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Inszenierter Prozess gegen Habeck in Heidenau bleibt verboten

Ein in Heidenau geplanter, inszenierter Prozess gegen Robert Habeck bei einem Bürgerprotest darf nicht stattfinden. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte vorherige Verbote.

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Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) sollte bei einem inszenierten Prozess in Heidenau verurteilt werden. Die Aktion von Rechtsextremisen bleibt verboten.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) sollte bei einem inszenierten Prozess in Heidenau verurteilt werden. Die Aktion von Rechtsextremisen bleibt verboten. © Archiv/Soeren Stache/dpa

Heidenau. Die von der rechtsextremen Splitterpartei Freie Sachsen geplante Inszenierung eines Prozesses gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bleibt verboten. Nachdem das als eine Art Straßentheater gedachte Vorhaben sowohl von der Versammlungsbehörde als auch vom Dresdner Verwaltungsgericht untersagt worden war, bestätigte am Montag auch das sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Bautzen das Verbot. Sein Beschluss sei unanfechtbar, teilte es mit.

Das Stück sollte am Montagabend auf einer Kundgebung der Freien Sachsen auf dem Marktplatz in Heidenau aufgeführt werden. Im Kern sollte es darum gehen, Habeck den Prozess zu machen und an einen Pranger zu stellen. Dabei sollte eine Puppe den Grünen-Politiker darstellen.

Die Verwaltungsrichter in Dresden hatten bereits am vergangenen Freitag das Verbot bestätigt. Dagegen war beim OVG Beschwerde eingelegt worden. Die Richter in Bautzen gingen am Montag auf die Argumente der Vorinstanz ein: Durch die geplante Form der Darstellung würde Habeck herabgewürdigt und zum bloßen Objekt eines vermeintlichen Prozesses degradiert werden, in dessen Ergebnis er der öffentlichen Schmähung am Pranger ausgesetzt würde, hatte das Verwaltungsgericht in Dresden unter anderem argumentiert.

Möglicherweise sei auch der Tatbestand der Störung des öffentlichen Friedens wegen der Darstellung einer Entführung verletzt, hieß es weiter. Es sei nicht auszuschließen, dass sich Teilnehmer der Versammlung dazu berufen fühlten, das Gezeigte in die Tat umzusetzen.

Die Versammlungsbehörde des Landkreises hatte die angezeigte Versammlung am 4. August zunächst bestätigt. Am Tag der geplanten Kundgebung untersagte die Behörde dann aber per Änderungsbescheid das Mitführen von Kundgebungsmitteln wie Stoffpuppen und symbolische Pranger. Diese kurzfristige Änderung sowie die Auflagen an sich seien laut den Freien Sachsen rechtswidrig.

Schließlich liefen am vergangenen Montag bei einer Demonstration in Heidenau rund 50 Menschen einem Fahrzeug hinterher, auf dem unter einer Decke eine Puppe lag, die vermutlich den Grünen-Politiker Habeck symbolisieren sollte. Angemeldet wurde die Aktion mit 100 Teilnehmern.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Dresden gibt es ein Ermittlungsverfahren in diesem Fall. Der Aufruf zu einer Straftat ist ein Straftatbestand. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, Steve Schulze-Reinhold, sagte, es bestehe ein Anfangsverdacht. Es werde geprüft, ob es sich um eine Straftat handele. Man werte das Video aus.

In dem Video, das am Montag vergangener Woche zunächst noch in mindestens einem Telegram-Kanal der QAnon-Verschwörungsbewegung zu finden war, wird ein Mann in einem rot-orangenen Gefangenenanzug, mit einem Sack über dem Kopf und in Handfesseln in einem Fahrzeug gezeigt. Die Person soll offensichtlich Habeck darstellen.

Screenshot der Facebook-Seite "Freies Heidenau" 8.8.2022
Screenshot der Facebook-Seite "Freies Heidenau" 8.8.2022 © Screenshot /SZ/FB

Zu hören ist eine Stimme, die einen vermeintlichen Urteilsspruch verkündet: "Sie, Robert Habeck, werden vom Volk verurteilt zu 16 Wochen Pranger auf dem örtlichen Marktplatz." Am Ende des Videos wird eine Demonstration in Heidenau bei Dresden beworben, bei der ein Habeck-Darsteller an einen Pranger gestellt werden soll.

Auf der Facebook-Seite "Freies Heidenau", auf der Schreiber regelmäßig Beiträge veröffentlicht, ist es ebenfalls weiterhin abrufbar. Auf seinem privaten Account ist das Video für Nutzer, die nicht mit ihm befreundet sind, nicht oder nicht mehr sichtbar.

Der sächsische Verfassungsschutz teilte vergangene Woche auf Anfrage mit Blick auf die geplante Aktion in Heidenau mit: "Als Frühwarnsystem ist es unsere Pflicht, den extremistischen Grundton derartiger Kampagnen zu entlarven. Hier geht es nicht um sachliche Kritik, sondern um den Missbrauch der grundgesetzlich geschützten Versammlungsfreiheit für eine extremistische Aktion." Man könne besorgte Bürgerinnen und Bürger nur davor warnen, Seite an Seite mit Rechtsextremisten zu protestieren und sich von diesen "vor den Karren" spannen zu lassen.

Dem Bundeswirtschaftsministerium ist das Video bekannt. "Wir haben das Video bei Facebook gemeldet, damit es dem Netzwerk-Durchsetzungsgesetz entsprechend geprüft und gelöscht wird. Zudem prüfen wir den Sachverhalt juristisch", so das Ministerium auf Anfrage.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte am Montagnachmittag während eines Besuchs bei der Bundespolizei in Sankt Augustin bei Bonn, die Entwicklung bereite ihr Sorge. "Es hat mir auch große Sorge bereitet, als der Kollege Karl Lauterbach bedroht wurde. Es ist sehr viel Hass und Hetze gerade im Netz unterwegs, und das muss einen besorgen. (...) Der friedliche Protest hört eben da auf, wo andere bedroht werden wie jetzt im Fall auch von meinem Kollegen Robert Habeck."

Neues Thema Energiekrise

Die rechtsextreme Kleinstpartei Freie Sachsen macht neuerdings auf Montagsdemonstrationen in Heidenau gegen steigende Energiepreise mobil. Allerdings hielt sich der Zuspruch nach Angaben der Stadt bislang in Grenzen. Bei derartigen Veranstaltungen seien nicht mehr als 40 bis 50 Leute gekommen, hieß es.

Es sei ein wesentlicher Teil der Strategie von Extremisten, sowohl in der Realwelt als auch in der virtuellen Welt Themen aufzugreifen, die den politischen Diskurs dominieren beziehungsweise weite Teile der Bevölkerung berührten, teilte der Verfassungsschutz mit. Dazu gehörten aktuell die sich abzeichnende Energiekrise und ihre Folgen sowie die bereits grassierende Inflation.

Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes ist den Rechtsextremen mit dem neuen Thema Energiekrise bisher aber noch kein durchschlagender Mobilisierungserfolg gelungen. Extremistische Parteien wie die Freien Sachsen versuchten von sozialen Abstiegsängsten der Bürger beziehungsweise dem "sozialen Sprengstoff" durch steigende Lebenshaltungskosten zu profitieren. (SZ/soa/hoe/dpa/epd)