SZ + Riesa
Merken

"Wir machen alles besser!"

So viele Kandidaten wie noch nie wollen für den Wahlkreis Meißen in den Bundestag. Theresa Bergmann tritt für Die Partei an - ohne falsche Bescheidenheit.

Von Christoph Scharf
 4 Min.
Teilen
Folgen
Die kommende Bundeskanzlerin? Theresa Bergmann aus Coswig tritt für die Satirepartei Die Partei an.
Die kommende Bundeskanzlerin? Theresa Bergmann aus Coswig tritt für die Satirepartei Die Partei an. © Claudia Hübschmann

Meißen. So geht Seriosität: hellblaues Oberhemd, graues Sakko, knallrote Krawatte. In diese Kluft wirft sich Theresa Bergmann, wenn sie als Bundestagskandidatin auftritt. So sieht man die 32-Jährige bald auf den Wahlplakaten, die ihre Parteifreunde in Meißen schon auf Pappen geleimt haben: Helmpflicht für Fußgänger fordert sie darauf, Fachkräfteimport aus Rumänien, Kompetenz ins Kanzleramt. Auf letzterem Motiv ist Theresa Bergmann zu sehen, wie sie konzentriert bunte Klötzchen in ein Spielzeughaus stapelt. Auf dem Plakat mit rumänischen Fachkräften ist dagegen ein Mischlingshund in einem Bananenkarton abgebildet.

Wer es noch nicht gemerkt hat: Das ist Satire. Als Satirepartei lässt sich Die Partei bezeichnen, nicht aber als Spaßpartei. "Das ist doch die FDP", sagt die Coswigerin. Die Partei selbst bezeichnet sich bei Facebook als "Turbopartei neuesten Typs: vollkommen inhaltslos und grenzenlos korrupt". Ohnehin spielt sich das Parteileben stark in den sozialen Medien ab. Würde das Wahlergebnis nach der Zahl der Social-Media-Abonnenten ermittelt, läge Die Partei unter den Kleinparteien mit Abstand vorn: Auf 830.000 Abonnenten kommt Die Partei - das ist fast doppelt so viel, wie alle Abonnenten von Piraten, NPD, Tierschutzpartei, Freie Wähler und ÖDP zusammen - das hat der TV-Sender Phoenix errechnet.

Das sagt Bundestagskandidatin Theresa Bergmann (Die Partei) zu ihren Konkurrenten im Wahlkreis Meißen …

Sebastian Fischer (CDU)? „Besser nicht!“

Barbara Lenk (AfD)? „Da bin ich sprachlos.“

Stephanie Dzeyk (SPD)? „Die darf sich gern an mich dranhängen.“

Johannes Schmidt-Ramos (FDP)? „Ein lustiger Typ. Der ist richtig bei der einzig wahren Spaßpartei!“

Markus Pohle (Linkspartei)? „Kenne ich nicht.“

Karin Beese (Grüne)? „Wir haben schon viel Grün in Meißen. Muss reichen.“

Steffen Förster (ÖDP)? „Mit Kleinstparteien habe ich gar nichts am Hut.“

André Langerfeld (Freie Wähler)? „Der wollte mal mit uns koalieren. Kam aber nie wieder.“

1 / 9

Aber tatsächlich spielt sich die Politik vor allem in den Mühen der Ebene ab. Auch Die Partei musste einen realen Kreisparteitag abhalten, um ihren Bundestagskandidaten für den Wahlkreis Meißen zu küren. "Vier wollten es werden", sagt Theresa Bergmann. Weil es im ersten Wahlgang keine absolute Mehrheit gab, waren zwei Wahlgänge nötig, am Ende kürten die knapp 20 Anwesenden die gelernte Ergotherapeutin, die auch mal Soziologie studiert hat.

Um zugelassen zu werden, musste Theresa Bergmann Unterstützerunterschriften sammeln. "Eigentlich hätten es 200 sein müssen, aber wegen der Corona-Auflagen wurde die Zahl auf 50 zusammengekürzt." Mehrfach waren die Mitstreiter sammelnd unterwegs, die Kandidatin fragte auch Kumpel, Kollegen, die Oma. Und: Haben alle unterschrieben? "Nein!", sagt sie lachend.

Mit diesen Plakaten geht Die Partei im Wahlkreis Meißen in den bevorstehenden Bundestagswahlkampf.
Mit diesen Plakaten geht Die Partei im Wahlkreis Meißen in den bevorstehenden Bundestagswahlkampf. © Claudia Hübschmann

Die Partei ist im Landtag nicht vertreten; im Bundestag sitzt ein früherer Sozialdemokrat, der zur Partei gewechselt ist, prominentestes Gesicht ist Parteichef Martin Sonneborn. Der frühere Chef des Satire-Magazins Titanic sitzt seit 2014 im Europaparlament. Vor Ort fallen die Wahlergebnisse überschaubar aus: 1,6 Prozent waren es bei der letzten Landtagswahl in Sachsen, 0,98 Prozent bei der Bundestagswahl 2017. Das verschaffte der Partei im Jahr 2020 insgesamt gut 780.000 Euro staatliche Zuschüsse. Peanuts im Vergleich zu CDU und SPD - die kommen jeweils auf mehr als 50 Millionen Euro.

Da ist das Budget vor Ort überschaubar - und ehrenamtliche Arbeit gefragt. Helfer für die Plakatierung werden mit Bratwurst gelockt. Dabei nähme man doch gern Spenden von der Wirtschaft entgegen, egal von wem. 400 Plakate im Landkreis seien für Die Partei erlaubt. Soviel werde man aber wohl nicht schaffen - weil die ja auch jemand aufhängen muss. "Wir ködern Helfer mit Freibier", sagt Theresa Bergmann. Ohnehin möchte man die Meißner Schwerter-Brauerei verstaatlichen.

Dafür will die Kandidatin gern Bundeskanzlerin werden. Solange arbeitet sie noch an der Oberschule Ebersbach als Inklusionsassistentin - eine Art pädagogische Mitarbeiterin. Auch eine ihrer politischen Forderungen bezieht sich auf Bildung: Schulen und Schüler sollten sämtlich mit Faxgeräten ausgestattet werden: Das sei stabiler als das Internet auf dem flachen Land. Außerdem lässt sie groß "Oor nee!" plakatieren. "Damit beziehen wir Stellung zu eigentlich allen Themen. Wir machen nämlich alles besser!"

Und weil Frauen in Politik und Gesellschaft noch immer benachteiligt seien, lautet einer ihrer Slogans "Menstruation verstaatlichen!". In der Region wolle man den Meißner Burgberg als Raketenstützpunkt umfunktionieren, Radebeul in Karl-May-Stadt umbenennen, Riesa zu einem großen Freiluft-Tierpark mit Nazis drin machen. Und für die geplante Cannabis-Produktion in Ebersbach wünsche man sich einen Werksverkauf.

Und welche Koalition strebt Die Partei an, falls es nicht mit einer Alleinregierung klappt? "Aus Unterhaltungsgründen könnte man die SPD dazu nehmen", sagt Theresa Bergmann. Grundsätzlich nehme man aber jeden als Steigbügelhalter an. Wahlkampfauftritte seien im Elbetierpark Hebelei geplant. Und für Tiere engagiert sich die kinderlose 32-Jährige ohnehin: Sie hat zwei Straßenhunde aus Rumänien und vermittelt Hunde aus einem rumänischen Tierheim. Bei diesem Thema wird sogar die Kandidatin einer Satirepartei ganz ernsthaft.