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Gehört privates Böllern in Sachsen verboten? Ein Pro und Kontra

Aktuelle Umfragen zeigen, wie die Debatte ums Silvesterfeuerwerk das Land spaltet. Hier diskutieren ein Landespolitiker der sächsischen SPD und ein Pyrotechnik-Profi.

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Polizisten stehen am Silvesterabend 2022 hinter explodierendem Feuerwerk.
Polizisten stehen am Silvesterabend 2022 hinter explodierendem Feuerwerk. © Julius-Christian Schreiner/tnn/dpa

59 Prozent der Deutschen sprechen sich für ein generelles Verbot der privaten Böllerei am Jahreswechsel aus oder finden es richtig, zu diesem Anlass nur professionelles Feuerwerk zuzulassen. Das hat eine kürzlich im Auftrag der Verbraucherzentrale Brandenburg durchgeführte Forsa-Umfrage ergeben. Allerdings variieren die Quoten je nach Region: Im Westen Deutschland befürworten 62 Prozent eine Abschaffung von privatem Feuerwerk, im Osten dagegen nur 42 Prozent. Wie stehen sächsische Debattenteilnehmer zu dieser Frage? Sächsische.de hat Albrecht Pallas von der SPD-Landtagsfraktion und Jörg Rennert von der Dresdner Sprengschule gebeten, Position zu beziehen.

Pro: Nicht jeder muss selber böllern

Albrecht Pallas ist Kriminalbeamter, Mitglied der SPD-Fraktion des Sächsischen Landtags und deren innenpolitischer Sprecher.
Albrecht Pallas ist Kriminalbeamter, Mitglied der SPD-Fraktion des Sächsischen Landtags und deren innenpolitischer Sprecher. © Julian Hoffmann/Montage: SZ/Bildstelle

Es ist eine schöne Tradition, das neue Jahr mit Feuerwerk zu begrüßen. Viele Menschen begehen Silvester ausgelassen mit Böllern, Knallfröschen und Raketen. Die Kehrseite der Pyrotechnik kennen wir aber auch nur zu gut: Lärmbelastung für Kinder und Tiere, rauchverhangene Luft über den Städten, Unrat und Abfälle in den Straßen und Grünanlagen, alkoholbedingt leichtsinniger bis gefährlicher Gebrauch von Raketen, volllaufende Notaufnahmen in den Krankenhäusern. Kurzum: Argumente für ein Verbot gibt es viele.

  • 1. Umwelt: Pyrotechnik verschmutzt die Luft und macht Lärm. Die freigesetzten Chemikalien beeinträchtigen die Luftqualität, belasten die Umwelt und sorgen für unnötigen CO2-Ausstoß. Insbesondere Menschen mit Atemwegserkrankungen kann dies gesundheitliche Probleme bescheren.
  • 2. Tierschutz: Die teils sehr lauten Raketen und Knaller können Tiere stressen und ängstigen. Haustiere können in Panik geraten, fliehen oder sich verletzen. Wildtiere werden erheblich gestört und können aus ihrem natürlichen Lebensraum vertrieben werden.
  • 3. Sicherheit: Insbesondere wenn Feuerwerkskörper unsachgemäß verwendet werden, besteht ein hohes Risiko von Verbrennungen, Augen- und anderen Verletzungen. Jedes Jahr gibt es durch Böller verursachte Unfälle und Brände mit hohem Sachschaden.

Bei all diesen Argumenten scheint ein pauschales Verbot angebracht zu sein. Doch so einfach ist es nicht. Menschen hängen emotional an dieser Tradition. Wir reagieren empfindlich auf Verbote, vor allem, wenn wir die Gründe dafür nicht teilen oder eher positive Empfindungen ans Verbotene knüpfen.

Zudem wäre es kaum durchsetzbar. Die Ordnungsbehörden haben gar nicht so viel Personal, dass an jeder Straßenecke jemand stehen und aufpassen könnte. Zudem würden ein isoliertes deutsches Böllerverbot und ein damit verbundenes Verkaufsverbot von Feuerwerkskörpern im offenen Europa nicht zum gewünschten Erfolg führen – insbesondere in Sachsen, wo sich zahlreiche Menschen in Tschechien oder Polen mit Feuerwerk eindecken.

Wenn wir über Einschränkungen reden, müssen wir gleichzeitig über alternative Angebote für Silvester nachdenken. Eine Option wären öffentlich organisierte Profi-Feuerwerke. An ihnen können wir uns ebenso erfreuen. Lärm- und Schadstoffemissionen sowie Gesundheits- und Brandgefahren würden sich dadurch aber verringern. Teilziel erreicht.

Kommunen können bereits jetzt die Böllerei zeitlich oder örtlich begrenzen oder sogar ganz verbieten, wenn die Auswirkungen beispielsweise in einem Ortsteil besonders drastisch sind. Für die Durchsetzung ihrer Allgemeinverfügungen braucht es natürlich auch da genug Personal. Die Verantwortlichen sollten also genau schauen, wo es sinnvoll ist, Pyrotechnik zu Silvester zu beschränken, und stattdessen zentral organisierte Feuerwerke zum Jahreswechsel anbieten. Das verringert die negativen Folgen und erhält gleichzeitig die schöne Tradition. Mein Tipp: einfach mal ausprobieren.


Kontra: Ritual soll erhalten bleiben

Jörg Rennert ist Geschäftsführer der Dresdner Sprengschule und seit 2001 Erster Vorsitzender des Deutschen Sprengverbandes.
Jörg Rennert ist Geschäftsführer der Dresdner Sprengschule und seit 2001 Erster Vorsitzender des Deutschen Sprengverbandes. © Megadok/Montage: SZ/Bildstelle

Dass die Debatte um ein Feuerwerksverbot nach dem letzten Jahreswechsel so emotional geführt wurde, hat meiner Meinung nach vor allem mit den Taten gewaltbereiter Gruppen in der Silvesternacht, vor allem in einigen Großstädten, zu tun. Um es klar zu sagen: Missbrauch von Pyrotechnik muss geahndet und unterbunden werden. Dafür brauchen Polizisten die bestmögliche Ausrüstung und Kommunen die gesetzlichen Grundlagen. Da besteht Handlungsbedarf für die Politik – etwa wenn es darum geht, Bereiche auszuweisen, in denen die Verwendung von Feuerwerkskörpern untersagt wird. Gute Beispiele für Verbotszonen waren über Jahre hinweg der Dresdner Theaterplatz oder ein Areal nahe des Hengstgestüts in der Gemeinde Moritzburg.

Nicht die Feuerwerkskörper sind das Problem. Es sind die Personen, die sie missbrauchen. Die große Mehrheit will das alte Jahr Revue passieren lassen, sich schöne Erlebnisse noch einmal bewusst machen, Trauriges verarbeiten und gleichzeitig einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft werfen. Zu diesem Ritual gehört ein farbenfroher Nachthimmel – den viele auch mit selbst gezündetem Feuerwerk zum Strahlen bringen wollen.

Falls jemand das Thema Sicherheit ins Feld führt: In Deutschland dürfen nur Feuerwerkskörper verkauft werden, die über eine Baumusterprüfung verfügen und ständigen Qualitätskontrollen unterliegen. Für die Kundschaft ist dies am CE-Zeichen zu erkennen. Öffentlich verfügbare Angaben zum Anteil der Feuerwerksverletzungen an allen Krankenhaus-Einweisungen einer Silvesternacht lassen darauf schließen, dass dieser etwa fünf Prozent beträgt. Hierbei macht illegale Pyrotechnik einen erheblichen Anteil aus. Die Ordnungsbehörden sollten deshalb ihre Aktivitäten im Kampf gegen illegale, riskante Erzeugnisse unbedingt weiter verstärken.

Kommen wir zum Klima- und Umweltschutz. Laut Umweltbundesamt ist Silvesterfeuerwerk für 0,00013 Prozent der jährlich in Deutschland ausgestoßenen Treibhausgase sowie für 0,7 Prozent des emittierten Feinstaubs verantwortlich. Demnach stellten in der Silvesternacht 2022/2023 nur zehn Stationen des bundesweiten Luftqualitätsmessnetzes nach Mitternacht „signifikant erhöhte“ Feinstaubkonzentrationen fest. „Signifikant erhöht“ heißt, dass ein Stundenmittelwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft punktuell überschritten wurde.

Bliebe noch die Nachhaltigkeit. Hier ist es den Herstellern gelungen, den Kunststoffanteil in ihren Produkten deutlich zu reduzieren. Feuerwerkskörper bestehen heute zu über 90 Prozent aus biologisch abbaubaren Materialien wie Pappe, Ton oder Holz. Was nicht heißt, dass von ihnen keinerlei Umweltbelastung ausgeht. Doch das gilt für andere Bräuche und Traditionen genauso. Ich meine, man kann die Umweltwirkung von Feuerwerk als vergleichsweise gering einschätzen.

Fazit: Es sollte auch künftig möglich sein, privates, legales Feuerwerk zu zünden – und damit Silvester zu einem farbenfrohen Ereignis zu machen.