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Sachsens Wegwerf-Wahnsinn

Millionen Tonnen Lebensmittel landen jedes Jahr im Müll. Was unternimmt die sächsische Regierung dagegen?

Von Luisa Zenker
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In Deutschland landen mehr als die Hälfte der weggeschmissenen Lebensmittel in den Mülleimern privater Haushalte.
In Deutschland landen mehr als die Hälfte der weggeschmissenen Lebensmittel in den Mülleimern privater Haushalte. © Jan Woitas/dpa

Wie viele Lebensmittel landen jedes Jahr im Müll?

Knapp 12 Millionen Tonnen Lebensmittel wurden in Deutschland im Jahr 2015 weggeworfen. Die größten Verschwender sind aber nicht Supermärkte oder Restaurants: Mehr als die Hälfte der weggeschmissenen Lebensmittel landen in den Mülleimern privater Haushalte. 30 Prozent werden innerhalb der Landwirtschaft sowie Weiterverarbeitung entsorgt. Ein Viertel der weggeworfenen Lebensmittel ist auf Restaurants und Hotels zurückzuführen.

Am wenigsten, aber auch hier handelt es sich noch um 500 Tonnen Essensreste, wird im Supermarkt entsorgt. Dem sächsischen Umweltministerium zufolge hätte die Hälfte der Lebensmittelabfälle vermeidbar sein können. Obwohl die Bundesregierung anstrebt bis 2030 die Abfallmengen zu halbieren, wurden seitdem keine aktuellen Zahlen veröffentlicht, auch für Sachsen gibt es bisher keine genaue Erhebung.

Warum werden so viele Lebensmittel weggeschmissen?

Falsche Interpretation des Mindesthaltbarkeitsdatums, Produktschäden beim Transport, falsche Lagerung im Supermarkt, schlechte Planbarkeit im Restaurant. "Die Problematik des Wegwerfens von Lebensmitteln erstreckt sich entlang der kompletten Wertschöpfungskette, angefangen vom Erzeuger bis hin zum Endverbraucher", erklärt Oliver Rittweger, Sprecher vom sächsischen Umweltministerium. Und auch im privaten Haushalt scheitere es oft an der Planbarkeit und richtigen Lagerung. Ein weiterer Grund sei die geringe Wertschätzung für Lebensmittel.

Was macht Sachsens Regierung dagegen?

30.000 Euro gegen die Lebensmittelverschwendung: So viel hat die sächsische Landesregierung in den vergangenen Jahren in das Thema gesteckt. Da die größte Gruppe der Wegwerfer im privaten Haushalt zu finden ist, setzen Sachsens Politiker besonders auf Bildungsarbeit. Wie kann man Obst und Gemüse haltbar machen? Welche Rezepte gibt es, um Reste zu verwerten?

Auch in Schulen und Kitas werden Seminare sowie Kochabende für die zukünftige Generation organisiert, damit die Lebensmittel wertgeschätzt werden. Hier kooperiert die Regierung mit regionalen Initiativen wie dem Christlichen Sozialen Bildungswerk Sachsen. Damit schließt sich Sachsen der vom Bund beschlossenen nationalen Strategie "Zu gut für die Tonne!" an. Auf der dazugehörigen Internetseite stellt die Behörde Rezepte zum Resteverwerten zusammen. Zudem vergibt das Ministerium an innovative Projekte den "Zu gut für die Tonne!"-Bundespreis.

Was könnte die sächsische Regierung noch tun, um gegen die Lebensmittelverschwendung vorzugehen?

Die Debatte über die Essensreste hat im Landtag Fahrt aufgenommen. Die Koalition aus CDU, SPD und Bündnis 90/Grüne bat die Landesregierung um eine Stellungnahme. In der Antwort berichtet das Umweltministerium von sachsenweiten Projekten gegen die Lebensmittelverschwendung.

Den Oppositions-Parteien geht die sächsische Regierung hier nicht weit genug. „Auffällig an der Antwort ist, dass auf Bildungsangebote gesetzt wird, wo sich praktisch nicht viel verändert", sagt Linken-Abgeordneten Antonia Mertsching. Sachsen müsse sich auch beim Bund dafür stark machen, Supermärkte zu verpflichten, abgelaufene Lebensmittel zu spenden. Auch das sogenannte Containern dürfe nicht länger eine Straftat bleiben. "Der gnadenlose Preiskampf und das Verramschen von Lebensmitteln durch den Handel, haben ihre Spuren hinterlassen", sagt Jörg Dornau, landwirtschaftspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion. Er fordert, eine bedarfsgerechte Produktion für regionale Märkte.

Was kann die Landwirtschaft tun, um weniger Lebensmittel wegzuschmeißen?

Beinahe ein Viertel der weggeworfenen Lebensmittel ist auf die Landwirtschaft zurückzuführen. Manfred Uhlemann vom sächsischen Bauernverband weist diese Kritik von sich: "Es gibt in keinem Landwirtschaftsbetrieb riesige Abfall- oder Biotonnen." Die hohen Prozentangaben könnten sich nur auf verkaufsunfähige Produkte beziehen. Er nennt Wetterschäden oder Krankheitsfälle in der Viehwirtschaft und kritisiert den Handel. Durch festgelegte Standardgrößen im Supermarkt sei manche Kartoffel zu klein oder Möhre zu krumm für die Läden. Es werde aber nichts weggeworfen, sondern als Viehfutter oder Dünger genutzt.

Der Landesvorsitzende Felix Ekardt, von der Umweltorganisation BUND, sieht Handlungsbedarfe. Lebensmittel würden zu billig verkauft werden. Nötig wäre eine Verknappung und damit Verteuerung der Grundstoffe in der Landwirtschaft auf EU-Ebene. Seien das tierische Produkte, Pestizide und fossile Brennstoffe, die beispielsweise für die Düngung eine zentrale Rolle spielen. "Dann würde auf allen Ebenen endlich vernünftig mit Lebensmitteln umgegangen."

Was können Restaurants und Supermärkte tun, um gegen die Lebensmittelverschwendung vorzugehen?

„Es gibt schon einige Restaurants, Kantinen und Bäckereien, die ab einer bestimmten Uhrzeit gar nichts Neues mehr in die Auslage bringen, ihre übrigen Lebensmittel zum halben Preis oder kostenfrei bei Abholung abgeben." sagt Linken-Abgeordneten Antonia Mertsching. Sie schlägt vor, dass noch mehr Unternehmen die nicht-verkauften Lebensmittel an Tafeln, Obdachlosen-Initiativen oder Foodsharing-Netzwerke spenden sollten.

Die sächsischen Tafeln nahmen im vergangenen Jahr 535 Tonnen Lebensmittelspenden von Restaurants und Discountern entgegen. In Frankreich ist das Wegwerfen von Lebensmittel seit zwei Jahren verboten. Dort werden Supermärkte mit Geldstrafen belegt, wenn sie dagegen verstoßen.

Was kann jeder einzelne tun, um weniger Lebensmittel wegzuwerfen?

Die sächsische Verbraucherzentrale hat drei Tipps, um auch in der eigenen Küche weniger wegzuwerfen. Erstens Einkaufszettel schreiben, und somit besser planen. Zweitens Obst und Gemüse richtig lagern und regelmäßig kontrollieren. Drittens das Mindesthaltbarkeitsdatum ist nur ein Richtwert. "Sie sind meist nach sorgfältiger Prüfung noch essbar", sagt Birgit Brendel von der Verbraucherzentrale.