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Angriff auf Franziska Giffey in Berlin: Polizei identifiziert Verdächtigen

Die Übergriffe auf Politiker werden häufiger: Die frühere Familienministerin Franziska Giffey ist in Berlin attackiert und verletzt worden. Die Behörden können den Verdächtigen, eine 74 Jahre alten Mann, schnell identifizieren.

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Franziska Giffey (SPD) ist am Dienstag in Berlin attackiert worden, nahm am Mittwoch aber wieder Termine wahr.
Franziska Giffey (SPD) ist am Dienstag in Berlin attackiert worden, nahm am Mittwoch aber wieder Termine wahr. © dpa/Christoph Soeder

Berlin. Diesmal traf der Angriff eine bundesweit bekannte Politikerin, die bereits Bundesministerin und Regierungschefin in Berlin war.

Ein Mann schlug der Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) am Dienstagnachmittag bei einem Termin in einer Bibliothek ohne Vorwarnung mit einem Beutel auf den Kopf und verletzte sie leicht. Die Polizei arbeitete dann offenbar schnell. Der mutmaßliche Täter sei inzwischen identifiziert worden, sagte eine Sprecherin der Berliner Staatsanwaltschaft am Mittwoch.

Bei dem 74-Jährigen gebe es "Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung", teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Der Mann ist bei der Polizei bereits bekannt, es gebe Erkenntnisse aus dem Bereich der Hasskriminalität, hieß es weiter. "Die Ermittlungen zu dem Motiv des Beschuldigten, das dem gestrigen Angriff zugrunde liegt, dauern jedoch an."

Wegen der möglichen psychischen Krankheit prüft die Staatsanwaltschaft nun, ob sie beantragt, den Verdächtigen in ein psychiatrisches Krankenhaus einzuweisen. Der Beschuldigte sollte noch am Mittwoch einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden. Die Wohnung des Mannes wurde durchsucht.

Giffey: "Plötzlich habe ich einen harten Schlag an Kopf und Nacken gespürt"

Giffey selbst äußerte sich zu dem Angriff auf sie erschreckt und negativ überrascht. Die Bibliothek im Süden Berlins im Stadtteil Rudow sei für sie aus alter politischer Verbundenheit ein sehr besonderer Ort, für den sie sich immer eingesetzt habe. "Dass ich dort einmal angegriffen werden würde, hätte ich nie für möglich gehalten", teilte Giffey am Mittwoch auf Instagram mit. Die Leiterin der Bibliothek habe ihr am Dienstagnachmittag das aktuelle Programm erklärt. "Auf dieses Gespräch konzentriert habe ich plötzlich von hinten einen harten Schlag an Kopf und Nacken gespürt. Ein Mann hatte mich mit einem Beutel, gefüllt mit hartem Inhalt, attackiert."

Giffey schrieb weiter: "Nach dem ersten Schreck kann ich sagen, es geht mir gut." Sie werde ihre Arbeit am Mittwoch unbeirrt fortsetzen. "Dennoch besorgt und erschüttert mich die sich verstärkende "Freiwildkultur" mit der Menschen, die sich politisch in unserem Land einsetzen und engagieren, immer häufiger vermeintlich gerechtfertigten und hinzunehmenden Angriffen ausgesetzt sind." In der politischen Auseinandersetzung gebe es eine klare Grenze. "Und das ist Gewalt gegen Menschen, die eine andere Auffassung vertreten, aus welchen Gründen auch immer, in welcher Form auch immer." Diese Angriffe seien durch nichts zu rechtfertigen. "Sie sind eine Grenzüberschreitung, der wir uns als Gesellschaft entschieden entgegenstellen müssen", schrieb Giffey.

Die Polizei hatte in der Nacht zu Mittwoch mitgeteilt, Giffey habe sich "kurzzeitig zur ambulanten Behandlung der Kopf- sowie Nackenschmerzen in ein Krankenhaus begeben". Der Angreifer habe sich nach der Tat entfernt. Der für politische Straftaten zuständige Staatsschutz der Kriminalpolizei ermittelt.

Der Tatort liegt in Giffeys Wahlkreis. Sie war Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln, wurde dann Bundesfamilienministerin, nach dem Entzug ihres Doktortitels trat sie 2021 zurück und wechselte wieder zurück in die Landespolitik, wo sie bis 2023 Regierende Bürgermeisterin war.

Blick auf die Gertrud-Haß-Bibliothek in Rudow: Hier wurde die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey leicht verletzt.
Blick auf die Gertrud-Haß-Bibliothek in Rudow: Hier wurde die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey leicht verletzt. © dpa/Carsten Koall

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) verurteilte den tätlichen Angriff "aufs Schärfste". Er teilte mit: "Wer Politikerinnen und Politiker angreift, greift unsere Demokratie an. Das werden wir nicht hinnehmen. Wir werden uns jeder Form von Gewalt, Hass und Hetze entgegenstellen und unsere Demokratie schützen." Im Senat werde über Konsequenzen beraten werden, auch über härtere Strafen für Angriffe auf Politiker.

Auch weitere Politiker und Parteien schlossen sich dem an und sicherten Giffey ihre Unterstützung zu. Die Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP) erklärte: "Die Attacken auf Mandatsträger haben in den letzten Jahren immer mehr zugenommen, im Social Media werden Hasskommentare abgegeben und mittels verbaler Gewalt der Nährboden für körperliche Gewalt gelegt. Statt Meinungen auszutauschen und sich Argumenten zu stellen, wird heute gehetzt und zugeschlagen." Dies scheine mittlerweile längst Normalität, dürfe aber nicht sein.

Am Dienstag hatten sich die deutschen Innenminister in ihrer Sondersitzung für einen besseren Schutz politisch engagierter Menschen und auch für eine Verschärfung des Strafrechts ausgesprochen. Hintergrund waren die jüngsten Übergriffe auf Politiker und ehrenamtliche Helfer im Wahlkampf zur Europawahl am 9. Juni.

Am Freitag vergangener Woche war der SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden von vier jungen Männern zusammengeschlagen worden. Das Landeskriminalamt Sachsen rechnet zumindest einen mutmaßlichen Täter dem rechtsradikalen Spektrum zu. Am Dienstagabend folgte die nächste Attacke in Dresden: Eine 47 Jahre alte Grünen-Politikerin wurde beim Aufhängen von Wahlplakaten von zwei Personen angegriffen. (dpa)