Radeberg. Am Ende dieser flotten Theatersause im Radeberger Biertheater staunt man und fragt sich, ob Volksschauspieler nicht doch eine besondere Spezies sind - eine, die vielleicht zu Unrecht unterschätzt wird. Denn was die Mitglieder des Biertheaterensembles im neuen Stück "Zimmer frei! Wenn's bei Neumann 2x klingelt" auf die Bühne bringen, zeigt, dass das schauspielerische Repertoire des darstellenden Personals absolut bemerkenswert ist.

In der Zimmer-frei-Aufführung, mit der Mitte September die Spielzeit 2023/24 eröffnet wurde, demonstrieren die Schauspieler dieses Mal, dass sie nicht nur ihr Pointen-Handwerk verstehen, sondern auch musikalisch einiges drauf haben.

Familie Neumann und die Eisenbahner-Welt

In der zweistündigen, mit knackiger Frische daherkommenden Klamotte, dreht sich natürlich wieder alles um Familie Neumann. Im Fokus des komödiantischen Geschehens stehen Hans Neumann (Thomas Böttcher) und sein Kompagnon Herbert Küttner (Thomas Rauch). Im Keller des Gasthauses gehen sie ihrer Modelleisenbahn-Leidenschaft nach. Dort haben es sich die beiden in ihrem mit Eisenbahn-Utensilien vollgestopften Raum kommod eingerichtet, tauchen hier mit sichtlicher Wonne in die Eisenbahner-Welt ab.

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Derweil eine Etage über ihnen nicht nur eine Hochzeit, sondern auch ein Gesangswettbewerb ansteht, zu dem sich einige schräge Künstlernaturen angesagt haben. Doch Gasthausbesitzerin Gerlinde, gespielt von Peter Splitt, kann sich um die Vorbereitungen für diese Festivitäten nur bedingt kümmern, wird sie doch von existenziellen Sorgen geplagt. Um ihren hoch verschuldeten Gasthof retten zu können, muss sie binnen weniger Tage 47.000 Euro aufbringen. Doch woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Das Drehbuch stammt von Thomas Rauch

Das Werk stammt dieses Mal nicht aus der Feder von Holger Blum. Der überregional bekannte und allseits beliebte Regisseur, Schauspieler und Drehbuchautor - mithin die "Seele des Biertheaters" - ist im Juni überraschend verstorben.

Die Zeit war knapp, also hatte Ensemblemitglied Thomas Rauch in der Sommerpause das Zimmer-frei-Skript geschrieben. Die von Blum gespielten Rollen übernimmt in dieser Spielzeit nun Thomas Böttcher - er setzt im Premierenwerk andere schauspielerische Akzente als der langjährige Impresario des Biertheaters.

Böttcher gibt seiner Figur in manchen Szenen Tiefe, etwa, als er über den "Zug des Lebens" philosophiert, den mancher zu früh verlässt. Eine Reminiszenz an Blum, die von den Besuchern im ausverkauften Saal mit großem Beifall goutiert wird.

Hohe Kalauerdichte, Klischees und ein bisschen Sexismus

In dem von Alexander Siebecke inszenierten Stück - er gab vor drei Jahren im Biertheater sein Regiedebüt - wird so ziemlich alles geboten, was klassisches Volkstheater ausmacht, was an diesem Tag auch die Reisegruppen erwarten, die mit Bussen zum Biertheater gebracht wurden. Eine hohe Kalauerdichte, ungefilterte Klischees, ein bisschen Sexismus und einen die Darsteller in Verwirrung und Situationskomik stürzenden Plot.

In dem von Bernd Kühne geschaffenen Bühnenbild geht es zwischen Gasthaussaal und Hobbykeller deftig zu, alle Protagonisten sind hochtourig unterwegs. Wenn Thomas Böttcher und Thomas Rauch in ihre Eisenbahnerkluft schlüpfen, sich auf den Lok-Down freuen, die Modellbahn die Pulle für den Elf-Uhr-Zug reinschnauft, sich die beiden zuprosten, hagelt es Beifallsstürme.

Auch musikalisch geht es in die Vollen

Die von Peter Splitt dargestellte Biergarten-Gerlinde ist sicher nicht die auffälligste Figur. Aber wie Splitt seine "BGG" vorführt, mit so einer gebremst-wirkenden Rampensau-Wonne, das ist schon beeindruckend. Nach der Pause geht es dann nicht theatralisch, sondern musikalisch in die Vollen, ist Musikantenstadl-Zeit angesagt.

Beim Gesangswettbewerb zeigen Thomas Böttcher und Co., das sie nicht nur singen, sondern auch tanzen können. Und wie! Das Publikum fordert Zugabe. Auch hier zeigt sich die Spielfreude der Akteure, hier passt alles: Tempo, Timing, Situationskomik.

Als sich das Stück dem Ende zuneigt, die Hoffnungslosigkeit beim Gasthaus-Personal ob des immer noch fehlenden Geldes zunimmt, die Zuschauer sich fragen, wie das noch gelöst werden wird, staunt man wenig später, wie schnell man an 47.000 Euro kommen kann - ein Überraschungsmoment sorgt dafür, dass das Stück rund wird, da muss sich halt die Logik den Gesetzmäßigkeiten der Komödie unterordnen.