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Genossen treffen sich zum Gipfeltreffen in Leipzig

Die Linke will Streit überwinden. Es geht nicht nur um die prominente Sahra Wagenknecht. Sachsens Linkenchef fordert jetzt ein Ende der Konflikte.

Von Thilo Alexe
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Solidarität ist eines der Kernanliegen der Linken. Innerhalb der eigenen Partei geht es mitunter aber nicht immer solidarisch zu.
Solidarität ist eines der Kernanliegen der Linken. Innerhalb der eigenen Partei geht es mitunter aber nicht immer solidarisch zu. © Archivbild: dpa/Paul Glaser

Leipzig und die Linke – die Beziehung ist vielschichtig. Die Stadt ist mit Ausnahme von Berlin die einzige, in der die Partei ein Direktmandat bei der vergangenen Bundestagswahl gewinnen und damit trotz herben Verlusten ihren Fraktionsstatus sichern konnte. In Leipzig errang die Linke auch mehrfach Wahlkreiserfolge bei Landtagswahlen – im CDU-dominierten Sachsen ansonsten eine Seltenheit.

Und 2018 verabschiedete die Partei in der Messemetropole einen Beschluss, in dem sie sozialpolitisch auf den Punkt kam: „Viele Menschen lesen von den Rekordgewinnen der deutschen Wirtschaft – während sie im überfüllten Wartezimmer beim Arzt sitzen oder auf den Bus warten, der mal wieder zu spät kommt und in dem sie keinen Sitzplatz mehr finden werden.“

Jetzt könnte Leipzig wieder für die Partei bedeutsam werden. Am Wochenende treffen sich Vertreter der Partei zu einem internen „Gipfeltreffen“. Nach Informationen der Sächsischen Zeitung kommen Bundes- und Landesvorstände zusammen, Fraktionsvorsitzende und Regierungsmitglieder. Etwa 70 Genossinnen und Genossen werden erwartet. Ziel ist die Erarbeitung einer Erklärung, die die innerparteilichen Differenzen verringert und für Beruhigung in der streitlustigen Partei sorgt.

Wagenknecht kommt nicht nach Leipzig - und doch dürfte sich einiges um sie drehen

Nicht dabei sein wird offensichtlich Sahra Wagenknecht – die populäre Bundestagsabgeordnete hat neben ihrem Mandat keine Führungsfunktion in der Partei inne. Doch um die frühere Fraktionschefin dürfte sich einiges drehen. Wagenknecht vertritt kritische Positionen zur Zuwanderung. Zudem wirft sie der Bundesregierung vor, einen „Wirtschaftskrieg“ gegen Russland vom Zaun zu brechen. Die Grünen bezeichnet sie als die „gefährlichste im Bundestag vertretene“ Kraft. In ihrer Partei kritisiert sie Lifestyle-Linke, die sich eher ums Gendern als um Sozialpolitik kümmern.

Wagenknecht ist umstritten, aber nicht isoliert. In ihrer Partei hat sie trotz deutlicher Kritik Anhänger. Der Leipziger Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann trat im Wahlkampf 2021 – einige ihrer heftig debattierten Äußerungen hatte sie damals noch nicht getätigt – mit ihr auf und gewann. Auch bei potenziellen Wählern kommt die rhetorisch versierte Politikerin gut an, die regelmäßig in Talkshows auftritt. Nach einer Spiegel-Umfrage können sich 30 Prozent der mehr als 5.000 Befragten grundsätzlich vorstellen, eine von Wagenknecht gegründete Partei zu wählen. Im Osten ist die Zustimmung noch höher.

Linke will Spaltung verhindern

Das Treffen der Spitzengenossen in Leipzig hat wohl auch das Ziel, die Spaltung zu verhindern. Angestrebt wird ein gemeinsam getragenes Dokument. Bereits am vergangenen Wochenende trafen sich Wagenknecht-Kritiker, die sich als progressive Linke bezeichnen, in Berlin. Unklar ist bislang, ob Wagenknecht tatsächlich eine Neugründung plant.

Eine von vielen Spekulationen ist, dass sie das vor der Europawahl im Frühjahr 2024 tun könnte. Für diese Abstimmung gilt keine Fünf-Prozent-Hürde. Die Partei könnte dort ein Achtungszeichen setzen und im Zuge des Wahlkampfes Strukturen aufbauen. Wenige Monate später wird in Sachsen der Landtag gewählt, im Jahr darauf der Bundestag. Allerdings waren Abspaltungen bislang selten erfolgreich. Im rechten Spektrum gilt das etwa für die Blaue Partei um Ex-AfD-Chefin Frauke Petry sowie die Allianz für Fortschritt und Aufbruch des früheren AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke. Auch der von Wagenknecht vor vier Jahren ins Leben gerufenen „Sammlungsbewegung“ Aufstehen, die als Verein und nicht als Partei organisiert ist, blieb der Erfolg auf der großen politischen Bühne verwehrt.

Sachsens Landeschef Stefan Hartmann wirbt dafür, dass sich die Partei dem Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit widmet. Auf Anfrage sagte er der SZ: „Die Aufgaben für meine Partei liegen auf der Hand: Kampf gegen enorme soziale Verwerfungen, Klimawandel und Krieg, Einsatz für gute Arbeit und Modernisierung von Industrie und Infrastruktur.“

Der Landesvorsitzende rechnet damit, dass sich die Parteispitzen hinter diesem Ansinnen versammeln und Streitereien überwinden – im Sinne einer geeinten Linken. „Deshalb werden wir unsere innerparteilichen Konflikte beiseiteschieben und uns auf diese Aufgaben konzentrieren“, betonte Hartmann mit Blick auf die Zusammenkunft in Leipzig.