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Mundraub im Rödertal: Wo es gratis Obst am Wegesrand gibt

Eine Webseite im Internet listet auf, wo Obst, Nüsse und Kräuter gratis geerntet werden können. Was es im Rödertal zu entdecken gibt - und was die Gemeinden dazu sagen.

Von Dominique Bielmeier & Verena Belzer
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Wer hat Lust auf Apfelernte? Östlich von Wachau, an der Leppersdorfer Straße, stehen laut einer Webseite öffentlich zugängliche Apfelbäume.
Wer hat Lust auf Apfelernte? Östlich von Wachau, an der Leppersdorfer Straße, stehen laut einer Webseite öffentlich zugängliche Apfelbäume. © Michael Matthey/Symbolfoto/dpa

Radeberg. An mehreren Stellen im Rödertal gibt es die Möglichkeit, zu naschen. Und diese Stellen listet die Webseite www.mundraub.org auf. Doch was findet man am Wegesrand im Rödertal? Und ist das rechtlich überhaupt erlaubt?

Auf der Webseite gibt es eine interaktive Weltkarte, die sich vergrößern und verkleinern lässt. Wenn man einzelne Orte heranzoomt, erscheinen kleine Symbole, die zum Beispiel Kirschen oder Äpfel zeigen. Klickt man eines der Symbole an, erfährt man, was genau wächst – und wo. Außerdem gibt es Kurzinformationen zur Frucht.

Vermerkt sind die Fundorte von Obstbäumen, Obststräuchern, Kräutern und Nüssen. Eintragen kann sie im Prinzip jeder, der sich an der kostenlosen Plattform beteiligen will und dort ein Nutzerkonto anlegt. Er wird dann selbst zum "Mundräuber". Deren Vision klingt utopisch schön: "In einer Welt, in der in Plastik eingeschweißte Supermarktäpfel nur noch in der Erinnerung existieren, leben wir in einer essbaren Landschaft, die jedem zugänglich ist. Wo Kinder auf Obstbäumen klettern und Eltern die Früchte der Allmende verarbeiten, säen wir den Mut zur Verantwortung und wecken die Schaffenskraft einer starken Gemeinschaft. Gemeinsam pflanzen, pflegen und pflücken wir dort, wo vergessen wurde, nehmen wahr, was übersehen wird und teilen, was allen gehört."

Was finden "Mundräuber" im Rödertal?

Im Rödertal sind etliche Fundstellen eingetragen: "In diesem Waldstück stehen viele üppige, hohe Sträucher. Angenehm zum Pflücken und Sammeln", schreibt eine Nutzerin über Heidelbeeren im Mittelweg in der Landwehr, dem großen Waldgebiet zwischen Radeberg und den Wachauer Ortsteilen Feldschlößchen und Leppersdorf. Nur ein paar Meter weiter, ebenfalls im Mittelweg, stünden Himbeersträucher. "Teils Mannshoch. Auch Brombeeren", heißt es hier in der Erläuterung.

So sieht die Seite www.mundraub.org aus, man kann in die Fläche zoomen und die markierten Fundstellen anklicken.
So sieht die Seite www.mundraub.org aus, man kann in die Fläche zoomen und die markierten Fundstellen anklicken. © Screenshot/SZ

In Arnsdorf finden "Mundräuber" einen öffentlichen Kirschbaum und Wildkräuter, im Radeberger Hüttertal kann man Haselnüsse sammeln, in der Liegauer Straße am Feldwegabzweig blüht frei zugänglicher Holunder und am Weg zur Ottendorfer Kiesgrube lassen sich Brombeeren ernten - und das sind nur einige von etlichen Fundstellen. Auch in der Dresdner Heide beispielsweise sind zahlreiche Stellen markiert.

Radebergs Oberbürgermeister Frank Höhme (parteilos) hat eine klare Meinung zur Legalität: "Meiner Meinung nach spricht nichts gegen diese Art von Mundraub, ganz im Gegenteil. Unbehandelte Produkte der Natur - was gibt es Besseres?" Wichtig sei jedoch, dass die "Räuber" die Eigentumsverhältnisse beachten und vor Ort behutsam agierten. Frank Höhme, der die Internetseite vor der Anfrage von Sächsische.de noch nicht kannte, will die Idee gerne aufnehmen und prüfen, ob man an geeigneter Stelle auf die Website hinweisen könnte.

Die Gemeindeverwaltung von Ottendorf-Okrilla teilt auf Anfrage mit: "Leider können wir Ihnen dazu aktuell keine Informationen geben. Dazu müssten wir uns intensiv erstmal mit dieser Thematik beschäftigen. Ich persönlich habe noch nie davon gehört."

Ganz im Gegensatz zu Veit Künzelmann (CDU). Wachaus Bürgermeister kennt die Seite sehr wohl - und ist großer Fan: "Von unserer Seite gibt es dazu nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil. Es ist doch schön und auch sinnvoll, wenn die Früchte genutzt werden." Die Gemeinde habe in den vergangenen Jahren auch Anpflanzungen von Bäumen und Sträuchern vorgenommen, berichtet Künzelmann.

"Es ist doch klasse zu sehen, wenn die Früchte dann von Bürgern geerntet und verwertet werden. Auf jeden Fall freuen wir uns, wenn das bei der Bürgerschaft ankommt und werden auch weiterhin Anpflanzungen von Obstgehölzen vornehmen."

Website stellt Verhaltensregeln auf

Die Seite appelliert in vier "Mundräuber-Regeln" übrigens selbst zum verantwortungsvollen Umgang mit dem Obst sowie fremdem Eigentum:

1. Stelle vor dem Eintragen und/oder Ernten sicher, dass keine Eigentumsrechte verletzt werden.

2. Gehe behutsam mit den Bäumen, der umgebenden Natur und den dort lebenden Tieren um. Für den Eigenbedarf pflücken ist erlaubt, aber nicht in großem Stil gewerbsmäßig, dazu braucht es eine behördliche Genehmigung.

3. Teile die Früchte deiner Entdeckungen und gib etwas zurück.

4. Engagiere dich bei der Pflege und Nachpflanzung von Obstbäumen.

Vor allem der letzte Punkt ist der gemeinnützigen Unternehmergesellschaft Terra Concordia mit Sitz in Berlin, die seit 2009 hinter mundraub.org steckt, wichtig. Denn Fundorte eintragen und Früchte naschen ist nur das eine. Die Gemeinschaft dahinter – rund 55.000 registrierte Nutzer – trifft sich auch zu gemeinsamen Ausflügen, Ernteaktionen, zu Baumpflanzungen oder zum Obstbaumschnitt.