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Milbradt: „Eine gepamperte Bevölkerung mit hohen Forderungen“

Der Wirtschaftsrat der CDU in Sachsen lies sich vom ehemaligen Ministerpräsident Georg Milbradt die Krisenlage und die Gründe für die Unzufriedenheit mit der Politik erklären.

Von Nora Miethke
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Georg Milbradt, ehemaliger Ministerpräsident von Sachsen, mahnt zu mehr Vorsorge in Zeiten vieler geopolitischer Krisen.  Foto:ronaldbonss.com
Georg Milbradt, ehemaliger Ministerpräsident von Sachsen, mahnt zu mehr Vorsorge in Zeiten vieler geopolitischer Krisen. Foto:ronaldbonss.com © ronaldbonss.com

Verluste für die Ampelparteien SPD und FDP, Zugewinne für AfD und CDU - die Ergebnisse der zum Teil wiederholten Bundestagswahl im eher linken Berlin zeigen, das Ansehen der Bundesregierung ist auf einem Tiefpunkt angekommen. In Sachsen macht sich geradezu ein Ampelhass breit, auch geschürt von Landespolitikern aus der Union.

Ministerpräsident a.D., Georg Milbradt, erster Gast im neuen Diskussionsformat „Nachgefragt“ des Wirtschaftsrats der CDU e.V. in Sachsen, tat dies nicht. Ohne auf die aktuelle Bundes- oder Landespolitik einzugehen, lieferte er stattdessen in seinen Ausführungen zur Weltlage und den Folgen für Deutschland einen Grund für diesen Ampelhass: falsche Erwartungen der Menschen an den Staat.

Die wesentliche Aufgabe eines Staates sei es nicht, „Sozialpolitik zu machen, sondern die innere und äußere Sicherheit zu gewährleisten, weil der einzelne Bürger dies nicht kann“, sagte Milbradt. In den vergangenen 30 Jahren habe sich jedoch eine Anspruchshaltung an den Staat ergeben, verbunden mit einem tiefen Misstrauen, „so dass wir heute eine gepamperte Bevölkerung mit hohen Forderungen, die aber nicht bereit ist, dem Staat das zu geben, was er benötigt, um diese Forderungen zu erfüllen“, so der CDU-Politiker.

Ob beim großen Hochwasser 2002 oder bei der Bewältigung der Corona-Pandemie, der Einzelne wolle keine Verantwortung mehr übernehmen, das solle der Staat tun. Dieser verhalte sich genauso oder versuche, die Risikoübernahme mit Regulierung abzuwehren. „Das, was sie als zu hohe Bürokratie empfinden, ist nichts anderes als die mangelnde Risikobereitschaft der Menschen und Unternehmen, die gegen alles und jeden abgesichert werden wollen“, führte Milbradt den anwesenden Wirtschaftsvertretern vor Augen. Mittelstandsverbände wie Wirtschaftskammern beklagen die zu starke Bürokratie als größtes Wachstumshemmnis im Freistaat.

Staat und Unternehmen müssen Vorsorge treffen

Die deutsche Wirtschaft habe in der Vergangenheit kräftig Produktion nach Asien ausgelagert, allen voran nach China. Und eine Industrie aufgebaut auf einer „nicht vorhandenen Energiebasis“, dem billigen Öl und Gas aus Russland. Doch wenn man sich von anderen abhängig mache, berge diese Abhängigkeit Risiken, wie gestörte Lieferketten während der Corona-Pandemie, als die Chinesen ihre Häfen dichtmachten oder im Suezkanal ein Schiff quer stand. Der Staat wie die Wirtschaft müssten für diese Risiken Vorsorge treffen und „das ist nicht passiert“, so Milbradt. Man sei davon ausgegangen, dass die Schönwetterlage immer anhalten werde.

Vorsorge bedeutet für ihn, Unternehmen müssten Läger einrichten, um im Fall von Lieferstörungen Durststrecken überstehen zu können. Aufgabe des Staats sei es zum Beispiel, für eine richtige Rohstoffstrategie zu sorgen. Es gebe viele Konferenzen zu diesem Thema, „aber ich sehe keine Handlungen, was es bedeutet, die eigenen Rohstoffe zu erschließen“, kritisierte er dann doch indirekt die Landesregierung. Keine Region sei so gut auf seltene Erden erforscht wie Sachsen. Er bezweifelt, ob wirklich allen Investorenanfragen nachgegangen wird, denn damit gewinne man keine Wahlen. Denn die Anwohner hätten vor allem Angst vor den vielen LKWs, die das neue Berggeschrey mit sich bringen würde.

Milbradt reihte sich ein in die Reihe der Kritiker, die eine mangelnde Bereitschaft der Deutschen beklagen, Neues zu wagen und Risiken einzugehen. „Aber nur zu sagen, es bleibt alles , wie es ist und das Bruttoinlandsprodukt wächst trotzdem um zwei Prozent, das wird nicht funktionieren“, warnte er.