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Tüv und Dekra sollen Monopol auf Führerscheinprüfung abgeben

Der TÜV-Verband verteidigt sich gegen die Kritik an langen Wartezeiten auf die Fahrprüfung. Gleichzeitig werden die Forderungen nach einer Reform der Fahrerlaubnisprüfung laut.

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Fahrschulen bringen wieder mehr Fahranfängern die Verkehrsregeln bei. Allerdings führt das zu Staus bei den Prüfungen.
Fahrschulen bringen wieder mehr Fahranfängern die Verkehrsregeln bei. Allerdings führt das zu Staus bei den Prüfungen. © Jan Woitas/dpa

Von Jana Kugoth

Obwohl das Auto im Verdacht steht, vor allem für jüngere Menschen an Bedeutung zu verlieren, ist das Interesse am Führerschein ungebrochen, zeigt eine Auswertung des TÜV-Verbands. Nach der Corona-Delle hat die Zahl der Führerscheinprüfungen wieder nahezu das Niveau von 2019 erreicht. „Der Trend der Vor-Corona-Jahre zu immer mehr Fahrprüfungen setzt sich fort“, sagte Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Gleichzeitig steigt allerdings die Anzahl derer, die die Prüfungen in Theorie oder Praxis nicht bestehen.

In den ersten drei Quartalen dieses Jahres legten laut Zahlen der Prüfgesellschaften TÜV und Dekra 1,31 Millionen Menschen eine Führerscheinprüfung ab. Im Gesamtjahr 2019, dem Jahr vor Ausbruch der Pandemie, waren es 1,74 Millionen. 2020 und 2021 waren die Zahlen gesunken.

Einen Anstieg verzeichnete der Verband allerdings bei der Durchfallquote. 43 Prozent haben die praktischen Prüfungen für den normalen Autoführerschein im vergangenen Jahr nicht bestanden. Das sind sechs Prozentpunkte mehr als noch 2013. Bei den Theorieprüfungen ging es im selben Zeitraum um acht Prozentpunkte nach oben – von 29 auf 37 Prozent. Der TÜV-Verband bezieht sich dabei auf Statistiken des Kraftfahrt-Bundesamtes.

Verkehrserziehung mehr in den Mittelpunkt stellen

Als Grund dafür sieht TÜV-Verband-Geschäftsführer Joachim Bühler eine gesellschaftliche Entwicklung. Viele Fahrschüler:innen kämen schlecht vorbereitet in die Führerscheinprüfungen, sagte Bühler: „Die Fahrprüfung ist nur das letzte Glied in einer Kette.“ Er plädierte dafür, die Verkehrserziehung wieder mehr in den Mittelpunkt zu stellen. Diese sei „eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und darf in den Schulen nicht mit der Fahrradprüfung in der vierten Klasse enden“.

In den wieder steigenden Prüfungszahlen sieht der Verband einen Beleg dafür, dass das System für die Fahrerlaubnisprüfung „robust“ sei und beibehalten werden müsse. Eine Umfrage habe ergeben, dass die Bürger damit zufrieden seien.

Aktuell regelt Paragraf 10 des Kraftfahrsachverständigengesetzes (KfSachvG) bundesweit, dass ein Bundesland jeweils nur eine Technische Prüfstelle beauftragen darf. Der TÜV teilt sich diese Aufgabe mit der Dekra. Je nach Bundesland führt entweder die eine oder die andere Organisation den Auftrag aus. Die Ampel-Regierung hat sich im Koalitionsvertrag zuletzt vorgenommen, die Führerscheinprüfung in dieser Legislatur neu zu regeln, indem „das Monopol bei der Fahrerlaubnisprüfung unter Wahrung geltender Qualitätsstandards“ aufgehoben werden soll. Vor allem die FDP hatte sich dafür starkgemacht.

Prüfungen am Samstag geplant

Die Liberalen sehen in der aktuellen Regelung den Hauptgrund für die langen Wartezeiten auf Fahrprüfungen und die Probleme bei der Terminvergabe, die zuletzt auch die Union auf den Plan gerufen hatten. Die Union will von der Bundesregierung unter anderem wissen, wie sie die Situation bewertet und welche Gründe aus ihrer Sicht zu den Verzögerungen führen.

Der TÜV-Verband verteidigt sich gegen die Kritik und betont, es handele sich um „regionale“ Probleme, vor allem in den Ballungsräumen, und begründet diese unter anderem mit der Corona-Isolationspflicht, den hohen Durchfallquoten, die zusätzliche Prüfungen nötig machten, und längeren Prüfungszeiten. Prüfungen am Samstag, eine Ausbildungsoffensive und zusätzliches Personal sollen die Situation entspannen.

Vielen Fahrlehrern geht das nicht weit genug. Sie begrüßen die Initiative der Ampel, weitere Organisationen bei der Fahrerlaubnisprüfung einzubeziehen. „Das Monopol gehört dringend abgeschafft,“ fordert Rainer Zeltwanger, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Fahrschulunternehmer (BDFU). Leidtragende der langen Wartezeiten seien vor allem die Fahrschüler und Fahrschülerinnen.

„Damit sie nicht aus der Übung kommen, buchen sie bis zur Prüfung notgedrungen immer wieder Fahrstunden“, sagt Zeltwanger, der selbst eine Fahrschule in Stuttgart betreibt. „Das geht ins Geld.“ Der Fahrlehrer wünscht sich, dass er und seine Kollegen zwischen mehreren Prüfgesellschaften wählen können. Dadurch entstehe mehr Wettbewerb, von dem die Kundinnen und Kunden profitieren würden, ist der BDFU-Vorsitzende überzeugt.

Die Argumentation des TÜV-Verbands, dass eine Reform auf Kosten der Sicherheit gehen könnte, weil die Ausprägung wirtschaftlicher Aspekte bei der Fahrerlaubnisprüfung dem hohen Niveau an Verkehrssicherheit entgegenlaufen würde, will Fahrlehrer Zeltwanger nicht gelten lassen – und verweist auf die sogenannte Hauptuntersuchung, die bis 1990 ebenfalls allein dem TÜV vorbehalten war, bevor auch andere Organisationen die Plakette vergeben durften. Ein erhöhtes Sicherheitsrisiko sei damit nicht einhergegangen, vielmehr sei nach der Liberalisierung die Kundenfreundlichkeit gestiegen.

GTÜ steht in den Startlöchern

Der Verband Innovativer Fahrschulen Deutschland (VIFD) fordert in einem Positionspapier ebenfalls „auf Bundes- und Landesebene das bestehende Prüfmonopol der beiden Überwachungsdienste TÜV und Dekra bei der Fachschulausbildung zugunsten weiterer Überwachungsdienste wie beispielsweise der GTÜ oder Küs“ aufzuheben. Die Gesellschaft für Technische Überwachung (GTÜ) steht bereit, „um schnellstmöglich zu unterstützen und auch in diesem Bereich Verantwortung zu übernehmen“, sagt Frederik Schmidt, Mitglied der Geschäftsleitung bei der GTÜ. Es gibt rund 2.600 Prüfingenieurinnen und -ingenieure, die unter dem Dach der GTÜ hoheitliche Tätigkeiten durchführen. Mit einer fundierten Schulung könnten sie weiterqualifiziert werden, um auch Fahrerlaubnisprüfungen abzunehmen, stellt Schmidt in Aussicht. Auch die rund 100 Schulungsräume der Organisation stehen für die theoretische Fahrerlaubnisprüfung zur Verfügung, um das bestehende Angebot zu erweitern.

Offenbar geht die GTÜ davon aus, dass die Bundesregierung die aktuellen Regelungen bald zu ihren Gunsten ändern wird. Im Netz findet sich eine Stellenausschreibung, in der die Gesellschaft nach einem Fachgruppenleiter im Bereich Fahrerlaubnisprüfung sucht, der oder die unter anderem den „strategischen Ausbau des Arbeitsgebiets“ vorantreibt. Schätzungsweise geht es um einen Markt von mehr als 200 Millionen Euro, den sich TÜV und Dekra aktuell untereinander aufteilen. Die Prüfgebühr (Klasse B) für die praktische Prüfung liegt laut TÜV Süd bei 116,93 Euro.

Im Bundesverkehrsministerium äußert man sich auf Nachfrage nach den im Koalitionsvertrag verankerten Plänen zurückhaltend. „Die Bundesregierung hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einberufen, die ergebnisoffen die Möglichkeiten für eine Umsetzung des Koalitionsvertrages diskutiert“, heißt es auf Nachfrage aus dem von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) geführten Haus. Erste Eckpunkte dieser Arbeitsgruppe seien für Anfang 2023 zu erwarten, kündigte eine Sprecherin an.