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Bundesregierung finanziert Seenotretter weiter

Erst am Freitag lässt der Bundeskanzler durchblicken: Er distanziert sich von der öffentlichen Finanzierung der Seenotrettung. Wenig später gibt es Berichte, das Geld könne gestrichen werden.

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De Seenotrettungs-Organisationen SOS Humanity und Sea-Eye (Foto) sollen auch 2024 noch finanzielle Unterstützung bekommen.
De Seenotrettungs-Organisationen SOS Humanity und Sea-Eye (Foto) sollen auch 2024 noch finanzielle Unterstützung bekommen. © Pavel D. Vitko/Sea Eye/dpa

Berlin. Die Bundesregierung plant die Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer auch in den kommenden Jahren finanziell zu unterstützen - trotz der zurückhaltenden Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz. "Das Auswärtige Amt setzt den Auftrag des Bundestags zur Förderung ziviler Seenotrettung mit Projekten an Land und auf See um", teilte ein Sprecher des - von den Grünen geführten - Auswärtigen Amtes der Deutschen Presse-Agentur am Samstag mit. Anderslautende Berichte seien nicht korrekt.

"Aufgrund eines technischen Versehens ist im derzeitigen Entwurf des Haushaltsplans 2024 die explizite Veranschlagung der entsprechenden Haushaltsmittel zunächst nicht erfolgt", erklärte der Sprecher. Es sei schon seit einigen Wochen geplant, diesen Fehler zu korrigieren. Weiter hieß es: "Auch für die Jahre 2024 bis 2026 ist eine Förderung der Seenotrettung mit Verpflichtungsermächtigungen des Bundestages vorgesehen. Diese werden wir umsetzen."

Erst am Freitag hatte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) von der öffentlichen Finanzierung der Seenotrettung von Flüchtlingen durch Hilfsorganisationen distanziert. Auf einer Pressekonferenz nach dem informellen EU-Gipfel in Granada betonte er, dass die Gelder vom Bundestag und nicht von der Bundesregierung bewilligt worden seien. "Ich habe den Antrag nicht gestellt", sagte er. Auf die Nachfrage, was denn seine persönliche Meinung dazu sei, fügte er hinzu: "Das ist die Meinung, die ich habe, dass ich den Antrag nicht gestellt habe. Und ich glaube, das ist auch unmissverständlich."

Zivile Seenotrettung dürfe nicht behindert werden

Zuvor hatte sich Scholz am Rande des Gipfels mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni getroffen, die sich vor wenigen Tagen in einem Brief an den Kanzler über die Finanzierung beschwert hatte. Die Hilfen hatten auch die Verhandlungen über eine Reform des europäischen Asylsystems belastet.

Rom betrachtet es als Einmischung in inneritalienische Angelegenheiten, dass die Bundesregierung Hilfsorganisationen fördern will, die sich nicht nur im Mittelmeer, sondern auch auf italienischem Boden um Migranten kümmern.

Die stellvertretende Juso-Vorsitzende Sarah Mohamed bezeichnete die zivile Seenotrettung als einen "Stützpfeiler unserer humanitären Verantwortung". Mit Blick auf Scholz' Äußerungen sagte sie der Deutschen Presse-Agentur: "Dass die Haltung des Bundeskanzleramtes dazu nun ins Wanken kommt, weil Rechtsradikale sich über das Retten von Menschenleben beschweren, ist ein katastrophales Zeichen."

Man habe aus gutem Grund im Koalitionsvertrag festgehalten, dass die zivile Seenotrettung nicht behindert werden dürfe, sagte Mohamed. Auch der SPD-Parteivorstand habe erst im Juni erneut eine Unterstützung ziviler Seenotrettung beschlossen. "Wir erwarten, dass der Beschluss des Haushaltsausschusses, acht Millionen Euro für zivile Seenotrettung bereitzustellen, auch genau so umgesetzt wird und langfristig mindestens eine Verstetigung der Mittel erfolgt"

Auch die Grünen-Politikerin Jamila Schäfer sieht keine Veranlassung, die geplanten Ausgaben für die zivile Seenotrettung zu streichen. "In diesem Land ist der Bundestag der Gesetzgeber - das gilt, und das ist gut so", sagte Schäfer, die Mitglied des Haushaltsausschusses des Bundestages ist, am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. "Ein parlamentarischer Beschluss kann nicht durch Pressearbeit ausgehebelt werden."

Nach Angaben des Auswärtigen Amts haben drei Organisationen vom Bund Zusagen für die Seenotrettung und Versorgung von Migranten in Italien bekommen. Insgesamt stünden für das laufende Jahr zwei Millionen Euro zur Verfügung. Erste Auszahlungen sollten an ein Projekt der christlichen Gemeinschaft Sant'Egidio zur Versorgung von Geretteten an Land gehen, weitere Mittel an die Seenotrettungs-Organisationen SOS Humanity und Sea-Eye. Es handele sich jeweils um Summen zwischen 300.000 und 800.000 Euro.

Wie uneins die Ampel-Regierung in dieser Sache ist, zeigt die Reaktion des FDP-Fraktionschefs Christian Dürr. "Ich teile die Auffassung des Bundeskanzlers, dass deutsches Steuergeld keinen Beitrag zum perfiden System der Schleuserkriminalität leisten sollte", teilte Dürr der dpa mit.

Der Deutsche Bundestag als Haushaltsgesetzgeber werde sich damit in den kommenden Wochen befassen. "Unser gemeinsames Ziel muss eine europäische Lösung sein", betonte Dürr. "Deutschland hat sich richtigerweise dafür starkgemacht, dass Asylverfahren in Zukunft an den europäischen Außengrenzen stattfinden. Die Flucht über das Mittelmeer muss unterbunden werden, denn sie ist unmenschlich." (dpa)