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Radeberger Volkshochschule: "Wir sind kein Strickverein"

Die Volkshochschule ist eine oft unterschätzte Institution. Warum eigentlich? In Radeberg werden jedenfalls nicht nur Englisch-Kurse angeboten.

Von Rainer Könen
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Die Radeberger Volkshochschule hat im Herbstdemester wieder einiges zu bieten, sagt Mitarbeiterin Ines Reißig.
Die Radeberger Volkshochschule hat im Herbstdemester wieder einiges zu bieten, sagt Mitarbeiterin Ines Reißig. © Marion Doering

Radeberg./Bautzen. "Hello, how are you", sagt die Dozentin, weil mit einer solchen Begrüßung alles beginnt. "Hello, how are you" heißt es in der ersten Stunde des Grundkurs "Englisch für die Reise". Das lernen Schüler in der Radeberger Außenstelle der Kreisvolkshochschule (KVHS) Bautzen zuerst. Denn wer "Guten Tag, wie geht es Ihnen?" in einer fremden Sprache sagen kann, der hat sein Gegenüber schon für sich eingenommen.

In diesem September beginnt das Herbstsemester 2022 in der in der Heidestraße 70 gelegenen Filiale der KVHS. Dann werden dort wieder etliche Damen und Herren, jung wie alt, einen der rund 150 angebotenen Kurse besuchen, in der Hoffnung, sich weiterzubilden, aber vor allem auch, um Menschen zu treffen, auf die man im Alltag meist nicht trifft. Auch das macht den Charme einer VHS aus.

Hier können Handwerker, Schüler oder Verwaltungsangestellte im Englisch- oder Computerkurs mit Medizinern, Verwaltungsdirektoren oder Studenten zusammensitzen. Die ältere Dame, die man vor der Radeberger VHS trifft, erzählt, dass sie oft nach Schottland reist - in die Highlands. Deren Bewohner - ein "kerniger Menschenschlag" – findet die Rentnerin "recht interessant". Jedoch: Zu intensiven Gespräch mit den Einheimischen sei es nie gekommen, wegen ihrer geringen Englischkenntnisse. Also besucht sie nun den schon lange geplanten Grundkurs, auch, "um was für den Kopf zu tun".

Die Radeberger VHS gibt es seit über 90 Jahren. Zweimal im Jahr bringt sie ein Programmheft heraus. Das Programm entsteht, in dem sich Dozenten, Fachgebietsleiter der Bautzener KVHS mit den Mitarbeitern der Außenstellen Kamenz und Radeberg monatlich zusammensetzen, diskutieren, was gut funktioniert, was nicht, welche Kurse ausgefallen sind, welche nicht mehr angeboten werden, wo es Wartelisten gibt.

Heraus kommt ein Heft mit Kursen, die sich nicht nur nach den Interessen der Teilnehmer richten, sondern auch Trends der Gesellschaft aufzeigen.

Griechische Volkstänze lernen

Dazu gehören Kurse wie "Ich und mein Smartphone", "Kräuterspaziergang durch die Laußnitzer Heide" oder "Griechische Volkstänze". Verwaltungsmitarbeiterin Ines Reißig arbeitet seit vier Jahren in der Außenstelle. In Gesprächen mit den Teilnehmern erfährt sie, was die meisten an der VHS schön finden. Das sei insbesondere der "soziale Aspekt", der für etliche wichtig sei. Es gebe Gruppen, so Ines Reißig, die seit Jahren die selben Kurse besuchten. Man kennt und schätzt sich, in solch einer Atmosphäre fällt das Lernen halt leichter.

Für die Leiterin ist die VHS aber nicht nur eine Stätte der Begegnung, sondern auch eine Stätte "lebensbegleitenden Lernens", wie Katrin Nowotny das beschreibt. Im Schnitt wird die Radeberger Filiale im Jahr von 500 Teilnehmern besucht. 80 Prozent der Teilnehmer sind weiblich. Der jüngste in diesem Herbstsemester ist ein sechs Monate altes Baby, das mit seiner Mutter einen Baby-Bewegungskurs besucht.

Nowotny weiß, das Senioren vor allem Yoga-, Rücken-, Computer und Sprachkurse bevorzugten. Auch Fitness- und Entspannungskurse sind ein fester Bestandteil des Kursangebotes. Für Naturbegeisterte gibt es Kräuter- und Pilzwanderungen.

"Wir können eine Menge möglich machen"

In den 900 Volkshochschulen in Deutschland werden jährlich rund 700.000 Veranstaltungen angeboten, vor allem Kurse, aber auch Vorträge, Studienfahrten, Exkursionen. Mit rund neun Millionen Teilnahmen sind die Volkshochschulen der mit Abstand größte Anbieter der allgemeinen Erwachsenenbildung.

Bleibt da noch diese eine Frage: Warum wird die Volkshochschule oft belächelt, häufig unterschätzt, obwohl doch viele dort hingehen? Das wisse sie eigentlich auch nicht so genau, sagt Katrin Nowotny. Auf jeden Fall "sind wir kein Strickverein". Natürlich kennt sie die Vorurteile, mit denen etliche der Institution VHS begegnen, das man dort nur "Englisch lernen" kann. Dabei "sind wir so vielfältig, wir können eine Menge möglich machen", erzählt sie. Sogar exotisch-anmutende Kurse.

Auch einen Clown-Workshop? Ja, selbst das sei möglich, da genüge ein Anruf und man könne einen Schauspielkurs ins Programm aufnehmen.

Die reisefreudige Radeberger Seniorin freut sich schon auf ihren Mitte September beginnenden Englischkurs. Im kommenden Sommer geht es erneut nach Schottland, dieses Mal auf die Äußeren Hebriden. Bis dahin werde sie topfit sein im Englischen.