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Ottendorfer Teichwiesenbad: Geschichten vom Beckenrand

Ferienzeit ist Hoch-Zeit im Ottendorfer Teichwiesenbad: Wasserproben entnehmen, Menschen retten, Frieden stiften. Freddy Lamm arbeitet dort seit vier Jahren als Bademeister. Ein Besuch.

Von Rainer Könen
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Hut und Sonnenbrille ist Pflicht - und ganz viel Sonnencreme. Freddy Lamm ist der Schwimmmeister im Ottendorfer Teichwiesenbad.
Hut und Sonnenbrille ist Pflicht - und ganz viel Sonnencreme. Freddy Lamm ist der Schwimmmeister im Ottendorfer Teichwiesenbad. © René Meinig

Ottendorf-Okrilla. Wer schon mal im Ottendorfer Teichwiesenbad seine Runden gedreht hat, der kennt ihn: Freddy Lamm, den Bademeister. Immer wieder schweift sein Blick gen Becken. "Ich schaue aufs Wasser, nicht auf die Köpfe der Leute", erklärt er. Schwimmer, die den Kopf über Wasser haben, hätten keine Hilfe nötig. Für ihn zählt, was sich unter Wasser abspielt.

Der Ottendorfer hat schon viel Erfahrung in seinem Job gesammelt. Seit 25 Jahren arbeitet er als Bademeister, beziehungsweise als Fachangestellter für Bäderbetriebe, wie es korrekt heißen muss.

Familie Lamm ist eine Schwimmmeisterfamilie

Lamm stammt aus Kamenz, wo schon seine Mutter als Schwimmmeisterin arbeitete. "Ich komme aus einer Schwimmmeisterfamilie", erklärt er. Auch seine Brüder arbeiten in der Branche. Lamms Lehre begann 1998 in einem Radebeuler Bad. "Das ist mein Ding. Ich bin Bademeister mit Leib und Seele."

An Feiertagen, in den Ferien und an den Wochenenden, wenn sich im Bad bis zu 1.300 Menschen täglich tummeln, braucht er die Unterstützung von Rettungsschwimmern. Einer davon ist Thomas Aisch, der derzeit eine Ausbildung zum Bäderkraft-Fachangestellten macht.

Auch für Ottendorfer Bademeister gilt: "Eincremen ist Pflicht"

"In der Saison bin ich kaum zu Hause", erzählt er, da komme ihn seine Familie halt häufiger an seinem Arbeitsplatz besuchen. Er lacht. Greift zur Sonnenmilch, Lichtschutzfaktor 50. "Eincremen ist Pflicht." Dreimal am Tag, das muss sein.

Als er seine Lehre beendet hatte, arbeitete er noch eine Weile in der Region, von 2005 bis 2015 zog es ihn in den Süden. "Dort habe ich in großen Freizeit- und Spaßbädern gearbeitet." Das waren Bäder mit über 6.000 Besuchern. Da sei man am Ende des Tages immer froh gewesen, wenn nichts passiert ist. Eine aufregende Zeit sei das gewesen. Doch dann zog es ihn und seine Familie wieder in die Heimat.

Mit Klischees kann der Bademeister nicht viel anfangen

Die meisten dächten ja, dass Bademeister ein lockerer Ferienjob sei, mit viel Sonne und Freizeit, sagt Freddy Lamm. "Manche denken auch, wir sitzen den ganzen Tag herum, um schönen Frauen hinterher zu gucken." Klischees, an deren Entstehung sicher auch die US-Fernsehserie Baywatch beigetragen habe, meint der 41-Jährige. Doch der Alltag sieht anders aus: Die Sicherheit der Badegäste steht im Vordergrund.

Auch kümmere er sich um die Instandhaltung der gesamten Anlage, erklärt er. Das geht vom Sauberhalten der Liegeflächen, Duschen, Wiesen bis hin zur Leerung der Abfalleimer. Mehrmals täglich werden Wasserproben entnommen, um die Chlor- und pH-Werte zu überprüfen. Was er an seinem Job auch schätzt, ist die Vielfältigkeit. "Man ist oft Psychologe, Elektriker, Landschaftsgärtner, Mediziner, Lehrer oder Polizist in einem."

Freddy Lamms Arbeit ist nicht nur am Beckenrand, sondern in der gesamten Anlage.
Freddy Lamms Arbeit ist nicht nur am Beckenrand, sondern in der gesamten Anlage. © René Meinig

In den Ferien über 1.000 Badegäste pro Tag im Ottendorfer Teichwiesenbad

Gelegentlich gebe es auch mal Problemchen. Etwa an Wochenenden, wenn es voll ist und unterschiedliche Erwartungshaltungen von Badegästen aufeinanderprallen. Dann ist Lamm als Schlichter gefragt. "Das kommt nicht so oft vor wie in Großstadtbädern, aber manchmal muss man halt eingreifen."

Vier Monate, von 15. Mai bis zum 15. September, dauert die Badesaison im Ottendorfer Teichwiesenbad. Hoch-Zeit für einen Bademeister wie ihn sind natürlich die Sommerferien, die am Freitag begonnen haben. Da wird es auf der Liegewiese eng, wenn an Ferientagen weit über 1.000 Badegäste das Freibad besuchen. Was Lamm auffällt, ist, dass unter den Gästen immer mehr Dresdner sind. Die fühlen sich in dem 1931 gebauten Bad, das vor fünf Jahren saniert wurde, gut aufgehoben.

In seiner langen Zeit als Bademeister habe er einiges gesehen, aber zum Glück sei nie etwas Schlimmes passiert. Platzwunden, Bienenstiche, allergische Reaktionen, kleine Unfälle gehören für Freddy Lamm zum Tagesgeschäft.

Polizeieinsatz am Beckenrand miterlebt

Aber es gebe auch Geschichten, die könne man nicht vergessen, meint er. Als er vor Jahren in einem Nürnberger Spaßbad arbeitete, hatte er eine Auseinandersetzung mit einem Badegast, der partout nicht aus dem Wasser herauswollte. Er rief die Polizei. "Einer der Beamten drückte mir seine Dienstwaffe in die Hand, dann ist der in voller Montur ins Becken gesprungen, um den Mann herauszuholen."

Doch zurück ins ruhigere Teichwiesenbad. "Ab 15 Uhr geht der Betrieb richtig los", sagt Freddy Lamm, der jetzt wieder auf seiner Aufsichtsplattform sitzt. Lamm schaut auf den Drei-Meter-Sprungturm. Ein paar Jungs springen von dort ins Wasser.

Lamm erzählt davon, was sich in den vergangenen Jahren alles verändert hat: die Technik, das Wetter, die Badegäste. Letztere seien anspruchsvoller und respektloser geworden. Auch findet er, dass manche Eltern bei ihrem Badbesuch eine zu große Sorglosigkeit an den Tag legten. "Die lassen ihre Kinder vollkommen unbeaufsichtigt, die interessiert nicht, was ihre Kids so treiben." Warum auch, dafür sei ja der Bademeister zuständig, hört er dann als Antwort.

"Das Wetter wird unberechenbarer"

Seitdem das Teichwiesenbad runderneuert wurde, sind viele Betriebsabläufe technischer geworden, computergesteuert. Das Bad erhielt ein Edelstahlbecken, was Reinigung als auch Wartung erleichtert. Lamm ist nun auf dem Freibadgelände unterwegs. Standortwechsel nennt er das - damit die Konzentrationsfähigkeit nicht nachlässt. Denn stundenlang aufs Wasser schauen, das sei zu anstrengend.

Lamm kennt etliche seiner Badegäste, ein kurzer Plausch hier, ein kleiner Tipp dort und immer ein Blick gen Himmel. Wenn früher ein Gewitter angesagt wurde, konnte man sich darauf einstellen. Und heutzutage? "Das Wetter wird unberechenbarer", findet er. Der Klimawandel ist auch im Teichwiesenbad angekommen.