam und inzwischen tief in der Popkultur verankert ist.

Der Steampunk greift auf viele Elemente der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück, dem sogenannten Victorianischen Zeitalter. Vor allem Kleidung, aber auch die zahlreichen technischen Errungenschaften der Hochindustrialisierung werden aufgegriffen. So ist die Dampfmaschine ein sehr häufiges Element, ebenso wie Zylinder, opulente Brillengestelle und Zahnräder. 

Eine häufig auftauchende Figur ist zum Beispiel der russische Erfinder Nikola Tesla, den aufgrund seiner asketischen Lebensweise und seinen Selbstversuchen mit dem elektrischen Strom ein Mythos umrankt. Viele Steampunker bauen selbst dampfgetriebene- oder elektrische Maschinen, die sie bei Gelegenheit auch der Öffentlichkeit präsentieren.

Neugierigen Genrefremdlingen wird viel geboten. 
Neugierigen Genrefremdlingen wird viel geboten.  © F. Rose

Eine solche Gelegenheit ist das Meißner Festival, das im vergangenen Jahr 1 200 Besucher zählte. Die Idee dazu kam Organisatorin Jeannette Mahlow und ihrem Ehemann Jens vor vier Jahren. Beide wohnen auf dem Meißner Burgberg und setzen sich für die Erhaltung und Wiederbelebung des leerstehenden Kornhauses ein.

Da dieses auch optisch gut zum Steampunk passt, entschied sich das Ehepaar, eine Veranstaltung in dieser Richtung zu organisieren. Auch wenn beide vorher nicht viel mit dieser Kunstrichtung zu tun hatten, ein unbeschriebenes Blatt ist das Ehepaar Mahlow nicht: Beide haben jahrelang als Archäologen gearbeitet, haben eine große Affinität zur Geschichtswissenschaft und sind fasziniert von der Gründerzeit.

Doch etwas Vorbildung war erforderlich, insbesondere wenn es sich um solch eine eingeschworene Szene handelt. Also fingen sie an, regelmäßig den Steampunk-Stammtisch in Dresden zu besuchen. Dabei wurden ihnen allerlei Details klar: „Wenn man ein Zahnrad auf der Kleidung trägt, braucht es unbedingt eine Funktion“, sagt Jeannette Mahlow. Schlichte aufgenähte Elemente seien eine Erfindung des Mainstreams und verpönt. Das gleiche gilt für die Materialien. Hüte und Geräte werden aus Leder, Eisen oder meistens Holz gefertigt. „Wer Plastik verwendet, bekommt Ärger“, sagt Mahlow.

Neugierigen Genrefremdlingen wird viel geboten. 
Neugierigen Genrefremdlingen wird viel geboten.  © Jens Witschel

Doch auch wenn das Kornhaus der Stein des Anstoßes war, betreten werden kann es in diesem Jahr nicht. „2017 konnten wir das Festival teilweise in den Gewölben und Kellern des Kornhauses stattfinden lassen, das wurde uns dieses Jahr leider untersagt“, berichtet die Organisatorin und wirkt dabei etwas geknickt. Dafür verzichte man in diesem Jahr komplett auf den Eintritt.

Ganz freiwillig passiert das nicht. Der Grund ist, dass in der Albrechtsburg an diesem Wochenende Veranstaltungen stattfinden. Das Festivalgelände davon abzuzäunen und Sicherheitspersonal zu bezahlen, das den Durchgang regelt, wäre schlicht zu aufwendig gewesen. Dafür erhofft man sich in diesem Jahr einige Besucher mehr.

Denen wird in drei Tagen einiges geboten: Mehrere Künstler sind vor Ort und stellen ihre selbst gebauten Maschinen vor, die von dampfbetriebenen Eisenfiguren bis zu historischen Fotoapparaten reichen. Es treten Bands auf, die dem Stil des Festivals entsprechen und Folk spielen, aber auch moderne Elemente einfließen lassen.

Es wird außerdem einen Umzug, Kindertheater und eine Feuershow geben. Und es haben sich mehrere Gastronomen angekündigt. „Das ganze wird auch ein kleines Streetfood-Festival sein“, sagt Mahlow. Inhaltliche Nähe gibt es dabei ohnehin, denn auch Foodtrucks setzen immer mehr auf Plastikfreiheit in Gestalt von Holzgabeln und Waffel-Suppenschüsseln.

Das Programm des „Mit Zahnrad und Zylinder“-Festivals

Freitag: 16.00 Uhr: Eröffnung; 17.00 Uhr: Clockwork Animals; 18:30 Uhr: SISC; 20.00 Uhr: Heaven and Hell Trio; 22.15 Uhr: Clockwork Animals; 23.00 Uhr: Feuershow

Samstag: 10.00 Uhr: Festumzug; 11.00 Uhr: Salontrio Malheur; 12.30 Uhr: Albert Sisters; 13.30 Uhr: Feline & Strange; 15.00 Uhr: Salontrio Malheur; 16.00 Uhr: Wandertheater Schwalbe; 17.30 Uhr: Albert Sisters; 19.00 Uhr: Salontrio Malheur; 20.30 Uhr: Salontrio Malheur; 21.30 Uhr: Feuershow

Sonntag: 

10.30 Uhr: Oh Alter Knaben Herrlichkeit; 11.30 Uhr: Albert Sisters;  12.30 Uhr: Ina & Maximilian; 13.30 Uhr: Dic Mac Dooleys; 14.30 Uhr: Corina Liebmann & Band; 15.30 Uhr: Virginia Woodley Winterbottom 

Quelle: www.zahnrad-und-zylinder.de

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Damit das Festival stattfinden kann, helfen Sponsoren kräftig mit. „Die Meißner Schwerter Brauerei hilft uns finanziell“, sagt die Organisatorin, „und auch der Gewerbeverein ist mit dabei und stellt uns die beiden großen Bühnen bereit.“ Das hilft Haushalten – bei den ausbleibenden Eintrittsgeldern umso wichtiger.

„Viele beschweren sich, dass in Meißen nichts für junge Leute passiert“, sagt die 42-Jährige, „da tun wir etwas gegen“. Sie selbst wird am Wochenende aber kaum dazu kommen sich zu verkleiden oder die Attraktionen an den Ständen auszuprobieren. Zu viele kleine und große organisatorische Aufgaben werden anfallen.

Am Ende hofft sie auch, dass noch mehr Leute auf das leerstehende Kornhaus aufmerksam werden. Ihr größter Wunsch wäre es, in dem historischen Bau ein kulturelles Zentrum zu schaffen, mit Übernachtungsmöglichkeiten für Jugendliche und Vereinsräumen. „Wir können zwar allein nicht so viel ausrichten“, sagt sie, „aber steter Tropfen höhlt den Stein.“