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An der A17 in Sachsen: Stationäre Grenzkontrollen gestartet - erste Festnahme

Innenministerin Faeser hat den Weg freigemacht für Grenzkontrollen. An der A17 bei Breitenau ist die Polizei bereits seit Montagabend im Einsatz - mit ersten Erfolgen.

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Polizisten stehen  auf dem A17-Rastplatz "Am Heideholz" nahe der deutsch-tschechischen Grenze: In Sachsen gibt es jetzt Kontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien.
Polizisten stehen auf dem A17-Rastplatz "Am Heideholz" nahe der deutsch-tschechischen Grenze: In Sachsen gibt es jetzt Kontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien. © dpa/Sebastian Kahnert

Berlin/Dresden. Nur Stunden nach dem Einlenken von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) beim Thema stationäre Grenzkontrollen ist die Bundespolizei in Sachsen aktiv geworden. Am Montagabend gab es nach Angaben eines Sprechers den ersten Einsatz an der Autobahn A17 Prag-Dresden. "Es wird bereits heute Abend losgehen", sagte Axel Bernhardt kurz vor dem Start der Maßnahmen am Montag auf Anfrage von Sächsische.de.

Nachdem das Bundesinnenministerium grünes Licht für den Einsatz gegeben hatte, begannen die Beamten gegen 18 Uhr mit einer stationären Kontrolle an der A17 (Prag-Dresden).

Sämtliche Autofahrer, die aus Richtung Tschechien kommen, müssen jetzt einen sogenannten Geschwindigkeitstrichter mit reduziertem Fahrtempo passieren und werden dann in Höhe Breitenau auf den ersten Parkplatz auf sächsischem Gebiet umgeleitet. Laut Bernhardt waren zunächst Sichtkontrollen geplant, das heißt die Polizisten schauen in die Fahrzeuge und ziehen gegebenenfalls verdächtige Fahrzeuge zur näheren Kontrolle heraus.

Syrer vorläufig festgenommen

Schon kurz nach dem Start der Kontrollen dort sei den Beamten ein mutmaßlicher Schleuser ins Netz gegangen, hieß es von der Bundespolizei. Dabei handle es sich um einen Syrer, der versucht haben soll, sieben seiner Landsleute nach Deutschland zu bringen. Der Mann wurde vorläufig festgenommen, hieß es. Später seien zudem einige türkische Staatsbürger in einem Reisebus festgestellt worden. Auch ihnen fehlten gültige Einreisedokumente.

Außerdem griff die Bundespolizei zehn Menschen auf, die am Rand der A 17 zu Fuß in Richtung Kontrollstelle unterwegs waren, wie der Sprecher der Bundespolizeiinspektion Berggießhügel, Steffen Ehrlich, am Dienstag auf Anfrage sagte. Der Schleuser habe sie abgesetzt und sei mit seinem Fahrzeug geflohen. Die Migranten stammen nach eigenen Angaben aus Syrien.

Die Bundespolizei will die Auswirkungen für den grenzüberschreitenden Verkehr so gering wie möglich halten. Dennoch kam es nach Angaben eines dpa-Reportes am Dienstagmorgen am Grenzübergang Reitzenhain im Erzgebirge zu einem Rückstau. Dort wurde jeder Lastkraftwagen kontrolliert, jede Ladeklappe geöffnet.

Und auch in der Grenze zu Polen sind die Beamten seit dem Montagabend im Einsatz. Feste Kontrollen wurden beispielsweise in Zittau durchgeführt.

Auch in Zittau wurden am Montag stationäre Kontrollen an der Grenze zu Polen durchgeführt.
Auch in Zittau wurden am Montag stationäre Kontrollen an der Grenze zu Polen durchgeführt. © Danilo Dittrich/dpa

In den nächsten Tagen sollen dann weitere Kontrollpunkte aufgebaut werden, möglicherweise auch an der Görlitzer Stadtbrücke. "Grundsätzlich kommt jede Verkehrsverbindung über Land für eine stationäre Grenzkontrolle infrage, wir werden dies nicht genauer ankündigen, um einen möglichen Fahndungserfolg nicht zu gefährden", so Sprecher Bernhardt.

Sachsens Innenministerium überrascht von Ankündigung

Völlig überrascht von der plötzlichen Entwicklung wurde das sächsische Innenministerium. Dort habe man aus den Medien davon erfahren, dass die Grenzkontrollen in Sachsen schon am Abend beginnen, teilte ein Sprecher am Montag auf Sächsische.de-Anfrage mit.

"Diese multiple Gefährdungslage ist insgesamt so angespannt, dass es gerechtfertigt ist, parallel zum Notifizierungsverfahren in Brüssel unverzüglich mit den Grenzkontrollen zu beginnen", sagte Sachsens Innenminister Armin Schuster später am Abend gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

Stationäre Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz seien schon länger alternativlos, "spätestens aber seit den Anschlägen am 7. Oktober in Israel", so Schuster. "Wir befinden uns seit Monaten in einer sich zuspitzenden Sicherheitslage, bei gleichzeitig extrem hohem Migrationsdruck."

Faeser hatte nach langem Zögern nun doch stationäre Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz bei der EU-Kommission angemeldet. Nach Angaben ihres Ministeriums in Berlin begründete sie diesen Schritt mit der Begrenzung der irregulären Migration und einer noch stärkeren Bekämpfung der Schleusungskriminalität.

Von Anfang Januar bis Anfang Oktober hat die Bundespolizei laut Bundesinnenministerium etwa 98.000 unerlaubte Einreisen nach Deutschland festgestellt. Die Entscheidung werde zunächst für zehn Tage wirksam, die Notifizierung könne bis zu insgesamt zwei Monaten verlängert werden.

© dpa Grafik

Die Ministerin wies darauf hin, dass an den betroffenen Grenzübergängen auch künftig nicht rund um die Uhr jedes Fahrzeug angehalten werden soll. "Die Bundespolizei kann nun flexibel, je nach aktueller Lage das gesamte Bündel an stationären und mobilen grenzpolizeilichen Maßnahmen einsetzen", sagte Faeser. Ihr sei besonders wichtig, "dass sich die Kontrollen so wenig wie möglich auf den Alltag von Pendlern, auf den Handel und auf den Reiseverkehr auswirken".

Schleuser sind am Grenzübergang leichter zu schnappen

Faeser hatte erst vor wenigen Tagen verstärkte Kontrollen in der Nähe der östlichen Grenze angekündigt und dabei die Rechtsauffassung vertreten, dass die Bundespolizei dabei punktuell - etwa wenn man dort gerade eine Schleusung vermutet - auch direkt an der Grenze Fahrzeuge anhalten könne. Forderungen der CDU-Innenminister von Sachsen und Brandenburg, Armin Schuster und Michael Stübgen, nach stationären Kontrollen hatte sie unter anderem mit dem Argument zurückgewiesen, wer an der Grenze ein Asylbegehren äußere, könne in der Regel ohnehin nicht zurückgewiesen werden.

Schleuser sind mit Kontrollen direkt am Grenzübergang allerdings leichter zu schnappen als bei Kontrollen im Hinterland. Denn dort sind sie oft schon verschwunden, wenn die Polizei die zusammen mit ihnen irregulär eingereisten Menschen aufgreift. Oder es kommt zu Unfällen wie vergangene Woche, als ein mutmaßlicher Schleuser, vermutlich um der Entdeckung durch die Polizei zu entgehen, so stark beschleunigte, dass er die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor. Sieben Menschen starben bei dem Unfall in Bayern.

Zurückweisungen an Schengen-Binnengrenzen sind rechtlich nur dann zulässig, wenn zuvor die temporäre Wiedereinführung von Grenzkontrollen gegenüber der EU-Kommission notifiziert wurde. Zurückweisungen kommen aber nur in relativ wenigen Fällen zur Anwendung, etwa wenn ein Ausländer mit einer Einreisesperre belegt ist oder wenn er keinen Asylantrag stellt.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte in den vergangenen Monaten immer wieder stationäre Grenzkontrollen gefordert. Daran halte er fest, sagt er vergangene Woche nach seinem Besuch bei der Bundespolizei gegenüber der SZ.

Aus seiner Sicht „wäre es derselbe Aufwand wie jetzt, aber man kann direkt an der Grenze zurückschieben.“ Die Schwierigkeit: Äußert eine an der Grenze festgestellte Person ein Asylbegehren, muss zumindest zunächst eine Prüfung eingeleitet werden. Kretschmer plädiert dennoch dafür, jedes verfügbare Instrument zu nutzen. An dem Thema stationäre Grenzkontrollen sei „nichts Angenehmes“, aber er sehe sie als zwingend in der Situation, „die nicht mehr haltbar ist.“ Von Landkreisen über Kommunen bis zu Hilfsvereinen und Kirchen würden alle Stellen sagen, dass sie überlastet sind.

Geteiltes Echo in Sachsen

Im Freistaat verursachte die Ankündigung Faesers am Montag ein geteiltes Echo. Der Generalsekretär der Landes-CDU, Alexander Dierks, betonte: "Die Bundesinnenministerin schlägt endlich einen vernünftigen Weg ein, um die Zahlen illegaler Migration zu reduzieren."

Kritik kam dagegen von der sächsischen Europaabgeordneten der Grünen, Anna Cavazzini. Sie forderte die EU-Kommission auf, die Pläne nicht zu genehmigen. "Denn stationäre Grenzkontrollen aufgrund von Migrationsbewegungen verstoßen gegen EU-Recht", sagte Cavazzini. Es drohten nicht nur Staus. Offene Binnengrenzen seien eine große Errungenschaft der EU. Es brauche Solidarität unter Nachbarn und europäische Lösungen. Die Linkenabgeordnete Kerstin Köditz schrieb auf X (Ex-Twitter) mit Blick auf die stationären Kontrollen: "Nützen wird es wieder mal nur einer Partei: der AfD."

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Der Obmann der Grünen im Innenausschuss des Bundestages, Marcel Emmerich, kritisierte die Entscheidung der Ministerin, sowohl inhaltlich als auch von der öffentlichen Kommunikation her. Er sagte: "Das lange Hin und Her der Ministerin hat auch bei mir für viel Irritationen gesorgt." Stationäre Grenzkontrollen seien eine "Scheinlösung".

Der tschechische Innenminister Vit Rakusan zeigte Verständnis für die deutsche Entscheidung. Er rechne nach einem Gespräch mit Faeser damit, dass die Grenzkontrollen stichprobenartig erfolgen, ähnlich wie die tschechischen Kontrollen an der Grenze zur Slowakei, schrieb der konservative Politiker auf der Plattform X (vormals Twitter). "Das Ziel ist - genauso wie bei uns - ein effektiver Kampf gegen die Schleuser", betonte Rakusan.

Tschechiens Premierminister Petr Fiala sagte am Montag zudem der Nachrichtenagentur ČTK, dass Tschechien über die Maßnahmen bereits im Vorfeld informiert wurde. Gegenüber dem tschechischen Radiosender "Radiožurnál" zeigte der Regierungschef Verständnis und betonte, dass die deutschen Maßnahmen nicht gegen die Tschechische Republik an sich seien, sondern derzeit nicht anderweitig bilateral gelöst werden könnten.

Faeser: "Schnellstmöglich zurück zu Binnengrenzen, an denen wir nicht kontrollieren müssen"

Obwohl im Schengen-Raum eigentlich das Prinzip der offenen Binnengrenzen gilt, haben aktuell mehrere Staaten Grenzkontrollen notifiziert. Frankreich hat etwa unter Verweis auf Terror-Risiken und irreguläre Migration über die zentrale Mittelmeerroute und die sogenannte Balkanroute Kontrollen an seinen Grenzen zu Belgien, Luxemburg, Deutschland, Italien, Spanien und der Schweiz beantragt. Die Franzosen kontrollieren aber nicht überall rund um die Uhr, sondern eher punktuell und lageangepasst. So ähnlich soll es künftig auch an den Grenzen Deutschlands zu Tschechien, Polen und der Schweiz laufen.

"Klar ist auch: Wir wollen schnellstmöglich zurück zu Binnengrenzen, an denen wir nicht kontrollieren müssen", betonte Faeser. Dafür sei es notwendig, die Verhandlungen zu einer Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems mit einem umfassenden EU-Außengrenzschutz erfolgreich abzuschließen.

Von Anfang Januar bis Ende September haben in Deutschland 233.744 Menschen erstmals einen Asylantrag gestellt, rund 73 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Viele Kommunen sehen sich, was die Unterbringung, Versorgung und Integration der Geflüchteten angeht, an der Belastungsgrenze - auch weil seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 mehr als eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine nach Deutschland gekommen sind. Diese müssen keinen Asylantrag stellen. (dpa/SZ/ale)