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Nach NRW-Wahl: Die Ampel leuchtet nur noch grün

Nur die Grünen strahlen noch in der Berliner Ampel-Regierung. Was bedeutet das für die Koalition in Berlin und vor alle, Kanzler Olaf Scholz?

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Die Grünen-Politiker Annalena Baerbock und Robert Habeck sind die Stars der Berliner Ampel-Koalition.
Die Grünen-Politiker Annalena Baerbock und Robert Habeck sind die Stars der Berliner Ampel-Koalition. © dpa

Von Michael Fischer, Anne-Béatrice Clasmann und Carsten Hoffmann, dpa

Berlin. Es gehört eigentlich nicht zu den Aufgaben eines Sprechers der Bundesregierung, die Ergebnisse von Landtagswahlen zu kommentieren. Das ist das Privileg der daran beteiligten Parteien. Am Montag nach der "kleinen Bundestagswahl" im bevölkerungsreichsten Land Nordrhein-Westfalen macht Steffen Hebestreit aber eine Ausnahme. Es sei ein Wahlergebnis, "das aus Sicht der Bundesregierung Licht und Schatten beinhaltet", antwortet er auf die Frage, wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das Wahlergebnis bewerte. Insgesamt sei "diese Koalition entschlossen, auf Bundesebene gut eng und vertrauensvoll weiterhin zusammen zu arbeiten, und das tut sie auch".

Ganz so einfach dürfte das aber nicht werden. Denn der erste echte Stimmungstest für die Ampel nach der Bundestagswahl schüttelt die Koalition kräftig durch. Es gibt zwei sehr klare Verlierer und einen Überflieger. Die SPD hat das schlechteste Wahlergebnis in 76 Jahren Nordrhein-Westfalen einstecken müssen. Die FDP hat nach Schleswig-Holstein und dem Saarland die dritte Niederlage in Folge zu verkraften. In der Ampel leuchtet nur noch ein Licht: Grün.

Die Grünen im Spagat zwischen Freude und Rücksichtnahme

Der zweitstärkste Partner in der Berliner Koalition hat in Nordrhein-Westfalen sein Ergebnis verdreifacht. Die Grünen entscheiden nun darüber, ob sie das Land zusammen mit der CDU oder wie im Bund mit SPD und FDP regieren wollen. Der Erfolg bedeutet für sie einen Spagat. Auf der einen Seite ist da die unbändige Freude über den enormen Stimmenzuwachs. Auf der anderen Seite will man die durch ihre eigenen Verluste ohnehin angeschlagenen Berliner Koalitionspartner nicht durch zu lautes Triumphgeschrei zusätzlich reizen.

Auf die Frage, ob ein Bündnis mit dem CDU-Wahlsieger Hendrik Wüst in Düsseldorf nicht zu Problemen mit den Ampel-Partnern im Bund führen könne, antwortet der Co-Parteivorsitzende Omid Nouripour: "Ich mache mir um das Nervenkostüm anderer überhaupt keine Sorgen." Alle seien "gefasst, sehr professionell". Außerdem seien die Grünen auch jetzt schon in unterschiedlichen Konstellationen an verschiedenen Landesregierungen beteiligt, so dass sich im Prinzip nichts ändern würde.

Auch denjenigen, die eher zum linken Parteiflügel gehören, meinen, dass eine Koalition mit der SPD in Nordrhein-Westfalen bei dem großen Abstand zwischen CDU und Sozialdemokraten schwer vermittelbar wäre. Mit anderen Worten: Wüst müsste sich schon sehr unflexibel zeigen, damit eine Ampel-Koalition in Düsseldorf überhaupt denkbar wäre. Neben Zugeständnissen beim Klimaschutz erwarten die Grünen von der CDU auch klare Verbesserungen in Sachen Bildung und Verkehr.

Die Spitzenkandidatin der Grünen in NRW, Mona Neubaur, sagt beim Pressetermin mit Nouripour in Berlin, es gebe bei den Sondierungen in Düsseldorf keinen Automatismus. Das heißt einerseits, dass die stärkste Partei nicht unbedingt den Regierungschef stellt, andererseits aber auch, dass die Ampel im Bund keine Blaupause für ihr Bundesland sein muss. Neubaur sagt: "Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst, und das heißt, dass wir selbstverständlich auch bereit sind, Konstellationen einzugehen, in denen es weite Wege zu gehen gibt."

Die FDP längst im Schatten der Grünen

Das Kontrastprogramm zu den Grünen gibt es am Montag bei der FDP. "Gestern war ein trauriger Abend. Heute ist ein neuer Tag. Die Tränen sind getrocknet", sagt Parteichef Christian Lindner nach der dritten bitteren Niederlage seiner Partei in Folge. Insbesondere bei den Wählern der Gruppe Ü-60 habe es einen dramatischen Einbruch gegeben. Lindner macht Unzufriedenheit mit der Energiepreispauschale der Koalition als Grund aus.

Die FDP ist in der Ampel-Koalition längst in den Schatten der Grünen mit den beliebtesten Ministern Annalena Baerbock und Robert Habeck gerückt. Kein Wort mehr davon, Lindner und sein Team könnten die Grünen in den Koalitionsverhandlungen des Ampel-Bündnisses über den Tisch gezogen oder dem Dreierbündnis einen übergroßen liberalen Stempel verpasst haben.

Natürlich ist Lindner als Bundesfinanzminister in einer mächtigen Schlüsselposition und kann bei jedem Thema mitentscheiden, läuft aber immer auch Gefahr, Gesicht der in der Krise stark ausgeweiteten Staatsangaben zu sein. Drei weitere Minister stellt die FDP: Verkehr und Digitales sowie Justiz bekommen derzeit im Schatten des Ukraine-Kriegs weniger Aufmerksamkeit. Ein Schlüsselressort der internationalen Politik - wie etwa das Verteidigungsministerium - hat die FDP nicht, wohl aber das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Im föderalen deutschen System läuft die zuständige Ministerin immer Gefahr, Königin ohne Reich zu sein.

"Es darf nicht in Vergessenheit geraten. Die Ampel-Koalition war nie unser politischer Wunschtraum. Wir regieren in der Regel aus staatspolitischer Verantwortung, weil CDU und CSU nach der Bundestagswahl nicht willens und in der Lage waren, eine Regierung zu bilden, insbesondere die CSU nicht", sagt Lindner. Ob es eine Option sei, zusammen mit den Grünen in der laufenden Legislaturperiode einen Unionskanzler zu wählen (Jamaika-Bündnis), wird er gefragt. "Nein. Die FDP ist vertragstreu. Die Realitäten sind, wie sie sind." Doch kann erwartet werden, dass die FDP vehementer auf die im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele pocht. "Wir freuen uns auf die Umsetzung dieser Vorhaben und Ideen in den nächsten Jahren", sagt Lindner.

Die SPD will nicht von Niederlage sprechen

Bei der SPD will man das Wort Niederlage am Montag immer noch nicht in den Mund nehmen. Parteichef Lars Klingbeil sagt zwar, dass die CDU die Wahl gewonnen habe, nicht aber, dass der SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty der Verlierer sei. Klingbeil sieht die ganze Partei in der Verantwortung für das Ergebnis von nicht einmal 27 Prozent - inklusive Kanzler Olaf Scholz, der sich auf den letzten Metern noch einmal richtig für Kutschaty reingehängt hat. "Wir kämpfen zusammen, wir gewinnen zusammen, aber - so wie gestern - fahren wir dann auch zusammen Ergebnisse ein, die wir nicht gut finden", sagt er.

Inhaltlich will der Parteichef bei Kanzler und Partei aber keine Fehler ausmachen. In der Ukraine-Politik habe es im Wahlkampf große Zustimmung für den Scholz-Kurs gegeben, die steigenden Energiekosten habe man abgefedert. Nur habe man das vielleicht nicht gut genug kommuniziert, meint Klingbeil. "Erstmal geht es darum, dass wir das, was wir Gutes tun, auch stärker kommunizieren", sagt er. "Das ist für mich die Lehre." Ein Kommunikationsproblem wurde zuletzt vor allem Kanzler Scholz immer wieder vorgeworfen.

Und was bedeutet das alles für die Ampel? Klingbeil setzt darauf, dass die Größe der Herausforderungen, die vor dem Bündnis stehen, zum Zusammenhalt zwingen wird - vor allem die Bewältigung der Folgen des Ukraine-Kriegs. "Wir wissen in der Ampel, was wir an schwierigen Aufgaben zu meistern haben", sagt der SPD-Chef. "Insofern glaube ich, dass die Folgen der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen sich in Grenzen halten für die Ampel-Koalition und alle sich hier auf das besinnen, wofür wir einen Koalitionsvertrag abgeschlossen haben." (dpa)