Dresdner Wahlforum: "Wir sind nicht im Kommunismus"

Dresden. Bislang fiel es vielen Dresdnern schwer, große Unterschiede in den Wahlprogrammen der beiden wichtigsten OB-Kandidaten zu erkennen. Nichtssagende Wahlplakate und sich ähnelnde Slogans von Amtsinhaber Dirk Hilbert (FDP) und seiner Herausforderin Eva Jähnigen (Grüne) trugen dazu bei. Beim Wahlforum der SZ im Haus der Presse trafen die Kandidaten am Mittwochabend zum direkten Schlagabtausch aufeinander. Außerdem mit dabei und womöglich im zweiten Wahlgang das Zünglein an der Waage: Maximilian Krah von der AfD.
Weil im ersten Wahlgang keiner der Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl die absolute Mehrheit erreichen konnte, wird am 10. Juli erneut gewählt. Dann reicht die einfache Stimmenmehrheit. Als entscheidende Themen kristallisieren sich dabei Energiesicherheit und Klimaschutz heraus. Doch auch der Großbrand im Industriegebiet mit über 100 obdachlosen Bands beschäftigt die Politiker.
Beides machte Amtsinhaber Dirk Hilbert im Wahlkampf zur Chefsache. Hilbert präsentierte einen 10-Punkte-Sofortplan, um Industrie und Haushalte weiter sicher mit Wärme und Strom versorgen zu können. Gleichzeitig unterstellte er der Umweltbürgermeisterin und nun Kontrahentin mangelnde Tatkraft. Eva Jähnigen hatte ihrerseits Wochen vor dem Amtsinhaber ein eigenes Sofortmaßnahmenprogramm zur schnellen Energieunabhängigkeit Dresdens vorgestellt. So positionierten sich die Kandidaten beim Wahlforum.

Wie kann eine bezahlbare Energieversorgung in Dresden gesichert werden?
In der womöglich derzeit drängendsten Frage legte Maximilian Krah mit der Ansicht vor, dass russisches Gas derzeit nicht zu ersetzen und ein Gas-Embargo daher "Unsinn" sei. Wiederholt betonte er zudem, dass die Elbhänge "nicht mit Windrädern vollgespargelt" werden sollten und es ein Fehler gewesen sei, die Atomkraftwerke abzuschalten. Von "Vollspargeln" sei nie die Rede gewesen, entgegnete Jähnigen, und Atomkraft keine Option mehr. Vielmehr sollte man künftig stärker die Potenziale der Abwärme nutzen und das Thema Energiesparen vorantreiben, sowohl in Privathaushalten als auch in städtischen Einrichtungen.
Uneins ist sie sich mit Hilbert in der Frage, wie man mit Sachsen-Energie als viertgrößtem kommunalen Versorger Deutschlands umgehen sollte. Jähnigen will das Unternehmen stärker in die Verantwortung nehmen, während Hilbert betont, dass man ein Wirtschaftsunternehmen eher mit Förderprogrammen unterstützen müsse, statt ihm Vorschriften zu machen. "Wir sind nicht im Kommunismus", sagte er.
Wie hilft Dresden nach dem Großbrand?
Kontrovers diskutiert wird momentan auch über den weiteren Umgang mit den Folgen des verheerenden Großbrandes im Dresdner Norden. Betroffen sind neben dem Techno-Club "Sektor Evolution" auch die Proberäume von geschätzt mehr als hundert Bands, die um Ausrüstung und eigene Flächen zum Proben bangen.
Hilbert sicherte den Musikern zu, dass die Stadt sie bei der Suche nach neuen Räumen unterstützen werde. Im Wahlforum betonte der OB nochmals: "Wie dürfen die jungen Leute nicht alleinlassen." Jähnigen wies darauf hin, dass dies der letzte Ort in Dresden gewesen sei, in dem sich die Szene noch konzentrieren konnte. Auch sie sieht daher die Stadt in der Pflicht. "Wenn die Kreativen keine Räume finden, werden sie uns verlassen." Krah ist in dieser Frage ganz anderer Ansicht. Er denkt, die Klubszene werde sich selbst helfen. Man solle wegkommen von "dieser Kindergartenattitüde". Manchmal müsse man "auch laufen lassen." Die coolsten Clubs würden nicht durch Subventionen cool.
Wie können Menschen besser unterstützt werden, die Geflüchteten helfen?
In dieser Frage betonte Hilbert, man sei nach der Aufnahme von 8.000 Menschen aus der Ukraine in einer Ausnahmesituation, in der sich die Belastung der Behörden stark erhöht habe. Wenn es deswegen an einigen Stelle hake, könne er nur um Verständnis bitten, auch wenn die Stadt Dresden das im Vergleich zu anderen Städten "bislang ganz gut gemacht" habe. Konkret kündigte er an, dass die Gastgeberpauschale "bis Ende Juli durch" sei. Dabei soll jeder Dresdner Haushalt, der Flüchtlinge aus der Ukraine privat unterbringt, fünf Euro pro Tag und Person erhalten. "Das ärgert mich, dass wir da hinterherhängen."
Jähnigen brachte eine Integrationskonferenz im Herbst ins Spiel, die aus ihrer Sicht die Zusammenarbeit verschiedener Akteure in der Stadt verbessern könnte. Krah wiederum ist der Meinung, man könne als Kommune nicht alles ausgleichen, was in der Welt schieflaufe. Die Vorstellung, alles müsse in dieser Lage perfekt laufen, sei irrational.
Was planen Sie in den ersten 100 Tagen nach Ihrer Wahl?
Wo der Wähler Alleinstellungsmerkmale vermisst, könnten Fragen nach den Prioritäten direkt nach der Wahl womöglich aufschlussreiche Antworten geben: Eva Jähnigen plant einen Kassensturz und will die Bürgerbeteiligungssatzung umsetzen, Krah plant eine Sonderausstellung zur DDR-Kunst und will ein Programm für mehr Wohneigentum erarbeiten und Hilbert setzt auf Kontinuität: neue Führungsmannschaft aufstellen und den Haushalt planen.
Bei anderen Fragen zeigten sich die erwarteten Fronten: Eva Jähnigen würde gern die privaten Feuerwerke einschränken, was für die beiden Männer nicht infrage kommt. Hilbert brennt für den Fernsehturm, während sich Jähnigen noch immer um die Finanzierung sorgt und Krah das Projekt zwar umsetzen, aber lieber fünf oder sechs Jahre nach hinten schieben möchte.
Im zurückliegenden ersten Wahlgang hatte Amtsinhaber Dirk Hilbert (FDP) mit 32,5 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis erreicht. Ihm folgte Eva Jähnigen (Grüne) mit 18,9 Prozent Stimmenanteil. Jähnigen wird im zweiten Wahlgang jedoch von Linken, SPD und Piraten unterstützt, Amtsinhaber Dirk Hilbert wie im ersten Wahlgang von der CDU. AfD-Kandidat Maximilian Krah kam auf 14,2 Prozent Stimmenanteil.
Das Wahlforum in voller Länge im Video: