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Wie AfD-Politiker den Bürgerkrieg herbeireden

Die Lage ist ernst: Der Jurist Hendrik Cremer beschreibt in seinem neuen Buch, wie gefährlich die AfD wirklich ist.

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Björn Höcke, Fraktionsvorsitzender der AfD im Thüringer Landtag, bei einer Wahlkampfveranstaltung.
Björn Höcke, Fraktionsvorsitzender der AfD im Thüringer Landtag, bei einer Wahlkampfveranstaltung. © nordphoto GmbH / Hafner

Von Karl Adam

Über Wesen, Handeln und Pläne der AfD herrscht in der Gesellschaft offenkundig großes Unwissen, was von der Partei natürlich so beabsichtigt ist. Die Strategie der „Selbstverharmlosung“ ist ein zentraler Bestandteil ihres Vorgehens. Hinzu kommt die Selbstinszenierung als Widerstandsbewegung, als Opfer und auch als „Kümmerer“, die Nutzung des digitalen Raums zur Schaffung einer Parallelrealität. Nicht zu vergessen die offene Vernetzung mit rechtsextremen Akteuren wie den neofaschistischen Freien Sachsen, der Identitären Bewegung und den Neonazis vom „III. Weg“ sowie der Versuch, Kritikerinnen und Kritiker zu „neutralisieren“. Zu Letzteren zählt der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk, der den offenen Rechtsextremismus der Partei zu deutlich thematisiert.

Sympathie für Kriegsverbrecher

Man kann dem Juristen Hendrik Cremer nur dafür danken, mit welcher Klarheit er in seinem Buch „Je länger wir schweigen, desto mehr Mut werden wir brauchen“ diese Desinformationsbemühungen ein ums andere Mal konterkariert und die antidemokratischen, antisemitischen und insgesamt menschenverachtenden Inhalte der Partei offenlegt. Dabei mutet es fast unnötig an, wie sehr der Autor sich an der offiziellen Programmatik abarbeitet, wenn doch der begründete Verdacht besteht, diese sei eh nur Tarnung und diene als Platzhalter für die Ankunft Björn Höckes, der seit Jahren als „Führer“ aufgebaut wird.

Doch selbst aus den offiziellen Verlautbarungen ergibt sich derart viel Material, dass man sich fragen muss, warum die Einstufung der Gesamtpartei als „gesichert rechtsextrem“ dem Verfassungsschutz so viel Kopfzerbrechen bereitet. Dabei steht das offensiv vertretene Ideal einer „homogenen Volksgemeinschaft“ in direktem Widerspruch zum Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes; ebenso die „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, die ja sogar Ex-AfD-Chef Meuthen – darin selbst kein Unschuldiger – einst beklagt hatte.

Warum wird so lange zugeschaut?

Die national-völkische Ausrichtung, das Ansinnen, Sozialleistungen nur an Deutsche im Sinne der AfD zu erbringen, das Untergraben der Menschenwürde-Garantie, die Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus, die beabsichtige Zerstörung des europäischen Einigungswerks, die offene Parteinahme für den Kriegsverbrecher Putin, die Destabilisierung der Demokratie und ihrer Institutionen, das Herbeireden eines Bürgerkriegs – all das sind Dinge, die längst bekannt sind, die aber in Cremers Gesamtschau doch noch einmal erschrecken und geneigte Lesende mit der Frage konfrontieren, warum all dem jetzt schon so lange zugeschaut wird.

Frappierend, dass es da immer noch Stimmen gibt, die darauf bauen, die AfD „einzubinden“, „politisch zu stellen“ oder sich gar in Regierungsverantwortung „entzaubern“ zu lassen. Höcke selbst bezeichnet Parteimitglieder, die womöglich noch den Weg des Rechtsstaats und der Demokratie gehen wollen, als „Halbe“: „Ich will Veränderung, ich will eine grundsätzliche Veränderung. Ich will, dass wir diesen Halben einen Strich durch die Rechnung machen.“ Und weiter: „Die, die nicht in der Lage sind, das Wichtigste zu leben, was wir zu leisten haben, nämlich die Einheit, dass die allmählich auch mal ausgeschwitzt werden.“

Die "Schutthalden der Moderne beseitigen"

Cremer erklärt, dass Höckes Vorstellungen letztlich auf eine „Zerstörung der Bundesrepublik“ hinauslaufen, darauf, „dieses Land mit Gewalt zu überziehen“. Klingt alarmistisch? Wie aber soll man Passagen wie diese aus Höckes Gesprächsband „Nie zweimal in denselben Fluss“ (2018) anders interpretieren? „Existenzbedrohende Krisen erfordern außergewöhnliches Handeln. (…) Ich bin sicher, dass – egal wir schlimm die Verhältnisse sich auch entwickeln mögen – am Ende noch genug Angehörige unseres Volkes vorhanden sein werden, mit denen wir ein neues Kapitel unserer Geschichte aufschlagen können. Auch wenn wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen.“ Höcke weiter: „Aber die deutsche Unbedingtheit wird der Garant dafür sein, dass wir die Sache gründlich und grundsätzlich anpacken werden. Wenn einmal die Wendezeit gekommen ist, dann machen wir Deutschen keine halben Sachen. Dann werden die Schutthalden der Moderne beseitigt.“

Die Dinge liegen also mit einer Klarheit auf dem Tisch, die größer nicht sein könnte. Was also tun? Hendrik Cremer belässt es nicht bei der Analyse, sondern gibt auch Handlungsempfehlungen.

Keine Toleranz für Intolerante

„Offensiv aufklären statt defensiv schweigen“ heißt für ihn, die Dinge klar zu benennen, und den Täuschungen der AfD nicht auf den Leim zu gehen. Eine Normalisierung der Partei als Gesprächspartner dürfe es auch seitens der Medien nicht geben. Auch die Parteien seien in der Pflicht: Klare Abgrenzung und gemeinsamer Kampf für die Demokratie lauten die Gebote der Stunde. Im Bereich der Bildung müsse aufgeklärt und die Partei kritisch thematisiert werden. Lokale zivilgesellschaftliche Bündnisse können wirksame Bollwerke gegen rechtsextremistische Landnahmen bilden. Schlussends sind alle Bürgerinnen und Bürger gefordert, auch im Alltag Widerspruch einzulegen und die kritische Auseinandersetzung zu suchen.

Es mag bei all dem nicht überraschen, dass Cremer zu den profiliertesten Stimmen für die Beantragung eines AfD-Verbotsverfahren gehört. Nach Lektüre dieses Buches ist unklarer denn je, warum die Demokratie nicht längst die Kraft dafür aufgebracht hat. Immerhin war es einer der Väter des Grundgesetzes, Carlo Schmid (SPD), der 1948 im Parlamentarischen erklärte: „Ich für meinen Teil bin der Meinung, dass es nicht zum Begriff der Demokratie gehört, dass sie selber die Voraussetzungen für ihre Beseitigung schafft. Ja, ich möchte weiter gehen. Ich möchte sagen: Demokratie ist nur dort mehr als ein Produkt einer bloßen Zweckmäßigkeitsentscheidung, wo man den Mut hat, an sie als etwas für die Würde des Menschen Notwendiges zu glauben.“ Schmid weiter: Wenn man aber diesen Mut hat, dann muss man auch den Mut zur Intoleranz denen gegenüber aufbringen, die die Demokratie gebrauchen wollen, um sie umzubringen.“

  • Das Buch: Hendrik Cremer: Je länger wir schweigen, desto mehr Mut werden wir brauchen. Wir gefährlich die AfD wirklich ist, Berlin-Verlag, 240 Seiten, 22 EUR